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Ärger mit transsexuellen Häftlingen: Seit Jahren Realität?

4. März 2025

Seit November 2024 kann jede Person, die in Deutschland lebt und sich einem anderen Geschlecht zugehörig fühlt, seinen Geschlechtseintrag im Standesamt ändern lassen. Dank des Selbstbestimmungsgesetz sind weder Gutachten von Sachverständigen noch die Entscheidung eines Gerichts mehr nötig.

Aktivistengruppen wie der Bundesverband Trans begrüßten diese Neuerung als einen „Meilenstein für die Anerkennung von geschlechtlicher Vielfalt“. Aber das Gesetz hat auch seine Schattenseiten. Seit es in Kraft ist, kommt es immer wieder zu Konflikten: Biologische Männer begehren den Zutritt zu Räumen, die bisher Frauen vorbehalten waren, etwa Frauensaunen oder Umkleidekabinen. Manche schrecken auch vor Klagen nicht zurück, wenn sie per Hausrecht abgewiesen werden. Die Betreiber befürchten, es könnte zu Übergriffen auf die Frauen kommen. Was seit November zu Konflikten zwischen biologischen Männern und den Betreibern von Fitnessstudios oder Saunen führt, ist in mehreren deutschen Haftanstalten seit Jahren Realität.

Vorfälle in mehreren Bundesländern

Die Justizministerien mehrerer Bundesländer hatten entschieden, dass transsexuelle Häftlinge in Einzelfällen auch in Frauengefängnissen untergebracht werden können. Seither kommt es immer wieder zu Übergriffen. Erst kürzlich ist ein weiterer Fall dieser Art publik geworden. Zwei inhaftierte Transfrauen mussten aus der Berliner Frauenhaftanstalt zurück in ein Männergefängnis verlegt werden, weil wie Frauen bedroht hatten. So steht es in der Antwort des Berliner Senats auf eine parlamentarische Anfrage des AfD-Rechtspolitikers Marc Vallendar, über die zuerst die ,,Berliner Zeitung“ berichtet hat. Der zuständige Justizstaatssekretär Dirk Feuerberg hält sich in dem inzwischen öffentlich zugänglichen Schreiben mit Informationen zurück, die auf die Identität der transsexuellen Gefangenen hinweisen könnten. Er gibt lediglich an, die Übergriffe seien nicht sexueller Art gewesen. Allerdings zeigen Vorfälle aus anderen Bundesländern, dass es zu sexueller Gewalt kommen kann. Im sächsischen Chemnitz etwa soll ein transsexueller Häftling im Jahr 2023 weibliche Mitgefangene und Bedienstete belästigt, bedroht und zum Sex aufgefordert haben berichtete die „Welt“. Der Fall sei durch das Schreiben einer Gefangenen publik geworden, heißt es im Bericht. Nachdem eine Lokalzeitung darüber berichtet hatte, sei er zunächst in ein Männergefängnis verlegt worden.

AIs die feministische Initiative „Lasst Frauen sprechen“ dazu Informationen anfragte, wollte die sächsische Landesregierung diese nur gegenhohe Gebühren herausgeben. Auf Druck der AfD-Fraktion im sächsischen Landesparlament bestätigte die Landesregierung den Vorgang. Laut der „Welt“, die alle Justizministerien der Bundesländer abgefragt hatte, kam es in den vergangenen Jahren zu insgesamt fünf dokumentierten Übergriffen von Transsexuellen auf Frauen in deutschen Gefängnissen. Davon waren vier sexuell motiviert. Auch in der Justizvollzugsanstalt Vechta für Frauen in Niedersachsen soll ein transsexueller Häftling weibliche Mithäftlinge belästigt haben. In Nordrhein-Westfalen wurde in dem Zusammenhang ein Fall von Körperverletzung aktenkundig.

Fall sorgt für breite mediale Diskussion

Rene Müller vom Bund der Strafvollzugsbediensteten (BSBD) in Deutschland wird im Bericht mit der Einschätzung zitiert, er hege daran Zweifel, dass alle Vorfälle „von Betroffenen zur Anzeige oder zur Meldung gebracht wurden“. In meisten deutschen Bundesländern waren Transsexuelle seit 2020 bereits in Frauengefängnissen inhaftiert, allein Brandenburg, Thüringen und das Saarland führen dazu keine Statistik. Derzeit sitzen laut einer Umfrage des Portals „Nius“ 39 Transfrauen in deutschen Frauengefängnissen ein. Nun könnte es erstmals zu dem Fall kommen, dass ein bekannter Aktivist aus der rechtsextremen Szene, der einen weiblichen Geschlechtseintrag nach dem Selbstbestimmungsgesetz wählte und sich seither Marla-Svenja Liebich nennt, eine Haftstrafe in einem Frauengefängnis verbüßen könnte. In einem Gerichtsprozess wurde Liebich wegen Volksverhetzung belangt, in einem anderen könnte er wegen Körperverletzung schuldig gesprochen werden. Der Fall sorgte für eine breite mediale Diskussion und lenkte den Fokus auf das Missbrauchspotenzial des neuen Selbstbestimmungsgesetzes. Feministische Organisationen kritisieren seit mehreren Jahren die Unterbringung biologischer Männer in Frauengefängnissen. „Die Rechte von Männern, die behaupten, Frauen zu sein“, dürften nicht schwerer wiegen „als die Sicherheit von Frauen“, sagt Hilde Schwathe von der Initiative „Geschlecht zählt“. Aus ihrer Sicht bestätigen die Fälle genau das, „wovor unabhängige Frauenorganisationen seit langem warnen“.

Wie sich StraftäterInnen* subjektiv identifizieren

Nina Wagner engagiert sich bei der Initiative „Lasst Frauen sprechen“. Es „sei bezeichnet“, sagte sie der „Neuen Züricher Zeitung“, ,,dass die Debatte um kriminelle Männer, die sich als Frauen ausgeben, erst durch den Fall Liebich an Fahrt gewonnen hat“. Und sie führt aus: „Laut Kriminalstatistik haben Männer eine höhere Affinität zu Gewalttaten als Frauen, und sie werden auch mehr für Gewaltdelikte verurteilt – egal, wie sie sich subjektiv identifizieren. So habe es sexuelle Übergriffe biologischer Männer auf weibliche Mitgefangene auch in anderen europäischen Ländern gegeben. In Großbritannien etwa wurde vor mehreren Jahren ein Fall von Vergewaltigung publik. Die britische Regierung zog daraus die Konsequenz, biologischen Männern per Gesetz den Zutritt zu Frauengefängnissen zu verwehren. Für Wagner ist das der richtige Weg. „Unabhängig von jeder vorstellbaren selbstgewählten Identität bleibt ein Mann ein Mann“, sagt sie. „Deshalb müssen Männer und Frauen in Gefängnissen immer getrennt untergebracht werden, damit Frauen von männlicher Gewalt geschützt sind.“

Mit freundlicher Genehmigung: Nathan Giwerzew | Neue Züricher Zeitung

 

2 Rückmeldungen

  1. Dorothee Wortelkamp-M'Baye sagt:

    Beim Lesen des Artikels erinnerte ich mich sofort an das Dekret des 47ten Präsidenten der USA namens Donald Trump, dass es nunmehr offiziell nur 2 Geschlechter geben soll, männlich und weiblich. Es wird auch dort vom biologischem Geschlecht gesprochen. Nicht nehme ich hier Stellung zu radikalen Transfrauen ausschließenden Feministinnen. Diesen anzugehören sah sich auch die Initiative: „Lasst Frauen sprechen“ ausgesetzt.

    Dass genau dieses biologische Geschlecht Neugeborenen sofort nach der Geburt aufgrund der primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen zugesprochen wird unter Ausschluss der je individuellen Geschlechtsidentität, die dem Menschen erst später bewusst wird, spiegelt sich auch im o.g. Artikel wieder: Von dritten wird Menschen ihr Geschlecht zugeschrieben, orientiert an der Zuschreibung direkt nach der Geburt. Das neue Selbstbestimmungsgesetz hat u.a. das Ziel, die Geschlechtsidentität durch dritte zu unterbinden, gerne nachzulesen im Gesetz. Aber genau das geschieht in der Sprache dieses Artikels. Dabei ist auch die Intergeschlechtlichkeit, bei der sich durch das Zusammenspiel von Geschlechtschromosomen (XY für männlich, XX für weiblich), Hormonen und der bis zur ca. 6 Schwangerschaftswoche neutralen Keimdrüsen, gleichzeitig beide Geschlechtsmerkmale entwickeln können, auch biologisch (!) und wurde bis vor kurzem noch regelmäßig operativ in die eine oder andere Richtung festgeschrieben, was in Deutschland erst seit 2021 verboten ist. Das WDR-Format quarks.de,Titel:Welches Geschlecht hat unser Kind, schreibt: “ Die Natur kennt keine Norm“.

    Die Genderforschung brachte den Begriff des sozialen Geschlechtes hervor, welches die gesellschaftlichen und kulturellen Zuschreibungen zu einem Geschlecht beschreibt, welches im Artikel im Vorurteil deutlich wird, dass Transfrauen potentiell gewalttätiger wären, vor allem gegenüber cis-Frauen. Die Statistiken bezeugen: Wir brauchen nicht die gesellschaftlich unter extremer Diskriminierung und Gewalt leidenden Transfrauen, als mögliche Gewalttäterinnen hervorzuheben, solange Männer über 80 % aller Gewalttaten verüben, ca. 140 Frauen täglich durch Männer sexualisierte Gewalt erleben und es fast jeden Tag einen Femizid in Deutschland gibt.
    Zurück zum Artikel.

    Unsere Gefängnisse sind als System cis, binär konzipiert. D.h. es wird davon ausgegangen, dass es nur „biologische“ Männer und Frauen gibt, heterosexuell und von der Geschlechtsidentität kohärent zum bei der Geburt zugesprochen Geschlecht. Alle, die nicht in diese heteronormative Einordnung passen, also alle, die sich wiederfinden unter den Abkürzungen: LGBTQI** müssen sich in dieses System einfügen, bzw. sie werden in dieses GefängnisSYSTEM hineingepresst.

    Transfrauen erleben dort Diskriminierungen durch Bedienstete, die sie z.B. mit männlichen Pronomen ansprechen, die bei der Essensausgabe „erst die Frauen versorgen“, bevor „Du Mann Essen bekommst“… mitinhaftierte cis-Frauen beschimpfen, beleidigen, bespucken sie… nichts dergleichen wird i.d.R. dokumentiert oder unterbunden. Es wird einfach weggeschaut und die verletzten Seelen der Transfrauen ignoriert. Wehe diese werden verbal reaktiv aggressiv oder in absoluten Einzelfällen körperlich übergriffig. Es werden sie und nur sie bestraft. Das mangelnde Wissen darüber, ob Transfrauen, die noch keine geschlechtsangleichende Operation im Verlauf der Transition hatten, zeugungsfähig wären, trotz Hormontherapie, führt zu permanenten Unterstellung der geplanten Penetration von Cis-Frauen, einvernehmlich oder gewalttätig. Diese Ängste, verbunden mit der Sorge, dass die evtl. vorhandene körperliche Überlegenheit von Transfrauen andere Frauen gefährden könnte, führt in vielen Gefängnissen VORSORGLICH zu besonderen Sicherungsmaßnahmen: Diese werden gelockert, wenn sich Transfrauen angepasst verhalten und dies ist, wie im Artikel erwähnt, die Mehrheit! Einzelhaft, Einzelfreistunde, Einzelduschen (durchaus von Transfrauen gewünscht), Ausschluss vom Umschluss oder anderen Freizeitaktivitäten, bei denen zeitweise keine ständige und unmittelbare Aufsicht erfolgt, Umschluss nur mit ausgesuchten Inhaftierten, mindestens zu dritt, …bis hin zur Unterbringung in einer Schlichtzelle.

