parallax background

Würdenträger sind zu Täter und Mittäter geworden

19. April 2023

Die Ergebnisse der unabhängigen Untersuchung zum sexuellen Missbrauch im Erzbistum Freiburg im Breisgau kommen nicht überraschend. Schon lange ist bekannt, dass Verantwortliche die Fälle über Jahre zu vertuschen suchten. Das ist leider im System Kirche recht einfach, das sich wie ein schweigender Schutz-Schleier um die Täter legt. Aber in der heutigen aufmerksam gewordenen Zeit fallen die Würdenträger nach und nach vom Sockel.

Vor allem handelt es sich um Kleriker und einige Ordensleute, deren Vergehen weder strafrechtlich angezeigt noch kirchenrechtlich verfolgt wurden. Wie kann es dazu kommen? Ich male mir aus, wie die Bischöfe und die Personalzuständigen vermeintlich seelsorgerliche Milde walten lassen und die massiven Vorfälle ihrer Brüder im Geiste herunterspielen bzw. übersehen. Hauptsache, die Katholische Kirche nimmt keinen Schaden. Nachdem immer wieder skandalöse Vorfälle dieser Art aufgedeckt werden, fragt man sich, welche Hochwürden im Land und in Rom denn noch involviert sind und Missbrauchstaten decken. Ich denke an die Täter, die im Jugendgefängnis aufgrund verschiedener Sexualdelikte einsitzen. Manche von ihnen verdrängen ihre Taten und wollen nicht verstehen, weshalb sie verurteilt sind.

Verdunkeln von Straftaten

Säße einer der Täter der Katholischen Kirche auf einer Sozialtherapeutischen Abteilung eines Gefängnisses, um sich seinen Straftaten zu stellen, so würden bestimmt die selben Mechanismen greifen, wie die „Vertuscher“ sie angewandt haben. Sie sind dadurch selbst zu Mittätern geworden. Nach wie vor gilt das Beichtgeheimnis, wenn jemand seelsorgerlich einem Seelsorger/einer Seelsorgerin etwas anvertraut. In diesem Fall geht aber um das aktive Verblenden und das Verdunkeln von Straftaten, die Priester und Ordensleute verüben und die Leitung unternimmt nichts. Sie lässt die Brüder gewähren. Wenn es aber um das Vergehen gegenüber den Zölibat geht, dann werden alle Mittel der Sanktionierung genutzt? Es ist keineswegs so, dass Zölibats-Verstöße nicht sanktioniert werden, aber ebenso schweigsam und schubladenmäßig behandelt werden, wie alles andere.

Zu viel Scheinheilig- und Zweideutigkeit bleibt leider bestehen. Die Verantwortungsträger, die aktuell der Öffentlichkeit bekannt sind, versuchen zu bekunden, dass jetzt alles „rechtmäßig“ ver- und behandelt wird. Das sehe ich noch lange nicht so. Mag sein, dass unter dem Blick und der Sensibilität heutiger Öffentlichkeit jetzt anders vorgegangen wird, aber die Machtstrukturen, die den sexuellen und geistigen Missbrauch begünstigen, werden nicht angetastet. Im Überbau der Frohen Botschaft und die in „Stein gehauenen“ Traditionen der Kirche wird es keine wesentlichen Veränderungen geben. Vielleicht erst, wenn kaum jemand mehr der Katholischen Kirche angehören will oder man nichts mehr vertuschen kann. Zumindest in den letzten Jahren wurde unter öffentlichem Druck hin beteuert, angepasst und scheibchenweise zugegeben.

Mehrheit verabschiedet sich

Mir kommen die Straftäter im Gefängnis in den Sinn. Das Verhalten des „Nicht-wahr-haben-wollens“ begegnet mir jeden Tag. Manches Mal könnte ich verzweifeln und werde wütend ob der Taten, die oft und gerne heruntergespielt werden. Es geht um eine klare Aufarbeitung, um Wiedergutmachung in irgendeiner Weise und um die Selbstreflektion, die neben den Tätern auch das System in Frage stellt. Das System Katholische Kirche hat in der Kirchengeschichte so manche dunkle Verstrickungen an den Tag gelegt. Wenn interessiert das alles noch? Eine Konsequenz ist, aus der Kirche auszutreten, sich zu distanzieren von Klerikalismus und undemokratischen Strukturen. Eine große Anzahl der KatholikInnen* hat sich bereits verabschiedet. Ein Kollege aus dem nordrhein-westfälischen Hamm gibt in einem seiner kirchenkritischen Büchern zu bedenken: Vielleicht muss ich das System Kirche verlassen, um jesuanisch zu bleiben?

Michael King

1 Kommentar

Klaus Scheuning | Bistum Speyer

Ölbilder werden abgehängt.
Aus Bischofsgalerien entfernt.
Eingelagert in Archiven.
Unter Verschluss gehalten.
Die kahlen Wände der Residenzen
werden weiß nachgestrichen.

Bischofsgrüfte sind geschlossen.
Höchstens nur
zu bestimmten Zeiten
sind sie noch zugänglich.
Hinweisschilder werden angebracht.
Vorsicht evtl. Täter.

Vergangenheit soll
gelöscht werden.
Vernichtet.
Ausgeblendet.
Das geht nicht.

Ansonsten Schweigen.
Beteuern.
Wir doch nicht mehr.
Es waren die Andern.
Vor uns.
Erschüttert wir.
Seht doch.

Und dann noch Heute:
Sich hinter unsägliche Aussagen
eines Professors stellen.
Der dazu rät.
Notfalls zu vernichten.
Weil sich der strafbar macht,
der Beweise besitzt.
Durch die Hölle ging.
Unfassbar.

In Auftrag gegeben
werden Studien.
In den Bistümern.
Im Takt.
Auf Jahre hin.

Die Ansätze der Wissenschaft.
Vielfältig.
Mal so. Mal so.
Wettbewerb um Deutung.
Wir machens besser.
Wir waren die Ersten.
Wettstreit der 27.

Eine große Studie will niemand.
Die Fürstbistümer gehen
je eigene Wege.
Wie es gefällt.
Cujus regio. Ejus religio.

Und:
Kulturwandel
ohne systemische Veränderung.
Das geht nicht.
Denn ohne systemische Veränderung
kann es keinen Kulturwandel geben.

Die MHG Studie
hat die Veränderung
benannt.
Im System.
Nicht in der Kleinstaaterei der Fürstbistümer.
Kein Stein bleibt mehr
auf dem andern.

Nur so.

Feedback 💬

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert