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Fußwaschung „to go“, in „Pop-up Church“ und im Knast

28. März 2024

In der Antike war eine Fußwaschung so selbstverständlich wie heute Duschen oder Zähneputzen. Das kirchliche Ritual an Gründonnerstag erinnert daran, wie Jesus am Abend vor seiner Kreuzigung den Jüngern die Füße gewaschen hat. Heute wird es auch ökumenisch an ungewöhnlichen Orten praktiziert. Am Abend vor seinem Tod am Kreuz steht Jesus vom letzten Abendmahl mit seinen Jüngern auf, gießt Wasser in ein Becken und beginnt, ihnen die Füße zu waschen. So steht es im Johannesevangelium.

Zum Beispiel in Karlsruhe. Zwölf Stühle, zwölf Schüsseln mit warmem Wasser, Seife und Handtuch: Mitten auf dem Marktplatz wollen der evangelische Dekan Thomas Schalla und sein katholischer Kollege Hubert Streckert Passanten die Füße waschen. Und sind gespannt, wie das biblische Ritual ankommt: ob Menschen darin eine Wertschätzung erkennen oder es als unangenehm und peinlich ablehnen. Positive Erfahrungen mit einer Fußwaschung nach biblischem Vorbild haben evangelische Pastoren im vergangenen Jahr auf der Hamburger Reeperbahn gemacht: Das Angebot der Hamburger „Pop-up Church“ wurde von Partygängern und Passanten so gut angenommen, dass die frischen Handtücher ausgingen.

Rituelle Fußwaschung vor dem muslimischen Gebet. Foto: Adobe Stock

Füße von Häftlingen waschen

In der Antike gehörten Fußwaschungen ganz selbstverständlich zur Körperhygiene, weil die Menschen mit Sandalen über staubige Straßen liefen, erklärt die Freiburger Theologin Anni Hentschel: „Es war ein alltägliches Ritual, wie heute das Duschen oder Zähneputzen.“ Bekannt sind rituelle Fußwaschungen vor allem aus der katholischen Kirche. Der Papst und Seelsorgerinnen der Ortskirche waschen traditionell an Gründonnerstag Menschen die Füße. Für Aufsehen sorgte Papst Franziskus im Jahr 2013, als er erstmals nicht nur Priestern in einer Kirche, sondern Häftlingen in einem Gefängnis die Füße wusch. Unter ihnen waren auch eine katholische Italienerin und eine muslimische Serbin, also zwei Frauen – ein weiterer Bruch mit der Tradition. Offiziell ist die Teilnahme von Frauen an der Fußwaschung in der katholischen Kirche erst seit 2016 erlaubt. Der Papst war zur Fußwaschung im Rebibbia Frauengefängnis in Rom und erklärt, das sei Jesu Botschaft: „Ihr müsst euch gegenseitig dienen. Einer dient dem anderen, ohne Interesse.“

Ehre des Gastgebers

Außerhalb der Kirchen gibt es Fußwaschungen allenfalls im medizinischen Bereich. „Wir können mit der Fußwaschung in unserem kulturellen Kontext nichts anfangen“, sagt Anni Hentschel, Professorin für Neues Testament und Diakoniewissenschaft an der Evangelischen Hochschule Freiburg: „Dass mit der Fußwaschung eine Ehre verbunden sein könnte oder sogar ein gewisser Verwöhnfaktor, ist uns in der Regel völlig fremd.“ In der Zeit Jesu hatten Häuser als Zeichen der Gastfreundschaft ein Fußwaschbecken, in dem sich die Gäste ihre Füße selbst säubern konnten. Gelegentlich wurde diese Aufgaben auch von Sklaven übernommen oder – als besondere Ehre – vom Gastgeber. Wenn Kinder ihren Eltern, Gastgeber ihren Gästen oder Geliebte ihrem Partner die Füße wuschen, sei das als angenehm, wertschätzend verstanden worden. „Es war ein Liebeserweis, verbunden mit einer zärtlichen Berührung“, erklärt Hentschel. Vergleichbar sei dies heute etwa mit dem Schenken eines schönen Blumenstraußes. Im kultischen Bereich spielte die rituelle Waschung einst eine wichtige Rolle, etwa vor dem Betreten des Heiligtums oder Tempels. Das Besondere an der biblischen Erzählung von der Fußwaschung im 13. Kapitel des Johannes-Evangeliums sei es, dass Jesus seinen Jüngern die Füße gewaschen habe und nicht umgekehrt. Die Bedeutung des Rituals zeige sich daran, dass es nicht vor dem Essen zur Reinigung stattfand, sondern während der gemeinsamen Mahlzeit. Es sei ein Zeichen der Wertschätzung, erklärt Hentschel, die zum Thema „Die Fußwaschungserzählung im Johannes-Evangelium“ habilitiert hat.

Fußwaschung „to go“

In Fulda stellen evangelische und katholische SeelsorgerInnen zwölf Stühle in den Fußgängerbereich. Ehrenamtliche HelferInnen sprechen Passanten an und fragen, ob sie bereit wären, dieses Zeichen an sich vollziehen zu lassen. „Ich kann aus meiner Erfahrung aus der liturgischen Fußwaschung sagen, spätestens nach dem dritten oder vierten Bücken, geht die Fußwaschung in die Knie und den Rücken“, sagt Stephan Buß von der katholischen Stadtkirchengemeinde in Fulda. „Es ist nicht nur für denjenigen, der wäscht, ein besonderes Erlebnis, sondern auch für diejenigen, die die Füße gewaschen bekommen. Auch sich die Schuhe und Strümpfe ausziehen zu lassen und die Füße hinzugeben kostet Überwindung. Das macht einem deutlich, was dieses Zeichen damals bedeutet hat“, erzählen die Fuldaer SeelsorgerInnen zur Fußwaschung „to go“.

Christine Süß-Demuth, epd | Titelfoto: Imago

 

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