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Wenn der nicht geworfene Stein vom Herzen fallen kann

4. April 2025

„Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein auf sie“, sagt Jesus den Schriftgelehrten und Pharisäern, die soeben eine Frau in die Mitte der Menge zerren, die, wie sie behaupten, auf frischer Tat des Ehebruchs ertappt wurde. Zum einen entlarvt dieses berühmt gewordene Jesuswort die als Heuchler, die mit dem Finger auf andere zeigend diese als sündig verurteilen. Zum anderen schafft es eine Unterbrechung solch unheilvollen Verurteilens, das menschlich doch so nahe liegt.

Wie oft werfen wir Steine auf andere, ohne zunächst zu uns selbst zu schauen? Wie schnell sind wir dabei mit dem Verurteilen, ohne um die genauen Umstände zu wissen? Wie viele Schriftgelehrte und Pharisäer hocken in uns selbst wie innere Moralapostel, stets bereit, die Sündenlast anderer aufzudecken? Wie viele Steine brauchen wir in einer Woche oder allein an einem Tag dafür? Vielleicht sind es manchmal nur kleine Steine, aber kleine Steine sind auch Steine und verletzen ebenso.

Steine gegen uns selbst

Dabei ist jeder Stein, den wir verurteilend werfen, auch gegen uns selbst geworfen. Im Lauf der eigenen Lebensgeschichte beschämt worden, versuchen wir uns zu schützen, indem wir Steine gegen andere werfen, als wenn so eine Schutzmauer um uns selbst entstehen könne, die uns endlich ermöglicht, draußen zu halten, was uns an uns selbst nicht passt. Das Tragische ist: es gelingt nicht. Wir entfremden uns immer mehr von uns selbst und den anderen, wir trauen uns nicht mehr und Angst begleitet die scheinbare Macht, die wir zu haben meinen, wo immer wir Steine werfen.

Gewahr werden des eigenen Staubes

Mit einer seltsamen Aktion unterbricht Jesus das Verurteilen. Zweimal, so heißt es im Evangelium, beugt er sich nieder bis auf die Erde und schreibt irgendwas mit dem Finger in den Staub. Eine stille Bewegung hinunter zur Erde, aus der der Mensch geformt ist, wie es im biblischen Schöpfungsbericht heißt. Jesus berührt die Verwundung des Menschen, die Bedingtheit, Vergänglichkeit und das Scheitern. „Gedenke Mensch, dass du Staub bist, und zum Staub zurückkehrst“, die Worte des Aschermittwochs mögen klingen in diesem stillen Angerührt Sein. Erst das Gewahr werden des eigenen Staub Seins beendet das Steinewerfen. Jesu Bewegung mit dem Finger im Staub erinnert an die Begegnung mit dem Aussätzigen, den er anrührt mit den Worten „werde heil!“. Dem verschämt Verborgenen, tief innen drin als unrein Zugedeckten, allem, was nicht sein darf, wird Ansehen geschenkt. Da fällt der nicht geworfene Stein vom Herzen.

Unterbrechen aus dem Gewohnten

Jetzt ist es nicht mehr nötig, Mauern zu errichten im Gegeneinander. Steine, die vom Herzen fallen, können nicht verletzen, sie lösen sich auf im Staub der Mutter Erde, aus der wir alle geformt sind, bevor Gott uns lebendigen Atmen eingab. Sich so tief herablassen bedeutet, dass sich nun keine und keiner mehr über andere erheben muss, alle sind bereits sowohl Staub wie göttlich durchatmet. Es ist, als würde der Staub der vom Herzen gefallenen Steine den gemeinsamen Grund des Menschseins vergolden. Jesus zeigt, dass es möglich ist. Was es braucht, ist das bewusste Unterbrechen des aus Gewohnheit immer wieder beginnenden Steinewerfens. Es lohnt sich!

Christoph Kunz | Joh 8, 1–11

 

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