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Wenn Dein Bruder gegen Dich sündigt… ist das menschlich

9. September 2023

Im Matthäusevangelium beginnt eine Rede Jesu mit ganz praktischen Hinweisen zu Schuld und Vergebung; mit dem Bruder sind alle Geschwister gemeint. Dabei machen die ersten Worte schon deutlich, was „Sünde“ für die ersten christlichen Gemeinden in der Nachfolge Jesu bedeutete, und wie damit umzugehen wäre: offen, ehrlich und überraschend unspektakulär.

„Wenn Dein Bruder gegen Dich sündigt“ – es geht um etwas sehr nah Verwandtes: sündigen ist menschlich! Kein Grund, versteckt in dunklen Schränken kniend durch ein Gitter zu flüstern. Sünde gehört gewürdigt von Angesicht zu Angesicht, und wir dürfen dazu stehen. Ja, es kann sein, dass die die Sünde begleitende Scham einen Menschen innerlich in die Knie gehen lässt, dass sie ihn sich selbst kleinmachen oder gar lähmen lässt, doch in dieser Versöhnungsanleitung wird dazu ermutigt, aus dem Sich-selbst-verurteilen heraus sich aufzurichten und aufzumachen. Außer durch sich selbst erlebt ein sündiger Mensch aber auch Verurteilung durch andere.

Hart verurteilt

Erstaunlich unbarmherzig und unchristlich geschehen so manche Auseinandersetzungen ausgerechnet unter Christen und der Kirche. Manchmal scheint es, als ginge es in kirchlichen Kreisen mehr um die Pflege eigener Feindbilder als um das Bemühen um Versöhnung. Da wird hart und pauschal geurteilt, ohne zu bemerken, dass die Eigenschaften, gegen die gekämpft werden, der Missbrauch von Macht, das Verurteilen, das Trennen in rein und unrein, gerade von einem selbst übernommen werden.

Würdigung der „Sünde“

„Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein“ – ein klares und zugleich entlarvendes Wort Jesu. Die Würdigung der Sünde als menschliche Wirklichkeit braucht auch keine Vertuschung mehr, also den noch mehr Leid schaffenden Versuch, sich darin als Opfer zu tarnen oder sonst wie Sünde und das dadurch entstehende Leid klein- oder wegzureden. Der sündige Mensch wird im Evangelium als Bruder, als ein Geschwister angesehen: nicht das Abkanzeln des anderen als einen zu bekämpfenden Feind ist hilfreich, sondern das Wissen um die Verbundenheit. Eine menschliche Verbundenheit, die zu Mitgefühl und Barmherzigkeit anstiftet. Das ist nicht so einfach – vielleicht, weil die Sünde des anderen mich immer auch an die eigene Sündhaftigkeit erinnert. Dabei ist gerade die Verbundenheit in dieser menschlichen Wirklichkeit von Gebrochensein ein tragfähiges Miteinander im Erlernen und Erkunden neuer Wege.

Geh, und handle…

„Wenn ein Mensch gegen dich sündigt, dann geh“ und handle – es folgen verschiedene Anweisungen für mögliche Schritte zur Versöhnung. Überraschend hier die Zumutung, dass ausgerechnet die durch die Sünde geschädigte Person initiativ werden soll. Statt von der Sünderin, dem Sünder erstmal Buße zu fordern als Erweis der Reue, soll ich mich aufmachen und ihr oder ihm entgegengehen. Wie in jenem wunderbaren Gleichnis Jesu der Vater dem verlorenen gegangenen Sohn entgegenläuft und ihn umarmt. Das herzliche Annehmen des sündigen Menschen ermöglicht schließlich ein großes Fest der Verbundenheit. Deshalb suchte Jesus besonders die Begegnung mit Sündern – denn bei denen, die tun, als wären sie keine, gibt es nichts zu feiern. Zuletzt wird die Möglichkeit gesehen, dass ein Mensch sich der versöhnenden Verbundenheit völlig verweigert. Eine Möglichkeit, die der menschlichen Freiheit geschuldet ist. Wie wäre es, in diesem Fall nicht der eigenen Verurteilungslust nachzugeben, sondern ihn Gottes letztlich unberechenbarer Barmherzigkeit zu überlassen?

Christoph Kunz | Matthäus 18, 15-20

 

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