Von links nach rechts: Alfredo Diez, Präsident des Schweizerischen Vereins für Gefängnisseelsorge, der Leiter der Justizvollzugsanstalt Passau, Hans Amannsberger, der 2. Bürgermeister der Stadt Passau, Andreas Rother (SPD), Ministerialdirigent Peter Holzner, der Vorsitzende der bayerischen Konferenz für Gefängnisseelsorge, Mario Kunz, sowie Domkapitular Gerhard Auer von der Diözese Passau.
GefängnisseelsorgerInnen aus der Schweiz, Österreich und aus Bayern treffen sich zur 67. Alpenländischen Tagung in Passau. Das hat Tradition in diesem internationalen Format. Fast 50 GefängnisseelsorgerInnen des Dreiländerecks wollen ins Gespräch kommen über ihren Dienst im Knast. Die Dialekte sind unterschiedlich, aber die Arbeitsfelder hinter den Mauern sind ähnlich. Die Sprache ist das Thema dieser Tagung.
Wie kann ich die richtige Sprache finden im Umgang mit Inhaftierten? Was kann die Gefängnisseelsorge bieten und leisten? Bereits bei der Eröffnung der Tagung im Tagungshaus “Spectrum Kirche” in Passau kam dies zur Sprache. Die GefängnisseelsorgerInnen aus Bayern, der Schweiz und Österreich kennen sich. Neben evangelischen Vertretern ist ebenfalls ein muslimischer Seelsorger aus der JVA Niederschönenfeld mit dabei. “Jeder Mensch ist erwünscht”, sagt der Vorsitzende der bayerischen katholischen Gefängnisseelsorge, Mario Kunz, bei der Eröffnung. Er führt die Worte von Wilhelms Willms und Huub Oosterhuis an, die den Kernpunkt von Lebenserfahrungen mit ihren Texten treffen.
ich bin gottes mund
als man mich umbrachte
hat man gott den mund gestopft
ich wurde in gehobener
theologischer sprache
so erniedrigt
ich wurde
in gehobener rhetorisch
so perfekter sprache
so erniedrigt
ich will und ich kann daher
nicht mehr
in gehobener sprache sprechen
wie manche gehobene kreise
das von mir erwarten
ich bin zwar auferstanden
in dieser welt der gehobenen und
erniedrigten kreise
das heißt aber nicht dass ich schon
aus dem schlimmsten
dreck heraus wäre
ich weiß nicht
wie man das machen konnte
meine erniedrigung
himmelfahrt zu nennen
in gehobener sprache
Wilhelm Willms
Aus: Wilhelm Willms, Der geerdete Himmel. © 1974 Butzon & Bercker
Wilhelm Willms (1930-2002) war von den 70er Jahren an einer der Dichter neuer Kirchenlieder wie zum Beispiel „Alle Knospen springen auf“, „Brot, das die Hoffnung nährt“ oder „Weißt du, wo der Himmel ist“. Seine Texte sprechen unmittelbar und tief an. Sie fassen Glaubensinhalte in eine moderne, verständliche Sprache, die voller plastischer Bilder und von großer poetischer Tiefe sind. Huub Oosterhuis trat 1952 bei den Jesuiten ein. Er wurde 1969 wegen seiner Ansichten zu politischen Themen und zu dem zölibatären Leben aus dem Jesuitenorden ausgeschlossen und trat anschließend aus der römisch-katholischen Kirche aus.
Den Horizont ermöglichen
Im Knast die richtige Sprache finden? Das dürfte schwierig sein, meint der Ministerialdirigent Peter Holzner, den Leiter der Abteilung Justizvollzug im Bayerischen Staatsministerium der Justiz. Er dankt den GefängnisseelsorgerInnen für Ihren schwierigen und oft komplizierten Dienst in den Gefängnissen. Der Domkapitular Gerhard Auer, Abteilungsleiter der Hauptabteilung Seelsorge und Evangelisierung im Bischöflichen Ordinariat Passau, lädt den Ministerialdirigenten zu einem persönlichen Besuch nach Passau ein. In Passau sei nicht nur die Justizvollzugsanstalt, sondern eben auch die drei Flüsse Inn, Donau und die Ilz, die es zu erkunden gilt. Auer führt aus, dass Papst Franziskus in einer Rede sagte, dass den lebenslänglichen Gefangenen den Horizont nicht genommen werden darf. Diesen Horizont würden trotz aller Widrigkeiten die GefängnisseelsorgerInnen vermitteln. Der Bürgermeister der Stadt Passau, Andreas Rother, kann dem nur beipflichten.
Der Präsident des Schweizerischen Vereins für Gefängnisseelsorge, Alfredo Diez, entschuldigte sich, dass er mit kurzen Hosen am Rednerpult stehe. Die Zugfahrt dauerte über sechs Stunden und die Delegation aus der Schweiz konnte sich für die Eröffnung nicht mehr zurecht machen. Der schweizerische Verein bringt eine Broschüre heraus, in der mögliche “Fehler” im Handeln von GefängnisseelsorgerInnen beschrieben werden. Wie handle ich, wenn ein Gefangener den Seelsorger bittet, einen Brief aus der Anstalt weiterzugeben? Braucht es da eine deutliche Sprache? Der Hofrat, Dr. Christian Kuhn, aus Österreich führt ein Beispiel an, wie er einer Beerdigung eines Inhaftierten die Rituale der “Freunde der Nacht” erlebte, die tief trauern über den Verlust ihres Kumpels. Eine andere Sprache mit selbem Inhalt?
Mitgeh-Pastoral ist wichtig
Wie kann die Gefängnisseelsorge in Worten fassen, was das Leben ausmacht? Durch fromme Sprüche und Glaubensinhalte wird dies nicht passieren. Einer, der es wissen muss, ist Prof. em. Dr. Ottmar Fuchs. Leider kann er aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Tagung teilnehmen. Über-Setzen ist die Kunst der Stunde, sagt er. “Die Menschen erfahren die kirchliche Seite so: Die haben für alles eine Antwort. Für viele ist das abstoßend. Notwendig wäre eine verletzbare Offenheit, die keine Konserven aufmacht, sondern sich mit Menschen auf die Suche macht, um die Tiefe ihrer Erfahrung ertasten zu können. Notwendig wäre, dass gerade Menschen, die religiös sprechen, selber noch auf der Suche sind und auf siegreiche Argumente oder alternativlose Affekte verzichten. Also nicht eine Antwort-Pastoral, sondern eine Mitgeh-Pastoral, die nach vorne offen ist. Dann verändert sich auch die Sprache”, so der emeritierte Pastoraltheologe aus Tübingen. Mit den Texten und Thesen befassen sich die GefängnisseelsorgerInnen in den nächsten Tagen. Auch ohne Anwesenheit des Referenten. Die Eröffnung gestaltete die Bläsergruppe “Mariahilf” musikalisch mit. Da braucht es keine großen Worte mehr…
Michael King