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Interkulturell: Typisch Schwarzwald – der Bollenhut

14. März 2019

Der Bollenhut gehört seit etwa 1750 zur Tracht der Frauen in den drei benachbarten Schwarzwalddörfern Gutach, Kirnbach bei Wolfach und Reichenbach bei Hornberg. Bei unverheirateten jungen Mädchen sind die “Bollen” rot, bei verheirateten Frauen schwarz. Aufgrund des malerischen Aussehens, und auch durch diverse Heimatfilme, wurde der Bollenhut zum allgemein bekannten Symbol für den ganzen Schwarzwald. Die Trachten werden heute folkloristisch in den Schwarzwaldorten an bestimmten Feiertagen, zu Prozessionen und Brauchtumsveranstaltungen getragen. Was hat dies mit der Lebenswelt eines Gefängnisses zu tun?

Flora Wenczel hat ihre Wurzel in Österreich und Ungarn. Josef Weis ist ein klassischer Schwarzwälder. Beide haben sich zur Aufgabe gemacht den originalen Schwarzwälder Bollenhut, „das Kultsymbol des gesamten Schwarzwaldes“ in einen Rucksack gepackt auf Weltreise mitzunehmen. Vierzehn Monate waren sie unterwegs, von Südostasien, über Indien, bis nach Zentralasien. Aus dieser Idee wurde ein kulturübergreifendes Fotoprojekt. Sie merkten schnell, dass Kulturen verbinden. Den Bollenhut wurde einheimischen Frauen gezeigt und sie – mit ihm – in der jeweiligen lokalen Umgebung porträtiert. Dabei entstanden sehenswert schöne Bilder, jeweils verknüpft mit der wunderbaren, individuellen Geschichte einer Person oder ihrer ganzen Familie.

Eine Bedeutung der Bollen und deren Anzahl ist nicht bekannt; der Verweis auf die vierzehn Nothelfer erscheint wenig plausibel, da die Bollenhüte aus evangelischen Gemeinden stammen und die Bollenhüte erst nach der Reformation am Ende des 18. Jahrhunderts belegt sind. Die drei Dörfer waren Teil des Herzogtums Württemberg und damit seit 1534 evangelisch, die anderen Gemeinden des badischen Kinzigtals katholisch. In den drei armen Dörfern wurde die Hutmacherei zur Arbeitsbeschaffung eingeführt.

Die Idee des Projektes ist für ein Gefängnis interessant, da hier ebenso viele Kulturen und Sprachen aufeinandertreffen. Trotz so mancher Unkultur in einem Gefängnis ist die Welt hinter Mauern ein Spiegelbild der Gesellschaft. Die jeweils andere Kultur zu achten und keine Angst vor Unterschiedlichkeit zu haben, ist Aufgabe und Auftrag zugleich. Die Möglichkeiten der Verständigung mit mangelnden sprachliche Kenntnissen oder Vorurteilen ist nicht einfach. Seine eigenen kulturellen Wurzeln nicht zu verleugnen und zu akzeptieren kommt hinzu. Es geht darum, den jeweils anderen in seiner Andersartigkeit zu achten und zu respektieren. Und darum, seinen Horizont zu weiten, vom Anderen zu lernen und dabei sich selbst zu verändern. Dazu bedarf es der Blick auf seine eigne Wurzeln. Nur wer verwurzelt ist, kann offen sein für andere Kulturen und Religionen.

Das Projekt mit dem „Bollenhut“ verdeutlicht die Gegensätze, aber auch das Verbindende zwischen Menschen und ihren Geschichten. Es handelt davon, dass Traditionen sich verändern, dass man/frau manches getrost über Bord werfen kann, aber ebenso manche Wurzeln neu entdeckt, die im Leben tragen.

Michael King, JVA Herford | Foto: Josef Weis

 

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