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Trotz Rückschläge und Irritationen im gemeinsamen Boot

14. März 2024

Die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) haben in einer digitalen Pressekonferenz das gemeinsame Wort „Mehr Sichtbarkeit in der Einheit und mehr Versöhnung in der Verschiedenheit“ vorgestellt. Es soll das ökumenisches Miteinander geschätzt und bestärken werden. Der Bochumer Neutestamentler Thomas Söding hat daran mitgewirkt. Statt utopischer Ziele solle man auf die Möglichkeiten vor Ort schauen.

„Wir erleben als Kirchen eine Umbruchphase: Kirchliches Leben ist in beiden Konfessionen geprägt vom raschen Wandel. Neben dem Verlust alter Gewissheiten und vertrauter Strukturen stehen neue Aufbrüche und veränderte Prioritätensetzungen“, sagte EKD-Ratsmitglied Volker Jung. Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) fügte hinzu: „Unser Anliegen ist, dass in den anstehenden Transformationen das gelebte ökumenische Miteinander nicht unter die Räder gerät, sondern geschätzt und gestärkt wird. Das Gemeinsame Wort bekräftigt, dass wir nicht nur im alltäglichen Umgang vor Ort oft viele gelingende und beglückende ökumenische Erfahrungen erleben. Und, dass wir ganz deutlich auf der Basis des biblischen Zeugnisses gemeinsame theologische Zugänge dazu finden, was Kirche ist und wofür sie in der Welt da sein soll – auch wenn manche Fragen gerade im gottesdienstlichen Miteinander schmerzhaft ungelöst bleiben.“

Ökumene ist dynamische Größe

Der Magdeburger Bischof Dr. Gerhard Feige, Vorsitzender der Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, sieht in dem neuen Dokument ein „klares Bekenntnis zur Ökumene: Auf dem Weg gibt es immer wieder Stolpersteine zu überwinden; Rückschläge und Irritationen bleiben nicht aus. Aber man wird der Ökumene nicht gerecht, wenn man sich nur darauf konzentriert. Trotz Unterschieden in manchen ethischen Einzelfragen, gibt es in zentralen Themen der Ethik wie in der Friedensfrage, in den Themen von Umwelt und Bildung eine breite Übereinstimmung“, so Bischof Feige. Dabei werde die Einheit der Kirche als dynamische Größe wahrgenommen: „Wir sind nicht am Ziel, noch nicht. Aber wir nehmen froh und dankbar wahr, dass im ökumenischen Miteinander schon viel erreicht ist. Manches davon ist so selbstverständlich, dass es uns zumeist gar nicht mehr auffällt. Da ist es gut, dass der Text unsere Aufmerksamkeit darauf lenkt und dazu antreibt, auf dem Weg zu mehr Sichtbarkeit in der Einheit und mehr Versöhnung in der Verschiedenheit weiter voranzukommen. Wechselseitige Zusagen geben der künftigen Weggemeinschaft Verbindlichkeit.“ Die jüngste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung habe gezeigt, dass die beiden großen Kirchen in Deutschland in hohem Maße Mitglieder verlieren: „Die Probleme und Herausforderungen dürfen aber nicht zur Selbstbeschränkung zu Lasten der Ökumene führen. Im Gegenteil: Sie sind ein Weckruf zu mehr Gemeinsamkeit“, betonte Bischof Feige.

Prof. Dr. Miriam Rose aus Jena beschreibt den Text als „eine andere, eine neue, eine zukunftsorientierte Perspektive sowohl auf das gegenwärtig Erreichte, auf aktuelle Infragestellungen und auf künftige Schritte, wie immer sie aussehen mögen. So ist es einerseits besonders praxisorientiert und konkret, andererseits besonders prinzipiell, weil es die dynamische Praxis in der Ökumene theologisch aufwertet und neu bewertet.“ Das Dokument ermutige zu einem gelassen-hoffnungsvollen Blick auf die ökumenischen Beziehungen, „der sich mit den Irritationen auseinandersetzt und mit kreativen Neuaufbrüchen rechnet an unvermuteter anderer Stelle, der sich und die anderen nicht überfordert, der aber zutiefst interessiert und betroffen solidarisch bleibt mit der jeweils anderen Kirche“.

Polarisierung nimmt zu

Bei der Vorstellung des Dokumentes hob Prof. Dr. Thomas Söding aus Bochum hervor: „Die Gesellschaft driftet auseinander, die Polarisierung nimmt zu: Es entstehen immer mehr ziemlich geschlossene Identitätszirkel, die sich immer schwerer tun, miteinander zu kommunizieren. Die Kirchen sind von diesem Trend nicht ausgenommen. Aber sie können – teils aus leidvoller Erfahrung, teils aus besserer Einsicht – Modelle entwickeln, die nicht nur ein friedliches Neben- und Miteinander verschiedener Konfessionen begründen, sondern die innere Vielfalt als Ressource entdecken, um Gottes- und Nächstenliebe zu verbinden: katechetisch, liturgisch, diakonisch – ebenso politisch.“ Diese Chance nutze das neue Dokument. „Es scheut sich nicht, von Einheit zu sprechen, auch von sichtbarer – fügen wir hinzu: von hörbarer, fühlbarer, wirksamer – Einheit; aber wir sehen in der internen und externen Vielfalt der Kirchen kein Problem, das es zu lösen, sondern ein Pfund, mit dem es zu wuchern gilt“, so Prof. Söding. Die Kirchen formulieren in dem neuen Dokument gemeinsam: „Die Einheit soll sichtbarer und die Versöhnung erfahrbarer werden. Dieser Komparativ ist programmatisch. Er verweist auf das Konstruktionsprinzip des gesamten Papieres: Ziel und Weg gehören zusammen.“

Quelle: dbk

 

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