Balkonsicht mit einer Grußkarte, deren Bild ein Schmetterling und ein Blüte als Hoffnungssymbol für neues Leben zeigt.
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Dr. Georg Bätzing, predigt im Hohen Dom von Limburg vor leeren Kirchenbänken zum Ostersonntag. Für Bätzing ist Ostern unter allen historischen Wendepunkten der bedeutsamste und der Glücksfall der Geschichte schlechthin. „Die Prognose am ersten Ostertag war denkbar schlecht. Nichts deutet auf eine hoffnungsvolle Wende im tragischen Schicksal des jungen Rabbi hin, außer vielleicht seine unverstanden gebliebenen Andeutungen zu Lebzeiten, er werde nach drei Tagen auferstehen“, sagte Bätzing am Ostersonntag in Limburg. Dabei ging Bätzing auch auf das symbolische Bild der leeren Kirchen in der Corona Zeit ein. „Diese Zeit der leeren Kirchen zeigt den Kirchen symbolisch ihre verborgene Leere.“ Hier Auszüge aus seiner Predigt.
Der tschechische Priester und Religionsphilosoph Tomáš Halík (*1948) hat jüngst in einem Essay (Auf dem Weg in die Tiefe, Christ & Welt, 2. April 2020, 4–5) zu deuten versucht, wie wir angesichts der Corona-Krise die Sprache Gottes in den Ereignissen unserer Welt verstehen lernen. Und zwar nicht im Sinne der Unheilspropheten, die Angst verbreiten und aus der Situation religiöses Kapital schlagen wollen, sondern lernbereit und lernbegierig für die nahe Zukunft als Kirche an der Seite der Menschen. „Vielleicht“, so schlägt er vor, „zeigt diese Zeit der leeren Kirchen den Kirchen symbolisch ihre verborgene Leere und eine mögliche Zukunft auf, die eintreten könnte, wenn die Kirchen nicht ernsthaft versuchen, der Welt eine ganz andere Gestalt des Christentums zu präsentieren.
Nicht an unsere eigene Umkehr gedacht
Zu sehr waren wir darauf bedacht, dass die ‚Welt‘ (die anderen) umkehren müssen, als dass wir an unsere eigene ‚Umkehr‘ gedacht hätten – nicht nur an eine ‚Verbesserung‘, sondern an die Wende vom statischen ‚Christsein‘ zum dynamischen ‚Christwerden‘“. Halík sieht uns in Zukunft als suchende Menschen an der Seite der vielen Suchenden in unserer Zeit. Weg von den sicheren Gewissheiten geht der Fingerzeig des Auferstandenen und hin in die weite Welt der unruhig Bewegten, mit denen uns viel mehr verbindet als wir womöglich wahrhaben wollen. Dies ist das „Galiläa von heute“, wohin uns der auferstandene Herr vorausgeht und wohin wir gehen sollen, um den Gott zu suchen, der durch den Tod hindurchging. Ja, wenn Gott nah und nicht zu fassen ist, dann will er gesucht werden. Für diese aufrüttelnde Prognose bin ich dankbar.
Übrigens war die Prognose am ersten Ostertag denkbar schlecht. Nichts deutete auf eine hoffnungsvolle Wende im tragischen Schicksal des jungen Rabbi hin, außer vielleicht seine unverstanden gebliebenen Andeutungen zu Lebzeiten, er werde nach drei Tagen auferstehen. Man hatte Jesus verhaftet, vor Gericht gestellt und wegen Gotteslästerung zum Tod verurteilt. Mit seinem Kreuzestod waren auch alle Zukunftspläne derer zunichte gemacht, die ihm als Jünger und Jüngerinnen gefolgt waren – und die dafür viel aufs Spiel gesetzt hatten.
