An Weihnachten darf der Christbaum nicht fehlen. Bereits zum ersten Advent stehen Christbäume auf den Marktplätzen und in den Schaufenstern. Der Weihnachtsbaum in der Knastkirche steht erst seit ein paar Tagen schmucklos herum. Ein Gefangener bot sich an, den Baum zu schmücken. Doch es soll so sein: Die Tanne steht wie sie ist, etwas schräg und einige Nadeln fallen schon ab. Kein Grund zur Sorge, der Baum rückt im Weihnachtsgottesdienst in den Mittelpunkt.
In meiner Kindheit wurde der Weihnachtsbaum erst an Heilig Abend in das Wohnzimmer geholt. Das Wichtigste als erstes: Auf der Spitze muss der große Stern sein. Dann die Kerzen, die damals noch aus Wachs waren. Kugeln und Strohsterne zieren den Christbaum. Die ersten Weihnachtsbäume wurden mit Äpfeln geschmückt, als Erinnerung an die Tradition des Paradiesbaumes. Sie wurden durch Christbaumkugeln aus Glas abgelöst.
“Der Baum ist ja so kahl, den muss man schmücken, damit es schöner wird”, sagt ein Inhaftierter und nimmt eine rote Kugel vom Altar. Die anderen tun es im nach. Der Baum wird bevölkert von den Gottesdienstteilnehmern. Die ein oder andere Kugel geht dabei zu Bruch. Mit Bruchstücken müssen wir leben. Zerbrochenes gibt es genug, davon können alle ein Lied davon singen. Die Geburt Jesus ereignete sich nicht paradiesisch. Irgendwo hat es sich bei Bethlehem in einem Stall ereignet, weitab der Weltöffentlichkeit. Die Hirten kamen, wie sie waren, in Dreck und Speck.
Es bleibt die Sehnsucht nach “Alles gut”, nach wohligem und gelingendem Leben. Die Botschaft der Weihnachtsgeschichte kommt an: Auch wenn nicht alles gut ist, jeder ist wichtig und wertvoll. Es gibt neue Chancen, hoffnungsvolle Geschichten und konkrete Menschen, die dies umzusetzen versuchen. Beim Segen lachen einige Gefangene, als davon gesprochen wird, dass “Gott uns Füße gegeben hat, um aufeinander zuzugehen und nicht um Fußtritte zu geben.” Lachen aus Unsicherheit oder aus dem Grund, sich selbst zu erkennen? Mitnehmen konnten die Inhaftierten eine Glaskerze: Eine runde Sache und echtes Kerzenlicht. Im Gefängnis ist dies keine Selbstverständlichkeit. Dann kann ja Weihnachten werden, in jedem von uns.
Michael King | JVA Herford