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Viele ohne gültige Aufenthaltspapiere in Bolivien

21. Juni 2021

Eines der typischen Taxis in Santa Cruz de la Sierra und Bolivia: Ein importiertes Auto aus Hongkong. Man ändert einfach das Steuer nach links. Das Armaturenbrett bleibt wie es ist.

Die überwiegende Mehrzahl der Menschen, die im südamerikanischen Bolivien als Migranten ankommen, stammen aus Venezuela. Andere Herkunftsländer sind u.a. Kolumbien, Cuba, Nigeria oder Syrien. Bis heute haben 5,4 Millionen Menschen Venezuela verlassen, davon 4,6 Millionen auf dem amerikanischen Kontinent. Es ist laut UN zu einer der größten Vertreibungskrisen in der Welt geworden. Derzeit sind geschätzt 10.000 VenezolanerInnen in Bolivien. Nach meist beschwerlichen Reisen, oft streckenweise zu Fuß, mit Kindern und Großeltern, gelangen sie in ein Land, das selbst von Krisen gebeutelt wird.

Neben den Binnen-Geflüchteten im südamerikanischen Land Bolivien kommen weitere Menschen aus anderen Ländern. Viele in Santa Cruz und Bolivien haben wenig Verständnis für die besondere Situation. Nahezu alle Bereiche des öffentlichen Lebens in Bolivien sind von einer tiefen Spaltung der Gesellschaft geprägt: einerseits eine bürgerliche Mittelschicht, die von den wirtschaftlich guten Jahren der letzten Dekade profitierte, andererseits eine meist ländliche Bevölkerung in Armut, fernab der stetig wachsenden Ballungszentren am Regierungssitz in La Paz und El Alto, der Stadt Cochabamba und natürlich die Metropole und Schmelztiegel Santa Cruz. Die bolivianische Zentralregierung agiert oft an regionalen oder kommunalen Regierungen vorbei, die zersplitterte politische Opposition findet kaum eine gemeinsame Stimme gegen die sich selbst als Einheitspartei verstehende Partei der MAS (Bewegung zum Sozialismus). Das Gesundheitswesen und die Verwaltung und Justiz sind auf allen Ebenen überlastet und reformbedürftig.

Zum Weltflüchtlingstag 2021 beteiligt sich eine Gruppe am Gottesdienst in der Kathedrale von Santa Cruz im Tiefland Boliviens mit den Worten von Papst Franziskus: “Lasst uns den Flüchtlingen nahe und solidarisch sein, ihre Ängste teilen und ihr Leid lindern.”

Situation von  Geflüchteten verschlechtert

Wie bei allen Menschen in prekären Lebensumständen in Bolivien, hat sich seit Beginn der Corona Pandemie auch die Situation von MigrantInnen und Geflüchteten verschlechtert. Die Anerkennung als Asylsuchender ist ein langer bürokratischer Akt. Er ist zentralisiert in der Stadt La Paz. Alternativ kann ein Arbeitsvisum beantragt werden, es kostet den Gegenwert von ca. drei offiziellen Mindestlöhnen (umgerechnet ca. 850 Euro). So leben viele ohne gültige Aufenthaltspapiere, denn jeder bolivianische Peso, der nicht für Essen und Unterkunft ausgegeben werden muss, wird den Familienangehörigen im Herkunftsland per Geldtransfer überwiesen. Die Gebühr für eine Aufenthaltserlaubnis ist für viele Familien nicht erschwinglich. Ohne gültige Papiere wird den Migranten-Kindern den Zugang zur Schule verwehrt.

Kein Zugang zur Gesundheitsvorsorge

Kinder, Jugendliche und alte Menschen sind in Covid 19-Zeiten besonders betroffen. Eine venezolanische Familie lebt seit etwa einem Jahr in einer 2 Zimmer-Wohnung an einer 4 spurigen Durchgangsstraße in Santa Cruz. Die alleinerziehende Mutter versorgt neben ihrer eigenen Mutter noch drei Kinder im Alter von 13, 8 und 3 Jahren. Mutter und Großmutter der Kinder sind kürzlich an Covid erkrankt und versuchen, sich zu Hause auszukurieren. Der Job als Hilfsköchin in einem Restaurant wurde wegen der Erkrankung gekündigt. Die 13 jährige Tochter ist die einzige, die derzeit nach draußen gehen kann.

Juristische und soziale Begleitung

Alle versuchen, sich möglichst unauffällig gegenüber den Behörden und der Polizei zu verhalten, da sie sonst mit drastischen Maßnahmen zu rechnen haben. Hinzu kommt, dass diese nicht registrierten Menschen keinen Zugang zur Gesundheitsfürsorge und Bildung erhalten, eine Herausforderung insbesondere für Familien mit Kindern. In unserer Notunterkunft behalf sich eine Familie mit zwei Söhnen, indem sie per Mobiltelefon am Fernunterricht aus einem der durchreisten Transitländer teilnahmen. Während meiner dreijährigen Tätigkeit bei der Pastoral de Movilidad Humana (PMH) Santa Cruz erlebten wir einen Wandel hin zu verlässlicheren Strukturen und zur Verankerung der kirchlichen Sozialarbeit mit MigrantInnen und Geflüchteten in einem kleinen multiprofessionellen Team. Unsere relativ kleine Einrichtung hat allein im Jahr 2020 mehr als 2.600 MigrantInnen und Geflüchtete unterstützt, sei es mit Unterkunft, juristischem Rat oder sozialer Begleitung – darunter etwa 900 Kinder und Jugendliche und 1.200 Mädchen und Frauen. Es war für mich eine intensive Zeit mit vielen Begegnungen mit Menschen jeden Alters.

Andrés Dehmel

 

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