Gefangenen-Transport nach strengen Vorgaben

14. Februar 2019

Sie sind wuchtig, kugelsicher und gepanzert: Spezialbusse transportieren jeden Tag bis zu 2000 Gefangene quer durch Deutschland. Dennoch fallen sie kaum auf. Eine Reise mit einem Verkehrsbetrieb, der am liebsten im Geheimen operiert. Die U 70 ist keine normale Buslinie. Der Busfahrer trägt eine Walther P99 am Gürtel. Die Passagiere sitzen hinter verriegelten Stahltüren.

„Denkt daran, hier wird nicht geraucht“, raunzt Jörg Walzcak in den Zellentrakt. Der 56-jährige Transportleiter schaut durch die schmalen Gucklöcher ins Innere der Kabinen. Besser gleich am Anfang für Respekt sorgen. Niemand raucht, randaliert oder pöbelt. Zumindest noch nicht. Zufrieden zieht Walzcak die vergitterte Zwischentür, die den Fahrerraum von der Kabine trennt, hinter sich zu. Die Fahrt der U 70 kann beginnen. An Bord sind ein Geiselnehmer, ein Drogendealer, mehrere Betrüger, Einbrecher, Schuldner. Und eine suizidgefährdete Frau, deren genaues Delikt die Beamten nicht verraten. Zu ihrer eigenen Sicherheit haben sie die Frau als Erste in eine Einzelzelle geführt; die männlichen Mitfahrer wissen nichts von der Passagierin.

Kleine Einzelzellen im Reiseomnibus

Plastiksitze, Videokameras, Rufknöpfe und Fensterschlitze: Mit dem Komfort eines normalen Reisebusses hat der 13 Tonnen schwere Gefangenentransporter der Marke Bova nichts gemein. 29 Insassen haben hier Platz, aufgeteilt auf mehrere Einzel- und Mehrpersonenzellen. Das Interieur ist mit Metall verkleidet, die Dachluke auf dem Gang gegen Ausbruch gesichert. Von außen sieht der blau-weiß gestreifte Bus unspektakulär aus, fast so, als gehe es zu einer Kaffeefahrt. Doch auf der Reise von einer Justizvollzugsanstalt (JVA) zur anderen gibt es keinen Kaffee, nicht einmal ein Bord-WC. Die U 70 fährt spartanisch.

Sie sind wuchtig, kugelsicher und gepanzert: Spezialbusse transportieren jeden Tag bis zu 2000 Gefangene quer durch Deutschland. Dennoch fallen sie kaum auf. Eine Reise mit einem Verkehrsbetrieb, der am liebsten im Geheimen operiert. Die U 70 ist keine normale Buslinie. Der Busfahrer trägt eine Walther P99 am Gürtel. Die Passagiere sitzen hinter verriegelten Stahltüren. „Denkt daran, hier wird nicht geraucht“, raunzt Jörg Walzcak in den Zellentrakt. Der 56-jährige Transportleiter schaut durch die schmalen Gucklöcher ins Innere der Kabinen. Besser gleich am Anfang für Respekt sorgen. Niemand raucht, randaliert oder pöbelt. Zumindest noch nicht. Zufrieden zieht Walzcak die vergitterte Zwischentür, die den Fahrerraum von der Kabine trennt, hinter sich zu. Die Fahrt der U 70 kann beginnen.

An Bord sind ein Geiselnehmer, ein Drogendealer, mehrere Betrüger, Einbrecher, Schuldner. Und eine suizidgefährdete Frau, deren genaues Delikt die Beamten nicht verraten. Zu ihrer eigenen Sicherheit haben sie die Frau als Erste in eine Einzelzelle geführt; die männlichen Mitfahrer wissen nichts von der Passagierin. Plastiksitze, Videokameras, Rufknöpfe und Fensterschlitze: Mit dem Komfort eines normalen Reisebusses hat der 13 Tonnen schwere Gefangenentransporter der Marke Bova nichts gemein. 29 Insassen haben hier Platz, aufgeteilt auf mehrere Einzel- und Mehrpersonenzellen. Das Interieur ist mit Metall verkleidet, die Dachluke auf dem Gang gegen Ausbruch gesichert. Von außen sieht der blau-weiß gestreifte Bus unspektakulär aus, fast so, als gehe es zu einer Kaffeefahrt. Doch auf der Reise von einer Justizvollzugsanstalt (JVA) zur anderen gibt es keinen Kaffee, nicht einmal ein Bord-WC. Die U 70 fährt spartanisch.

Funksprüche absetzen und Umgebung beobachten

Mit 100 km/h rollt der Bus über die A 2. Zwischen Hamm und Bielefeld, der Route der U 70, läuft der Verkehr ruhig. Auch im Innenraum ist nicht viel los. Walzcak blättert das Fahrtenbuch durch, in dem die Passagiere aufgelistet sind. Die anderen drei Kollegen üben sich in Routine. Funksprüche absetzen, Umgebung beobachten, Zellen kontrollieren. „Wir sind fast so etwas wie eine normale Buslinie“, sagt Walzcak. „Mit dem Unterschied, dass sich manche Fahrgäste schon an der Haltestelle kloppen.“

Die U 70 ist nicht allein. Jeden Tag rollen bis zu 2000 Strafgefangene über deutsche Autobahnen und Landstraßen. Sie werden verlegt, weil sie Ärger in ihrer bisherigen JVA hatten, weil sie einen Arzttermin wahrnehmen, ihren Anwalt in einer anderen Stadt treffen oder zu einem Gerichtsprozess erscheinen müssen. Bis zu 120 separate Busverbindungen quer durch die Bundesrepublik gibt es. Manche „Haltestellen“ (also ­Gefängnisse) werden täglich angefahren, andere nur einmal pro Woche. Über einen streng getakteten Fahrplan ist jede JVA mit dem Transportnetz verbunden. Das System ist so eingespielt, dass die Bevölkerung davon kaum etwas mitbekommt. Deutschlands geheimster Verkehrsbetrieb operiert im Verborgenen.

