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Angesichts der Krise, in der sich meine Kirche befindet

13. Februar 2022

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur Wiederwahl gratuliert. In einem Glückwunschschreiben würdigte Bischof Bätzing das bisherige Wirken des Bundespräsidenten, der wie kaum ein anderer als Anker die Gesellschaft zusammenhalte: „Der offenkundigen Gefahr von Polarisierung, Spaltung und Misstrauen setzen Sie eindrucksvoll und authentisch Ihr persönliches Lebenszeugnis entgegen, das von Vertrauen, Miteinander und Verständnis geprägt ist.“

Bischof Georg Bätzing dankte Bundespräsident Steinmeier für die vertrauensvollen Beziehungen, die er zur katholischen Kirche – auch in stürmischen Zeiten – pflege. Dankbar sei er für dessen christliches Zeugnis, was sich in vielen, gemeinsam gefeierten ökumenischen Gottesdiensten gezeigt habe. Bischof Bätzing fügte hinzu: „Es ist gut, dass Deutschland Sie für eine weitere Amtszeit als Bundespräsident wissen darf. Wir danken Ihnen herzlich, dass Sie bereit sind, Ihre Kraft und Ihre Erfahrung in diesen herausfordernden Zeiten weiterhin einzubringen.“ Die heutige Wahl sei Stärkung und Auftrag zugleich. „Es wird auch weiterhin darum gehen, soziale Kälte und tiefere Spaltungen in der Gesellschaft einzuhegen und stattdessen Hoffnung auf eine gute Zeit nach der Pandemie zu vermitteln. Die weltpolitische Lage lässt uns mit Sorgen in verschiedene Länder schauen. Gerade da wird auch Ihre Stimme notwendig sein, Gegner zum Dialog zu bewegen und Brücken zu bauen.“

Vor der Wahl des Bundespräsidenten sind Teilnehmer der Bundesversammlung zu einem ökumenischen Gottesdienst in der St. Marienkirche in Berlin zusammengekommen. Die Feier ist mit jüdischer und muslimischer Beteiligung gestaltet worden: Pfarrer Gregor Hohberg; Imam Kadir Sanci und Rabbiner Andreas Nachama; Drei-Religionen-Haus „House of One“

Die Krise meiner Kirche

Bereits unmittelbar vor der Bundesversammlung waren die Wahlfrauen und Wahlmänner zu einem ökumenischen Gottesdienst mit jüdischer und muslimischer Beteiligung in die evangelische St. Marienkirche eingeladen. Er wurde von Prälat Dr. Martin Dutzmann, Bevollmächtigter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), und Prälat Dr. Karl Jüsten, Leiter des Katholischen Büros in Berlin, gefeiert. In seiner Predigt dankte Prälat Jüsten allen, die sich für die Bekämpfung der Pandemie unermüdlich einsetzen und Verantwortung tragen und übernehmen. Er erinnerte auch an die Hochwasserkatastrophe und die überwältigende Hilfsbereitschaft. „Dass große Herausforderungen nur durch eine gute Gesinnung und durch Haltung bewältigt werden können, wird immer klarer, auch angesichts der Krise, in der sich meine Kirche befindet. Es ist ja nicht eine Krise der Gläubigen oder gar des Glaubens. Diese Krise ist durch diejenigen, die sexuelle Gewalt begangen haben und die Verantwortungsträger, die den Schutz der Institution vor den Schutz der Opfer gestellt haben, entstanden. Sie ist nicht mit Kommunikationsstrategien und Kampagnen zu bewältigen, sondern nur mit Haltung, mit Wahrhaftigkeit und Demut.“

Kein Chamäleon sein

Institutionelles Versagen müsse klar identifiziert und auch persönliche Schuld eingeräumt werden. „Und nur der kann auf Verzeihung hoffen, der zum persönlichen Schuldbekenntnis und echter Umkehr fähig ist“, so Prälat Jüsten. Aus der Lesung zitierte er: „‚Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten‘. Wir würden wahrscheinlich diesen Passus falsch verstehen, wenn wir ihn als Aufruf deuten, ein Chamäleon zu sein. Das war Paulus wahrlich nicht. Es geht um Hingabe, Selbstlosigkeit, Opferbereitschaft und Liebe.“ Jeder, der ein öffentliches Amt bekleide, müsse selbstverständlich die Gesetze und Vorschriften einhalten. „Jedes Amtsethos geht in seinem moralischen Gehalt jedoch weit darüber hinaus“, betonte Prälat Jüsten. Dies komme auch in dem Amtseid zum Ausdruck, den der Bundespräsident nach seiner Wahl ablege. „Als Gläubige wünschen wir, dass Gott den Bundespräsidenten weiter mit seinem Segen begleiten möge.“

Eigentliche Problematik verschleiert

Wahrlich gute Worte, die Prälat Jüsten angesichts der Wahl des Bundespräsidenten in den Mund nimmt. Von staatlicher Seite und der Gesellschaft steht die Katholische Kirche weiter im Fokus. Trotz aller gut gemeinter Worte wie Selbstlosigkeit, Opferbereitschaft und Liebe ändert dies nichts am Berg des Reformstaus innerhalb der Katholischen Kirche. Gerade die Konzentration auf das „Amt“ stellt ein Kernproblem der kirchlichen Macht mit dem Klerikalismus dar. Das Bild des Chamäleon spricht für die derzeitige Lage der Kirche in Deutschland. Je nachdem, was einem entgegen kommt, nimmt man diese oder jene Farbe an und verschleiert die eigentlich Problematik. Aber dies ist angesichts der Wahl des alten und neuen Bundespräsiedenten nicht Thema. Interessant ist, dass zumindest von einer „Kirse“ geprochen wird. So kann man nur hoffen, dass in Sachen sexueller Missbrauch eine externe Aufarbeitung erfolgt.

King mit Pressemeldung dbk | Fotos: Jens Schlüter, epd-poolfotos

Gesamte Predigt

Die Bundesversammlung 2022 hatte 1.472 Mitglieder: alle Bundestagsabgeordneten und genauso viele von den Landtagen nominierte Wahlmänner und -frauen, darunter auch Prominente aus Sport, Kultur und Wissenschaft. Bei der 17. Bundesversammlung Deutschlands wurde Frank-Walter Steinmeier erneut zum Bundespräsidenten gewählt. Das alte und neue Staatsoberhaupt der Bundesrepublik wird demnach die nächsten fünf Jahre seinen Amtssitz im Schloss Bellevue haben. 1437 Stimmen wurden abgegeben, zwölf davon waren ungültig, 1425 waren gültig, insgesamt gab es 86 Enthaltungen. Kandidatin Stefanie Gebauer (Freie Wähler) kam auf 58 Stimmen, Gerhard Trabert (Die Linke) auf 96 Stimmen, Max Otte (AfD) auf 140 Stimmen und Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier erhielt 1045 Stimmen.

 

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