Was blieb anderes übrig, als nun mit dem Gekreuzigten todtraurig zugleich die eigenen Hoffnungen würdevoll zu bestatten. Darauf waren Maria und die anderen eingestellt – ganz gewiss nicht darauf, mit einem lebendigen Jesus konfrontiert zu werden, mit einem, der deutlich erkennbar als der Gekreuzigte aus der Zukunft Gottes zu ihnen kam, mit ihnen sprach und ihnen Aufträge gab. Völlig unerwartet wurde dieser Ostermorgen zu einem Moment in der Geschichte, in dem die Zukunft ihre Richtung änderte – ja, ich bin überzeugt, dieser Morgen ist unter allen historischen Wendepunkten der bedeutsamste, der Glücksfall der Geschichte schlechthin.
Verantwortung füreinander in der Krise
Gerade jetzt erleben wir wieder einen historischen Moment. Die Welt, wie wir sie kannten, löst sich gerade auf (Matthias Horx: Die Welt nach Corona). Die Zukunft, die sehr anders sein wird, als wir gedacht haben, erschließt sich noch nicht. Prognosen verheißen keinen einfachen Weg – eher lange und belastende Jahre, die nur im gemeinsamen Schulterschluss aller in Europa und weltweit so gemeistert werden können, dass sie die Ungleichheit und Ungerechtigkeit in den Lebensverhältnissen der Menschen dieser Erde nicht noch vergrößern. Das wird uns viel kosten und mit Einbußen unseres Wohlstands verbunden sein. Aber ich bin überzeugt: Wenn wir durch Corona so eng und schicksalhaft zusammengerückt wurden, wie es alle planbare Globalisierung nicht annähernd vermocht hat, dann tragen wir auch Verantwortung füreinander und vor allem für die Schwachen, die Armen und besonders hart betroffenen Regionen.
Jetzt sind wir einander nah in der Krise. Wir haben es in der Hand, ob wir diese geschenkte Nähe festigen und zusammenrücken oder wieder auseinanderdriften. Hoffentlich lehrt uns die Krise, wie sehr wir aufeinander angewiesen sind. Niemand, kein Volk, kein Land, keine Wirtschaft ist eine Insel. Alles hängt mit allem zusammen. Wenn es gelingt, die besten Kräfte und die mutigsten Ideen aller ins Spiel zu bringen, und wenn wir zu einem erheblichen, auch persönlich spürbaren Opfer und Einsatz von Mitteln und Instrumenten aus allen gesellschaftlichen Bereichen bereit sind, dann kann auch diese Krise zum Glücksfall der Geschichte werden. Wie sehr muss uns ChristInnen das am Herzen liegen.
Es muss kein Traum bleiben, der bald zerplatzt, wenn wir uns nur die Aufmerksamkeit dafür bewahren, was uns selber in diesen anstrengenden Wochen stärkt: So viel Freundlichkeit und Humor habe ich selten erlebt; klar, auch die Anspannung nimmt zu und Konflikte entladen sich. Mit so vielen bisher Unbekannten habe ich nie zuvor unterwegs gesprochen. Selten nehmen andere meine guten Wünsche und Aufmerksamkeiten gern an – und danken sie mir mit tollen Ideen. Wir nutzen die digitale Technik, um gut in Verbindung zu bleiben. Oft und lange wird telefoniert, kaum eine Nachricht ignoriert, selten jemand zappeln lassen, der eine Frage stellt. Ist das nicht schon der Anfang einer neuen Kultur von Achtsamkeit und Verbundenheit? Das ist alles nicht selbstverständlich, ganz und gar nicht. Da prägt sich aus, was unsere Zukunft ausmachen und zum Guten verändern kann.
Dr. Georg Bätzing
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Wie auch schon vorher erlebe ich unsere kirchliche Betriebsamkeit auch in diesen Krisentagen als mitunter hilf- und geistloses Gewusel. Mit Kopfschütteln und Befremden beobachte ich, wie pseudo-magisches Denken und unsensibler Klerikalismus mancherorts wieder Einzug in das sakrale Handeln halten (oder vielleicht auch nie überwunden waren). Das reicht vom fliegenden sakramentalen Segen bis zur Online-Beichte.