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Anfänge benötigen eine Reifezeit zum entdecken

10. Dezember 2023

Markus lässt sein Evangelium so beginnen: Der Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, Gottes Sohn. Anfang. Ja, wann hat es begonnen? Dann geht es in seiner Erzählung schon weiter mit der Taufe Jesu. Lukas fängt – so könnte man meinen – früher an: Mit Engeln, die unterwegs sind zu Zacharias und zu Maria, die bekannte Weihnachtsgeschichte – historisch nicht so recht zu fassen. Das Evangelium selbst, wo ist sein Beginn? Wie ist das mit den Anfängen?

So genau lässt sich das nicht sagen. Zumal der Sohn, Christus, ja immer schon da war. Der Evangelist Johannes sagt: schon am Anfang war es, das Wort, alles ist durch das Wort geworden. Anfänge liegen oft im Verborgenen – ich glaube, die großen, die wesentlichen immer. Unser eigener Anfang liegt für uns im Dunklen. Auf einmal sind wir da – werden uns unserer selbst bewusst – und dies ein Leben lang. Anfänge von Liebe liegen im Verborgenen: Auf einmal schlägt das Herz schneller – und wir merken: Da ist mehr. Anfänge von Krankheiten und Sterben liegen im Verborgenen: Wer weiß, wann was beginnt? Anfänge vom eigenen Glauben liegen im Verborgenen: Irgendwann wurde oder wird uns klar, wem wir Vertrauen schenken.

Anfänge oft im Dunkeln

Der Anfang, an dem wir zum ersten mal ein Wort als Gotteswort wahrgenommen haben, liegt im Verborgenen; der Zeitpunkt, wo alles begann, wird den meisten nicht bewusst sein. Anfänge von Kriegen und Streitereien lassen sich nicht genau benennen, zumindest nicht, wenn man redlich nach Ursachen fragt. Selbst Gedanken und Ideen mögen auf einmal da sein; aber wie sie entstehen und werden, wer und was wann dazu beiträgt, lange bevor sie sich formen und Ausdruck finden, vermögen wir nicht allumfassend zu sagen. Anfänge des Keimens von Saaten und Zwiebeln liegen im dunklen Erdreich, wir nehmen es erst mit dem Spross wahr; und mehr noch: Ein zu frühes Nachschauen und Offenlegen könnte zerstören.

Anfänge zum entdecken

Anfänge liegen nicht immer in unserer Hand. Sie brauchen eine „reife Zeit“ und eine „Reifezeit“. Sie kommen über Nacht, wir nehmen sie wahr, wenn sie da sind, ähnlich dem Tau am Morgen. Das geschriebene Wort ist da, bevor es aufs Papier kommt; Wahrheiten sind da, bevor sie als solche erkannt oder bekannt werden; das Licht nähert sich, lange bevor wir es sehen. Rainer Maria Rilke schreibt in einem seiner Gedichte: „Bis wohin reicht mein Leben, und wo beginnt die Nacht?“ Wie weit kann ich zurückgehen oder erkennen, und ab wann ist es unerforschlich und dunkel? Anfang ist immer – unabhängig von meiner Wahrnehmung, unabhängig von meinem Begreifen. Wenn ich im Alltag von Anfängerin oder Anfänger höre, dann schwingt mitunter die Aussage mit, keine Ahnung oder noch keine Ahnung zu haben – und es drückt ein Defizit aus. Im Glauben nehme ich es anders wahr: Anfangend zu sein bedeutet hier entdeckend zu sein, aufspürend, findend und vorfindend, nachgehend. Gott ist immer schon da.

Bernd Mönkebüscher, Markus 1, 1-8  | Zeichnungen: Anne Stickel, Kolumbien

 

1 Rückmeldung

  1. Udo Wegner sagt:

    Die Anfänge einer Änderung der Lehre und des Amtsverständnisses in der römisch-katholischen Kirche liegen schon lange zurück. Das 2. Vatikanische Konzil hat sie zum letzten Mal geändert. Doch jetzt scheint eine Weiterentwicklung zu stagnieren. Klerikalismus und sexueller Missbrauch innerhalb dieser Kirche machen die Runde. Und sie bleiben. Unveränderbar die gesetzte Struktur? Die Anfänge einer anderen Art von Kirche sind längt in der Praxis erlebbar: Queersensible Pastoral, gemeinsames Abendmahl zwischen evangelischen und katholischen ChristInnen* oder bekenntnisfreien Menschen sowie die Beteiligung von Frauen in der männerlastigen Kirche. Letzteres sind oft nur Lippenbekenntnisse. Da wird eine Frau als Bevollmächtigte des Generalvikars im Bistum Mainz bestellt. Da wird eine Frau als Sekretärin der Deutschen Bischofskonferenz ernannt. Sind das Anfänge? Vielleicht, doch ich mag nicht so recht daran glauben. Für ultra-katholische Kreise geht dies alles zu weit. Ich denke, die zaghaften Anfänge einer Befreiung werden niedergeknüppelt. Man will den Satus-Quo erhalten. Komme, was wolle.

    Nur sich nicht ernsthaft darauf einlassen

    Diese Verbrüderung innerhalb bestimmter Kleriker ist kaum auszuhalten. Die Erhöhung der geweihten Würdenträger in Frauenkleidern und das angeblich so bürgernahe „auf eine Stufe stellen“ ist eine Phrase. Es gibt keine Gleichberechtigung, keine am Leben orientierte Sexualmoral oder gar echte Anerkennung gegenüber anderen öffentlich-gelebten Lebensentwürfen. Die No-Jesus-Strategie und die Scheinheiligkeit regiert weiter. Dies besonders innerhalb einiger geweihter Würdenträgern mit den so unterschwelligen „unter der Decke“ gehaltenen Überzeugungen. Das Kokettieren und die Witze-Kultur bestehender katholischer Verhältnisse innerhalb pastoraler MitarbeiterInnen zeugt davon: Nur sich nicht ernsthaft darauf einlassen wollen! Bei den Priestern ist der Zölibat Thema. Auf keinen Fall nicht öffentlich. Ich sehe keine Anfänge einer Änderung. Eine Änderung geht vielleicht einher mit dem Austritt aus dieser römischen Kirche. Das ändert vielleicht langfristig die Lage. Oder auch nicht. Es wird eine Kirche aus kleingläubigen und innerkirchlichen Menschen im „Bubble“. Eine insgeheim-heimliche Faszination zu dieser Kirche wird bestimmt von einigen bekundet. Sind deren Theateraufführungen doch beständig und die Riten der Beharrlichkeit mögen oberflächlich überzeugen. Wie lange brauchen die Anfänge einer Veränderung? Wie lange dauert solch ein Reifeprozess? Darunter leiden derweilen Menschen oder sie verabschieden sich still und leise. Keine Anfänge, eher ein Ende. Die römisch-katholische Kirche ist nicht reformierbar.

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