Damit nichts schiefgeht, läuft der „Verschub“ (wie der Gefangenentransport im Amtsdeutsch heißt) nach strengen Vorgaben. Lange bevor die Häftlinge an Bord gehen, prüfen Justizvollzugsbeamte ihre Akten: Leiden sie unter Krankheiten, die unterwegs zum Problem werden könnten? Sind sie schon einmal wegen Gewalt aufgefallen? Gehören sie womöglich der organisierten Kriminalität an? „Wir überlassen nichts dem Zufall“, sagt Rolf Silwedel, der Leiter der JVA Hamm. „Im Zweifel verschieben wir bestimmte Gefangene lieber einzeln.“ Die eiserne Regel jedes Transportes: Niemals ­anhalten.

Umleitungen sind ein Problem

Am meisten graut es den Beamten vor unerwarteten Ereignissen, vor Umleitungen, Pannen oder Streckensperrungen. Alles, was den akribisch getakteten Fahrplan durcheinanderbringt, macht die rollenden Festungen angreifbar, zumal längst nicht ­alle mit kugelsicheren Scheiben ausgestattet sind. Doch es gibt es auch ganz lapidare Probleme: Was, wenn ein Transport stundenlang im Stau steht? Wenn die Passagiere hungrig werden oder auf die Toilette müssen? „Ein Gefangener kann in Handschellen schlecht eine Currywurst an der Raststätte bestellen“, sagt Silwedel. Zwar sei Wasser grundsätzlich an Bord. Aber gerade bei längeren Standzeiten werde es kritisch. „Jeder Stau bringt das System durcheinander“, sagt der JVA-Leiter.

Zurück in der U 70. Als der Bus die Ausfahrt Gütersloh passiert, bemerkt Transportleiter Walzcak einen seltsamen Geruch. Feuer? Zigarettenrauch? Oder nur ein Duft von draußen? Zur Sicherheit geht er nach hinten, öffnet die Gucklöcher der Zellen. „Hast du geraucht?“, fragt er einen Mann im hinteren Trakt. Keine Antwort. „Ob du geraucht hast?“ Starrer Blick, Schulterzucken. Getürkte Polizeikontrollen, Befreiungsaktionen mit Panzerfäusten und Sprengstoff – für die Beamten lediglich Szenen aus Hollywood. „Zum Glück“, meint Transportleiter Walzcak. „Aufpassen müssen wir natürlich trotzdem.“ Einmal musste er den ­Notarzt rufen, weil ein Häftling während der Fahrt zusammengebrochen war. Auch Schlägereien sind in den engen Zellen schon ausgebrochen.

Kurz vor der Autobahn-Abfahrt rast ein Audi A6 hupend an der U 70 vorbei. Für eine Schrecksekunde zucken die Beamten zusammen, alle Blicke richten sich auf das schwarze Auto. Schließlich löst der Transportleiter Walzcak die Anspannung auf: „Den Fahrer kenn’ ich doch“, sagt der langjährige Beamte. „Ich glaube, den hatte ich schon mal an Bord.“

Steve Przybilla | Stuttgarter Nachrichten

 

Die Folge aus der NDR-Reihe „Wie geht das?“ zeigt die verborgene Welt der Gefangenentransporte, blickt hinter die Kulissen eines Gerichts und erklärt, wie Recht gesprochen wird.

 

2 Rückmeldungen

  1. Karl-Heinz Wilke sagt:

    Solch einen Bus hatten wir nicht. Die Fahrt von Rostock nach Naumburg ging mit dem Grotewohl-Express über 14 Tage quer durch die DDR. Ein Aufenthalt war in Magdeburg und einer in Cottbus. Dort haben wir den roten Terror und Arafad kennengelernt. Zwei „Schließer“, die nichts menschliches an sich hatten. In meinen Augen Verbrecher.

    Anmerkung der Redaktion:
    Der Gefangenensammeltransportwagen der Deutschen Reichsbahn, abgekürzt GSTW, war zu DDR-Zeiten ein spezieller Reisezugwagen zur Verlegung von bis zu 90 Gefangenen zwischen Haftanstalten. Unter den Häftlingen hatte das Fahrzeug, wie auch seine Vorgänger, den Namen Grotewohl-Express. Otto Grotewohl war von 1949 bis 1964 der erste Ministerpräsident der DDR.

  2. Andreas Stecker sagt:

    Wenn man sich das überlegt, dass man dann dort in einer Zelle ausharren muss und eingesperrt ist ohne vielleicht zu wissen, wo man ist. Ich möchte nicht dort drin sein, dort eingesperrt sein und eingesperrt transportiert werden. Was ist wenn da ein Gefangener mal pinkeln muss und das nicht nur einmal, weil er vielleicht eine Reizblase hat oder muss kacken? Ist alles menschlich und kann passieren. Auch Verbrecher und Gefangene sind Menschen…

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