Das Kollektiv „Fundiwatch“ hat Infos zu Gefahren des christlichen Fundamentalismus im Bereich der Sozialen Arbeit in einer Broschüre recherchiert. Das Netzwerk versteht unter der Ideologie u.a. eine wörtliche Auslegung der Bibel als „absolute Wahrheit“ im Sinne von „Biblizismus“ statt historisch-kritische Bibelexegese.
Fundiwatch ist der Überzeugung, dass die „Problematik des christlichen Fundamentalismus in der Radikalisierungsforschung und in der zivilgesellschaftlichen und medialen Debatte bislang unterrepräsentiert ist“. Notwendig ist fachübergreifende Forschung und Aufklärung. Ihre „Broschüre ist ein Appell für mehr Sensibilität und einen bewussteren Umgang mit christlich-fundamentalistischen Akteurskonstellationen.“
Ich habe einen Großteil dieser Broschüre heute gelesen und bin auch so manchem Link und Literaturhinweis gefolgt. Eine sehr lesenswerte Zusammenstellung zu einem Problembereich, der viel zu wenig wahrgenommen wird! Einigens war mir noch nicht bekannt bisher und auch viele Verweise sind sehr hilfreich.
Säkulare Forschungsstellen gefordert
Einsatzbereiche sozialer Arbeit für Missionierungszwecke zu nutzen, hat zwar eine lange Tradition, ist aber dennoch grundsätzlich übergriffig. Die Personalnot im sozialen Bereich öffnet Tür und Tor für christlich-fundamentalistische Gruppen. Eine innerkirchliche Prävention und Aufklärung reicht nicht aus. Die Loyalitätsverpflichtung gegenüber der eigenen Kirche verhindert oft notwendige Warnungen dahingehend. Es braucht dringend säkulare Forschung und ebensolche Anlaufstellen für Betroffene. Die Broschüre beleuchtet anhand von Praxisbeispielen, wie christlich-fundamentalistische Gruppen gezielt in das Feld der Sozialen Arbeit vordringen und dort Einfluss auf öffentliche Debatten, professionelle Standards und institutionelle Strukturen nehmen.
Fundiwatch dokumentiert Strategien, Netzwerke und Projekte – mit besonderem Fokus auf Hamburg und Norddeutschland sowie einem Ausblick auf nationale und internationale Verflechtungen. Die Handreichung möchte für Grenzüberschreitungen zwischen religiöser Mission und professioneller, klientInnenzentrierter Sozialer Arbeit sensibilisieren. Ein besonderer Fokus liegt auf Formen geistlichen Missbrauchs, politischer Einflussnahme und problematischen Interventionen im Bereich marginalisierter Gruppen: „Nicht die religiöse Überzeugung Einzelner ist das Problem – sondern die Vermischung von Glaube mit professionell anmutender Sozialer Arbeit und die Anwendung fragwürdiger Methoden“, erklärt das Kollektiv. „Insbesondere Fachkräfte in Jugendhilfe, Sozialberatung oder öffentlicher Verwaltung sind aufgerufen, die eigenen Kooperationsstrukturen und die Einhaltung ethischer Standards Sozialer Arbeit kritisch zu hinterfragen.“
Umgang mit christlich-fundamentalistischen Akteurskonstellationen
Mit Fallbeispielen, einem umfangreichen Theorieteil sowie praktischen Hinweisen zur Recherche und zu Beratungs- und Anlaufstellen richtet sich die Broschüre insbesondere an Fachkräfte der Sozialen Arbeit, Behördenmitarbeitende, zivilgesellschaftliche Initiativen und politische EntscheidungsträgerInnen. Sie versteht sich zugleich als Beitrag einer überfälligen gesellschaftlichen Debatte über christlich-fundamentalistische Bestrebungen in säkularen Räumen: „Zunehmend verwischt die Grenze zwischen ergebnisoffener, klientInnenzentrierter Sozialer Arbeit und Mission, Glaube und ‚Rettung‘“, so Fundiwatch. „In einer pluralistischen und demokratischen Gesellschaft entstehen dadurch Konflikte über Fragen reproduktiver, sexueller und geschlechtlicher Selbstbestimmung, Gleichberechtigung, Gleichwertigkeit und Minderheitenschutz.“ Die Broschüre ist laut Fundiwatch ein Appell für mehr Sensibilität und einen bewussteren Umgang mit christlich-fundamentalistischen Akteurskonstellationen: „Wir hoffen, mit dieser Broschüre eine Ressource für politische, zivilgesellschaftliche und behördliche Verantwortliche und Interessierte vorzulegen sowie einen – in unseren Augen überfälligen – Debattenbeitrag in der Auseinandersetzung mit erstarkendem christlichen Fundamentalismus.“ Mehr Infos: FUNDI WATCH