An der großen Plakatwand vor Kaufland hängen normalerweise Sonderangebote der Einzelhandelskette. Menschen gehen vorbei und beachten diese mehr oder weniger. Die aktuelle Plakatierung ist ungewöhnlich. Besonders das Wort “Gefängnis” sticht ins Auge. Die Werbung, sich auf einen Job oder für eine Ausbildung bei der Justiz zu bewerben, um auf dem “schnellsten Weg ins Gefängnis zu kommen”, ist doppeldeutig.
Denn wer bitte schön, will so schnell wie möglich in den Knast kommen? Es soll eine Werbung sein nicht nur für die entstehende Justizvollzugsanstalt in Rottweil, wo offensichtlich Personal gesucht wird. Die Justizministerien der Länder versuchen händeringend für den Allgemeinen Vollzugsdienst (AVD) Leute zu bekommen. Es werden Werbeagenturen mit dieser Aufgabe betraut. Einfallsreiche Resultate: “Langweilig ist nur meine Uniform” oder “Sitzen muss nur mein Fachwissen”. So titelt die JVA Attendorn im nordrhein-westfälischen Sauerland. “Kriminalität den Riegel vorschieben. Dein Job” ist ein anderer Werbeslogan einer Kampagne in Baden-Württemberg. Sachsen wirbt mit der Frage “Job mit J? Justizvollzugsbeamte.” Das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) sucht BewerberInnen* für alle Berufsgruppen, auch die der Gefängnisseelsorge. Zumindest steht dies im landeseigenen Karriereportal von NRW.
Fachkräfte gesucht
Dort heißt es: “Sie möchten dazu beitragen, dass Gefangene auch nach der Inhaftierung in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten führen? Als Beamtin oder Beamter im Allgemeinen Vollzugsdienst sind Sie in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Fachdiensten wie beispielsweise dem Psychologischen Dienst, dem Sozialdienst, dem Pädagogischen Dienst oder dem Seelsorglichen Dienst daran beteiligt, dieses Ziel zu erreichen.” Die Transporter-Omnibusse und die Gefangenentransportwagen (GTW) werden mit Aufklebern versehen, die neben der Aufschrift “JUSTIZ” besonders auffallen. Die BewerberInnen-Zahlen für den Vollzug sind rückläufig. Eignungen im Bereich des Sports oder der schriftlichen Prüfung im Fach Deutsch, lassen den Kreis der BewerberInnen* besonders für den AVD schrumpfen. Dies ist nicht nur ein Problem im Justizvollzug. Der Fachkräftemangel auch im Handwerk ist in aller Munde.
Anspruchsvoller Job
“Gefangenen eine zweite Chance geben?” – dieser Slogan umreißt das anspruchsvolle Aufgabengebiet. Die Aussage ist auf der Fenster-Rückseite des Transporter-Omnibusses einer nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalt zu lesen. Ein Justizvollzugs-Bediensteter muss in seiner Ausbildung nicht allein sicherheitsrelevante Grundkenntnisse erwerben, sondern auf die Inhaftierten in pädagogischer und menschlicher Weise zugehen können. Das Fragezeichen im Satz relativiere die Herausforderung “im Dienst der Gerechtigkeit”, so sagen manche. Als Bedienstete/r in Uniform übt man hoheitliche Aufgaben der strafenden Instanz aus. Doch das Justizvollzugsziel heißt Resozialisierung, nicht das Wegschließen steht im Vordergrund. Die Justizvollzugsgesetze der Länder stellen dies, neben dem Schutz der Allgemeinheit, an erster Stelle. “Der schnellste Weg in den Knast zu kommen ist eine Ausbildung.” Ob sich damit BewerberInnen finden lassen? In NRW kann man ab 20 Jahren bereits die zweijährige Justizvollzugs-Ausbildung im dualen System beginnen. Doch besser ist es, eine Berufserfahrung in einem bereits ausgeübten Beruf mitzubringen. Die Verbeamtung auf Lebenszeit verheißt einen sicheren Job. Der Slogan in Hamburg “Komm in unser Team” fordert Menschen direkt auf, in den Justizvollzug zu kommen.
Michael King