parallax background

Apocalypse now? Hoffnungsvoller Brief eines Anstaltsseelsorgers

16. November 2022

„Das Ende ist da!“ oder „Apocalypse now“ das war für mich die Grunderfahrung des Jahres 2022. Vieles was ehemals fest und unerschütterlich schien ist zerbrochen und liegt in Ruinen. Selbst die Queen ist tot. Nicht irgendeine Queen, DIE Queen. Wenn das nicht Zeichen des drohenden Weltendes ist, was denn dann? Ja, die Sterne fallen. I am not amused!

Manchmal beginnt der Untergang im Kleinen: Unser alter Dechant zuhause ging heuer in Pension und der Neue hat die Gottesdienstzeiten verändert und damit meinen wunderbar organisierten und ausgeklügelten Kosmos (mein „time-management“) völlig zerstört. Für mich war er ein apokalyptischer Reiter. Viel schlimmer noch, was auf der Welt passiert: die Ukraine wird zerbombt, wird im wahrsten Sinne des Wortes ruiniert und bei uns steigen die Preise für Energie und Lebenshaltung in ungeahnte Höhen. Apokalypse now ! Andere haben geliebte Menschen verloren oder sind mit schrecklichen Krankheitsdiagnosen konfrontiert. Den Kirchen brechen Gewissheiten und Sicherheiten und was noch schlimmer ist unzählige Gläubige weg. Altes trägt nicht mehr und Neues ist noch nicht da. Welten brechen zusammen. Und selbst im Arbeitsumfeld gibt es manche Umbrüche und Neuordnungen die traurig stimmen, verstimmen oder Angst machen.

Gutes Ende zum Schluss?

Die Inhaftierten in unseren Gefängnissen haben ihre je eigenen Weltzusammenbrüche erlebt. Bei dem Einen war es der Moment der Verhaftung, beim größeren Teil jedoch die Tat selber, die ihre bekannte Welt völlig in Trümmer gelegt hat. Bei anderen war die Welt nie in Ordnung. In der Bibel wird all das im Buch der Offenbarung (Apokalypse) beschrieben. Ihr findet das Kapitel ganz hinten, als letztes Buch der Bibel. Wie passend. Das (gute) Ende kommt zum Schluss. Doch das Buch ist nicht Ohne. Absolut alles was ist geht darin vor die Hunde. Es bleibt kein Stein auf dem anderen. Die totale Zerstörung. Doch die gute Nachricht des Verfassers: „Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde, denn der erste Himmel und die erste Erde waren vergangen.“ (Off 21,1).

Der Heilige Rupert blickt auf die Ruinen von Juvavum. Sebastian Stief, ein Salzburger Maler des 19. Jahrhunderts hat das Original gemalt.

Wenn ihr mich fragt, dann geht es in dem Buch gar nicht um irgendein Ereignis in der Zukunft, sondern um unsere alltäglichen Katastrophen und Apokalypsen. Wir erleben jeden Tag wie unsere Welt zerbricht. Ich meine unserer je eigene kleine Welt. Da bleibt nichts lange wie es war. Und die Botschaft der Apokalypse ist keine Panikmache sondern ermutigender Realismus. Sie lautet eigentlich: Sei nicht feig. Lass das Alte los, Neues wartet auf Dich. Halt Dich an den einzigen wirklichen Fixpunkt den es gibt : Gott. Der Rest passt dann schon. Und das Neue kann genauso geil werden wie das Alte. Vielleicht noch besser. Nur um Himmels und um Deiner selbst Willen: Halt Dich an Gott fest. Er ist die Planke die uns rettet auf dem Schiffbruch dieser Welt.

Vor den Ruinen stehen

Wie ich bring ich das mit Weihnachten zusammen ? Weihnachten feiern wir die Tatsache, dass Gott die Apokalypsen und Zusammenbrüche nicht aus sicherer Entfernung beobachtet und erlebt, sondern dass er mittendrin mitleidet, mitfühlt, mit zerbricht, mit vor den Ruinen steht, mit uns neu aufbaut. Einfach deshalb, weil er (in Jesus) Mensch geworden ist. Ein Mensch, der die alltäglichen Zusammenbrüche kennen gelernt hat. Und in der Menschwerdung hat er den einzigen Fixpunkt -sich selber – in die Welt gebracht und uns allen zugänglich gemacht. Im Oktober bekam ich ein Ölgemalde, die Kopie eines Bildes, das mir sehr wichtig ist. Sebastian Stief, ein Salzburger Maler des 19.Jahrhunderts hat das Original gemalt. Es heißt: „Der Heilige Rupert blickt auf die Ruinen von Juvavum“. Juvavum hieß die römische Stadt, die dort lag wo heute Salzburg ist. Das Original des Bildes hängt im Erzbischöflichen Palais in Salzburg und hat mich immer fasziniert. Der abgebildete Rupert lebte im siebten Jahrhundert und kam aus Worms am Rhein nach Salzburg. Er gilt als Gründer der Diözese.

Brüche aushalten

Dieses Bild ist für mich ein Ausdruck dessen, was Gefängnisseelsorge bedeutet. Da ist eine komplette (Lebens-) Welt völlig ruiniert. Alles was einst groß und schön war ist zerfallen, zugewuchert und zugesumpft. Eine Epoche vergangen, eine Neue noch nicht greifbar. Ein Kosmos in sich zusammengefallen. Das ist nicht wirklich romantisch, das ist schmerzlich und verunsichert. Und in dieses Trauerspiel kommt einer, von weit her, aus seiner eigenen ruinösen Wirklichkeit, der den Mut hat sich dem zu stellen und sagt: „daraus machen wir was!“ Ist das nicht ein schönes Bild für unser Leben? Brauchen wir nicht Menschen, die uns unterstützen und Mut machen aus den Ruinen unseres Lebens etwas neu zu bauen? Und das erste ist hinschauen, hinzeigen, aufmerksam werden auf die Zusammenbrüche und nicht ausweichen, den Schmerz der Brüche aushalten. Und dann geht es ans sortieren, was noch brauchbar und integrierbar ist, was weggeschafft werden muss und was als Mahnmal bleiben darf. Und das Bild zeigt etwas wichtiges: Rupert segnet die Ruinen. Er macht sie nicht schlecht, er redet sie nicht nieder, er segnet sie und spricht gute Worte über ihnen.

Wenn jetzt im Moment immer mehr unserer Welten zusammenbrechen, wenn wir nicht wissen, was das neue Jahr bringt, dann ist es gut zu trauern über das Verlorene, es aber auch loszulassen und sich auf den Weg zu machen zum Neuen, zum Ungeahnten, zum Verheißenen – Mit Gott! Das Kind in der Krippe am Weihnachtstag wird vom Prophet Jesaja angekündigt als der „Immanuel“ – das bedeutet übersetzt: „Gott mit uns“. „Immanuel“ – Gott sei mit Euch nicht nur an Weihnachten, sondern in allen Apokalypsen und Katastrophen, in allen Wandlungen und in jedem zauberhaften Neubeginn des Jahres. Es erwarten uns unzählige neue Himmel und neue Erden. Seht: Gott macht alles neu!

Jonathan Werner | JA Garsten, Austria

 

Feedback 💬

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert