Beim Zukunftsforum Justiz in Baden-Württemberg geht es um die gesamte Justiz, die Gerichte und den Justizvollzug. Mitte Oktober sind die Ergebnisse des Beteiligungsprozesses im Projekt ZUKUNFTSGERICHTET präsentiert worden. Ziel dieses Prozesses ist es, die Justiz auf die zukünftigen gesellschaftlichen und technischen Herausforderungen vorzubereiten und die Erwartungen der Bevölkerung zu erfassen. Bei der groß angelegten Umfrage im Vorfeld wurden der Justiz vor allem drei Beschreibungen zugeordnet: überfordert, gerecht und kompliziert.
„Mit diesem Beteiligungsprozess haben wir Neuland betreten. In dieser Form und diesem Umfang ist er bundesweit einzigartig“, erklärt die Ministerin für Justiz und für Migration Marion Gentges. „Wir als Justiz wollen uns fordern, zukunftsfähig bleiben und haben uns dabei ganz bewusst auch der Kritik gestellt. Wir haben gefragt und Antworten erhalten: Es ist nun an der Zeit, diesen Prozess abzuschließen und sowohl unseren Beschäftigten als auch der Öffentlichkeit erste Erkenntnisse vorzustellen“, sagt die Ministerin in der Messe Stuttgart im Rahmen des Zukunftsforum Justiz.
Befragung zeigt Herausforderungen
Ein wesentlicher Bestandteil des Beteiligungsprozesses war eine repräsentative Umfrage der INSA-Consulere GmbH unter 1.000 zufällig ausgewählten BürgerInnen aus Baden-Württemberg. Die Umfrage zeigt deutlich: 41 Prozent der Befragten empfinden die Justiz als „überfordert“, während 38 Prozent sie als „gerecht“ wahrnehmen. Die Verfahrensdauer wurde mit 59 Prozent als größtes Problem identifiziert. Ministerin Gentges weiter: „Genau diese offenen Worte wollen wir. Kritik ist der erste Schritt zur Verbesserung. Die Justiz will sich nicht in einem Elfenbeinturm verschließen, sondern die Ärmel hochkrempeln und die Herausforderungen anpacken. Unsere Priorität ist klar: Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern zügig und effizient den Zugang zur Justiz ermöglichen. Dafür werden auch strukturelle und personelle Anpassungen notwendig sein, die wir bereits angestoßen haben und weiterverfolgen werden. So konnten wir in dieser Legislaturperiode bereits rund 950 Neustellen bei den Gerichten, Staatsanwaltschaften und im Justizvollzug schaffen.“ Für die Justiz und den Justizvollzug wurden drei zentrale Handlungsfelder identifiziert: Personal gewinnen und halten, Digitalisierung sowie das Rollenverständnis in der Gesellschaft.
Zukunftsgerichtete Maßnahmen
Eine partnerschaftliche Personalentwicklung, die Wertschätzung und einen angemessenen Umgang mit dem gesellschaftlichen Trend zur Individualisierung sollen in den Fokus gerückt werden. Zu nennen sind dabei die Stichworte Arbeitszeit und Homeoffice. Ein weiteres zentrales Thema der Befragung war die Wahrnehmung der Bürgernähe der Justiz. „Die Hälfte aller Befragten spricht der Justiz die Bürgernähe ab und führt dies überwiegend auf einen Mangel an Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit zurück,“ erklärt Ministerin Gentges. „Das Vertrauen der Bevölkerung setzt voraus, dass die Justiz als kompetente Problemlöserin im Bewusstsein der BürgerInnen verankert ist. Unser Auftrag ist klar: Wir müssen kommunizieren, denn unsere Entscheidungen sind für die BürgerInnen gedacht. Daran müssen wir arbeiten, indem wir Distanz abbauen und Bürgernähe fördern“, fordert die Ministerin. Ist die Justiz beispielsweise bereit für die Sozialen Medien? Eine Justizvollzugsanstalt in Baden-Württemberg hat inzwischen eine Vollzugsbeamtin, die einen Stellenanteil für die sozialen Medien hat. Ziel ist die Personalgewinnung und eine bessere Akzeptanz der Justiz in der Gesellschaft.
Justiz mehr Dienstleister
Die Justiz wird stärker zum Dienstleister. Dies hat mit einer anderen Sichtweise auf das Beamtentum zu tun. Im Obrigkeitsstaat waren Beamte Repräsentanten der Staatsgewalt. In der Demokratie, bei der die Macht vom Volk ausgeht, muss eine Entwicklung zum Dienstleister einsetzen. Das gilt vermutlich stärker für die Gerichte als für den Justizvollzug. Neben der Verbesserung der Kommunikation setzt die Justiz auf die Digitalisierung als Schlüsselelement für eine zukunftsfähige Justiz. Projekte wie die Einführung von Videoverhandlungen und zivilgerichtliche Online-Verfahren stehen exemplarisch für die Fortschritte in diesem Bereich. „Die Digitalisierung eröffnet uns Chancen, die wir nutzen müssen, um mit den Anforderungen der Zukunft Schritt zu halten. Videoverhandlungen, eAkten und Homeoffice – all das macht eine Justiz der Zukunft aus. Doch ebenso wichtig ist es, dass der persönliche Austausch und der Zusammenhalt nicht zu kurz kommen. Diesen Spagat werden wir meistern,“ so Gentges. Zudem kommt die Künstliche Intelligenz (KI). Sie wird die Arbeit von RechtsanwältInnenen und RichterInnen in den nächsten Jahren verändern.
Starkes Zeichen für die Zukunft
Ministerin Gentges fasst zusammen: „Wir haben mit dem Beteiligungsprozess ZUKUNFTSGERICHTET eine starke Grundlage geschaffen, um die Justiz in Baden-Württemberg für die Zukunft aufzustellen. Wir werden die Herausforderungen angehen und die Justiz so gestalten, dass sie nicht nur auf dem neuesten Stand der Technik ist, sondern auch das Vertrauen der Bürgerinnen genießt.“ Die Ergebnisse des Zukunftsforums sollen nun in konkrete Maßnahmen umgewandelt werden, um die Justiz in Baden-Württemberg weiter zu stärken und den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden.