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Weg des Jakobus Schneider vom Pfarrhaus ins KZ Dachau

27. Januar 2023

Auf glühendem Rost: Zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar.

Seine geräumige Wohnung im Laufelder Pfarrhaus in der Vulkaneifel gegen eine winzige, weiß getünchte Zelle im Gefängnis Trier tauschen zu müssen, ist ein Schock für Jakobus Schneider. Nach dem Verhör bei der Gestapo in Wittlich im März 1944 geht es schnell. Pfarrer Jakobus Schneider (1907-1991) wird zur Staatspolizeistelle Trier vorgeladen. Man hält ihm seine Karteikarte vor.

Pfarrer Schneider, im Gefängnis Trier gezeichnet von Abbé Daligault. Schneider wird Dachau überleben, Daligault nicht. Foto: Aus den Aufzeichnungen von Pastor Schneider, laufeld.de

In den dreißiger Jahren hatte er als Kaplan gegen eine Verleumdung seines Jungmännervereines protestiert, von der Kanzel aus. Jetzt steht seine aktuelle Neujahrspredigt im Fokus. Schneider bezieht sich auf die Stalin-Verehrung der Russen. Mindestens mit derselben Treue sollen doch die Christen zu Christus stehen. Warum er nicht statt Stalin den Führer genannt habe, fragt man. Und droht: „Die Köpfe sitzen locker.“ Und fackelt nicht lange: „Marsch, ins Loch!“ Mit dem Loch ist die Windstraße 8 gemeint, das Gefängnis am Dom.

Schneider zerbricht nicht. Das Brevier darf er behalten, noch. Das Psalmengebet wird ihm von einer Pflichtübung zur Geistesnahrung. Die 20 Minuten Hofgang am Morgen sind ein Lichtblick, noch mehr die Sonntagsmesse und die Gespräche mit dem Gefängnisseelsorger. Der schmuggelt gelegentlich Schinkenbrote von Schneiders Schwester Helene in die Zelle. Weitere „Schwarzröcke“ trifft er am Schicksalsort, z.B. den französischen Résistance-Priester Jean Daligault, Maler. Er zeichnet auch ein Portrait von Jakobus Schneider (s. Foto). In elendem Zustand überlebt der Künstler die Haftzeit in Trier und Hinzert, stirbt an seinem ersten Tag im KZ Dachau.

Bestimmung: KZ Dachau

Auch Schneider ist für Dachau bestimmt. Mitte Juli 1944 wird ihm der rote Schutzhaftbefehl zugestellt. Bestand und Sicherheit des Volkes habe er gefährdet, in offener und versteckter Form gegen den Staat gehetzt und das Vertrauen der Bevölkerung zur Staatsführung untergraben. Erste Station ist ein Kölner Sammellager. Dort freundet er sich mit dem Aachener Pfarrer Josef Olbertz an, der verbotswidrig einem belgischen Kriegsgefangenen Brot gegeben hatte. Am Vorabend des Festes des heiligen Diakons Laurentius kommen beide in Dachau an. Ist es ein böses Omen? Wird ihnen in Dachau wie dem Laurentius in Rom ein „glühender Rost“ geschmiedet?

Laurentius habe noch Scherze gemacht. Zum Scherzen ist es Jakob Schneider an dem Abend des 9. Augusts nicht zumute. Aus gutem Grund. Von den 30 Trierer Diözesanpriestern und Ordensmännern, die in Dachau eingeliefert werden, sterben 23. Für die christlichen Laien stehen in Schneiders Aufzeichnungen ein Katholik aus seiner Kaplansgemeinde und ein Kommunist aus dem Kreis Daun. Unmittelbar nach Befreiung aus Dachau schreibt Schneider seine Erlebnisse auf. Auf den Homepages der profanen Gemeinde Laufeld und der Pfarreiengemeinschaft Oberthal-Namborn ist alles nachzulesen.

Zurück am Altar in Laufeld

Laut Schneiders Quellen kommen im Lager und kurz nach der Befreiung 29.438 Häftlinge ums Leben. Morgendlich werden im „Moorexpress“ die Toten der Nacht von Mithäftlingen mit einem Handkarren zum Verbrennungsofen gebracht. Das Leben hängt an seidenem Faden. Eine schwere Erkältung kann den Tod bedeuten, Läuse können Fleckfieber verursachen. In medizinischen Versuchen werden Gesunde mit Malaria angesteckt. Die Angst vor Liquidierung wächst gegen Kriegsende an. Auch Highlights gibt es in Schneiders Haft, die Uraufführung der Dachauer Messe in der Kapelle des Priesterblocks, das Weihnachtsingen der Nationen, Priesterweihe und Primiz des seligen Karl Leisner (+1945).