    Aus Frauengefängnissen in NRW sind mir Fälle von Einzelhaft, Einzelfreistunden und Ausschluss von Gemeinschaftsveranstaltungen von über 90 Tagen bekannt. Diese Isolation führt zu massiven psychischen Belastungen bis zur erhöhten Suizidalität (die statistisch erhöhte Suizidalität von Transpersonen ist auch außerhalb von Gefängnissen bezeichnend). Die oft reaktive Aggressivität der betroffenen Transfrauen führt zur Verlängerung oder Verschärfung der besonderen Sicherungsmaßnahmen. Da diese Behandlung von Transfrauen immer öffentlicher wird in der Community, wird sich eine solche hüten, aus Freude an der Möglichkeit der Übergriffigkeit ins Gefängnissystem einzutauchen.

    Ich streite hier nicht ab, dass es die im Artikel erwähnten Übergriffe gibt, auch von Transfrauen. Es sind aber tatsächlich Einzelfälle, gemessen an der gesamten verbalen, physischen und sexualisierten Gewalt in Gefängnissen, auch unter Cis-Frauen und in erheblicher Zahl (worüber es keine gesicherte statistische Erhebung gibt) unter Cis-Männern oder gegen Bedienstete. In welcher Erhebung werden sexuallisierte Übergriffe unterschiedlichster Art in Frauengefängnissen oder Vergewaltigungen von männlich gelesenen (oder schwulen Männern) durch Cis-Männer beziffert? Ich kenne aus seelsorglichen Gesprächen oder aus offiziellen Meldungen viele dieser „Fälle“.
    Aber mein Verdacht ist hier, dass die im Artikel beschriebenen Einzelfälle völlig anders bewertet werden, eben weil es Transfrauen sind. Einzelfälle werden gerne verallgemeinert zur Zementierung von Vorurteilen.

    Haben Menschen, die sich selbst in ihrer Geschlechtsidentität als non-binäre, lesbisch, schwul, asexuell, fluid, inter, trans… identifizieren in unserem GefängnisSYSTEM kein Recht auf Unantastbarkeit der eigenen Persönlichkeit, Geschlechtsidentität und Würde? Denn wir sollten nicht leugnen, dass es fast schon immer LGBTQI** -Personen in Gefängnissen gab und gibt, die all zu oft Opfer von Gewalt waren und sind! Wie in Zukunft mit inhaftierten Menschen, die trans sind oder mit dem Geschlechtseintrag „divers“ umgegangen werden soll und wie sie am besten untergebracht werden können, hat das SYSTEM, also die föderal strukturierte Bundesrepublik zu lösen, aber bitte nicht – wie bisher – unter Leugnung der Tatsache, dass „Geschlecht“ nunmal vielfältig ist.

  2. Manuel sagt:

    Dass ausgerechnet die AfD die Anfrage bezüglich den Erfahrungen von Transsexuellen Menschen in Haft einfordert, ist typisch. Will die Partei damit eine Randgruppe in den Mittelpunkt rücken, die schon genug gebrandmarkt ist? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Menschen ihr Geschlecht wechseln, um im Frauenvollzug untergebracht zu werden. Dies wird in Realität nicht so sein. In den Gefängnissen sind Übergriffe leider möglich. Aber diese sind nicht nur dem Geschlecht und der Geschlechtsidentität zugeordnet. Im Männer- wie im Frauenvollzug gibt es sexuelle und körperliche Übergriffe unterschiedlicher Art. Die Fälle, die im Artikel benannt werden, sind ganz sicher Ausnahmen. Das heißt nicht, dass das neue Selbstbestimmungsrecht abgeschafft werden muss. Auch wechseln Menschen nicht nach Gutdünken ihr Geschlecht, um etwas zu erreichen. Schon gar nicht im Frauenvollzug als „biologischer Mann“ zu landen. Transsexuell lebende Menschen im Strafvollzug sind der Diskriminierung und Beschimpfung ausgesetzt. Daher ist das Gefängnis kein Safer Space. Im Umkehrschluss zu fordern, dass Männer im Männervollzug und Frauen im Frauenvollzug untergebracht werden, verhindert leider keine Übergriffe. Das binäre System des Strafvollzuges muss sich überlegen, wie sie Menschen mit ihrer Identität ernst nimmt und die Sicherheit und Unversehrtheit der Menschen in Haft gewährleisten kann.

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