Das Ministerium der Justiz in Nordrhein-Westfalen hat weitere Maßnahmen ergriffen, um die Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus durch Neuaufnahmen in Justizvollzugsanstalten zu verringern und dort notwendige Kapazitäten für den Umgang mit Infektionen zu schaffen. Die Maßnahmen dienen dem Schutz der Gefangenen und aller Justizangehörigen in den Justizvollzugsanstalten.
Der Minister der Justiz in Nordrhein-Westfalen, Peter Biesenbach (CDU), erklärt: „Die aktuelle Gesundheitskrise stellt auch den Justizvollzug in Nordrhein-Westfalen vor ungekannte Herausforderungen. Das Coronavirus kann jederzeit unsere Haftanstalten erreichen. Um das Risiko von Neuinfektionen im Justizvollzug zu senken und die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, gewähren wir für noch nicht angetretene Freiheitsstrafen von bis zu 12 Monaten einen Strafaufschub. Außerdem können unsere Staatsanwaltschaften die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen oder kleineren Freiheitsstrafe bis zu 18 Monaten unterbrechen. Nur so können wir den erforderlichen Platz für die Bildung von Quarantänestationen in unseren Justizvollzugsanstalten schaffen. Diese Maßnahmen sind in der gegenwärtigen Situation verantwortbar und dienen dem Schutz der Gefangenen und aller Bediensteten in den Justizvollzugsanstalten. Mit ihnen werden wir unsere Aufgaben im Justizvollzug in Nordrhein-Westfalen auch während dieser schweren Zeit gerecht.“
Zur Unterstützung des Justizvollzugs im Umgang mit dem Coronavirus werden die Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen daher folgende Maßnahmen treffen: Für sämtliche Gefangene, die zurzeit unter Vollstreckungsleitung einer nordrhein-westfälischen Staatsanwaltschaft eine Ersatzfreiheitsstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu 18 Monaten verbüßen, wird der Vollzug unterbrochen, wenn ihre Entlassung in der Zeit vom 20. März 2020 bis zum 31. Juli .2020 ansteht. Eine Unterbrechung kommt jedoch nicht in Betracht, wenn…
- eine Freiheitsstrafe wegen einer der im 13. Abschnitt des Strafgesetzbuchs aufgeführten Straftaten verhängt wurde (Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung),
- gegen den Gefangenen oder die Gefangene während der laufenden Inhaftierung nach dem 1. Januar 2020 Arrest als Disziplinarmaßnahme verhängt worden ist,
- der/die Gefangene entwichen oder vom Urlaub, Ausgang, Freigang oder von einer Strafunterbrechung nicht oder schuldhaft mit erheblicher Verspätung zurückgekehrt ist,
- dem/der Gefangenen zur Last gelegt wird, während des Vollzuges oder einer Strafunterbrechung eine Straftat begangen zu haben,
- die Wohnung, die gesundheitliche Versorgung oder der Lebensunterhalt der/des Gefangenen nicht gesichert ist,
- der/die Gefangene sich in einer therapeutischen Behandlung befindet, oder
- ausländerrechtliche Maßnahmen geplant sind.
Außerdem sind die Staatsanwaltschaften gebeten worden, die Ladung zum Haftantritt für noch nicht angetretene Freiheitsstrafen von bis zu 12 Monaten vorerst zu verschieben. Dies gilt jedoch nicht für Freiheitsstrafen, die wegen einer der im 13. Abschnitt des Strafgesetzbuchs aufgeführten Straftaten verhängt wurden (Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung). Das Ministerium der Justiz hat zu dieser Verfahrensweise gemäß § 46a Strafvollstreckungsordnung die generelle Zustimmung erteilt. Rechtsgrundlage für den Strafaufschub und die Strafaussetzung ist § 455a der Strafprozessordnung. Bereits mit Erlass vom 17. März 2020 hat das Ministerium der Justiz die Staatsanwaltschaften gebeten, alle Ladungen von Personen, gegen die eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt werden soll oder gegen die Jugendarrest verhängt worden ist, bis auf weiteres auszusetzen (Neuaufnahmen). Ausgenommen davon ist der sogenannte Warnarrest, dessen Vollstreckung an zeitliche Fristen gebunden ist.
Quelle: Land NRW | R. Sondermann