Als die Hoffnung auf Befreiung unter den KZ-Priestern wächst (Schneider wird am 10. April entlassen), wird offen die Frage besprochen: Die Pfarrei wechseln oder als Pfarrer zurück in die eigene Pfarrei gehen, in der es oft genug Denunziation und Anfeindungen gab? Für Schneider ist die Sache glasklar. Er will wieder nach Laufeld. Die Predigt zu seiner Rückkehr schreibt er schon in Dachau. Nach einigen Monaten der Erholung im Elternhaus kehrt er im Oktober 1945 zurück auf die Kanzel, an den Altar in Laufeld. Er komme nicht als Richter, um Altes aufzuwärmen. Er komme als Priester. Mit dem Propheten Samuel, bangen Herzens von seinen Hörern erwartet (1Sam 16,4f), stimmt er überein: „Mein Kommen ist friedlich.“

Alfons Zimmer

 

1 Rückmeldung

  1. Bischofskonferenz sagt:

    Eigene Schuld bekennen, Homophobie bekämpfen

    Am 27. Januar 2023, dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz, wird bundesweit der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus begangen. Die NS-Terrorherrschaft zielte auf die Ermordung der europäischen Juden, auch gegen die Sinti und Roma wurde ein Vernichtungskrieg geführt. Darüber hinaus wurden politische Gegner und nicht zuletzt auch Homosexuelle systematisch verfolgt. Diese Opfergruppe steht in diesem Jahr im Mittelpunkt des Gedenkens im Deutschen Bundestag. Dabei wird zur Sprache gebracht, dass es auch in den ersten Jahrzehnten nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland eine fortdauernde Diskriminierung und Verfolgung von Homosexuellen aufgrund des von den Nationalsozialisten verschärften § 175 StGB gab.

    Queere Opfer

    In diesem Jahr legt auch die Deutsche Bischofskonferenz den Fokus des Gedenkens auf die queeren Opfer des Nationalsozialismus, also homo- und bisexuelle Menschen sowie trans- und intergeschlechtliche Personen. Der von der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz Beauftragte für die LGBTQ*-Pastoral, Weihbischof Ludger Schepers (Essen), erklärt dazu: „Dieser Tag ist Anlass für die katholische Kirche, sich zu ihrer eigenen Geschichte der Unterstützung homophoben Verhaltens während des Nationalsozialismus und auch danach zu bekennen.“ Die eigene Einstellung habe mit dazu beigetragen, dass homosexuelle und andere Menschen mit queerer Identität gedemütigt, verraten und ermordet wurden“, so Weihbischof Schepers. In der Nazi-Zeit habe es zu wenig Widerstand auch unter den Bischöfen gegeben, was es den Nazis erleichtert habe, brutal gegen queere Menschen vorzugehen.

    Kirche hat Lerngeschichte durchlebt

    Die Kirche hat in den zurückliegenden Jahren eine Lerngeschichte durchlebt. Zuletzt hat der Synodale Weg die Notwendigkeit unterstrichen, anzuerkennen, dass Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität uneingeschränkt Gottes Schöpfung sind.“ Weihbischof Schepers betont aber auch, dass die lange Geschichte der Homophobie innerhalb der Kirche weder aufgearbeitet, noch überwunden sei. Auch deshalb erlebten viele queere Menschen bis heute noch Verletzungen in der Kirche.

    „Im Wissen um die eigene Schuld gegen queere Menschen unterstützen wir ausdrücklich die Entscheidung des Deutschen Bundestages, dieser Opfer-Gruppe des nationalsozialistischen Terrors in diesem Jahr in besonderer Weise zu gedenken.“ Denn genauso wie der Antisemitismus in der Gesellschaft nicht überwunden sei, so fände immer noch Diskriminierung von homo-, trans- und intergeschlechtlichen Menschen statt. „Es kommt immer wieder zu Angriffen, die durch Hass motiviert sind. Homophobe, antisemitische und antizigane Vorurteile sind nicht überwunden. Daher ist es auch Aufgabe der Kirche, sich aktiv gegen diese Vorurteile einzusetzen, so Weihbischof Schepers. „Wir bemühen uns mit aller Kraft, innerhalb der Kirche ein inklusives Klima zu etablieren, damit bei uns ein sicherer Ort auch für queere Menschen ist.“

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