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Transgender in Haft nicht ausreichend geschützt

7. Juli 2023

Trans* ist ein Überbegriff für transgeschlechtlich, transgender, transsexuell oder nicht-binär. Gemeint sind Menschen, deren Geschlecht nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, übereinstimmt. Nicht selten entsteht bei ihnen ein deutlicher Leidensdruck, der auch zum Wunsch nach geschlechtsangleichenden Maßnahmen führen kann. Im nordrhein-westfälischen Justizvollzug stellen trans-, intergeschlechtliche sowie non-binäre Personen bislang eine kleine Gruppe von Inhaftierten dar. Wie mit Geschlechtidentitäten in Haft umgegangen wird, ist offen.

Ausweislich einer Erhebung zu Beginn des Jahres 2022 befanden sich in Nordrhein-Westfalen insgesamt neun Transpersonen in Haft. Aufgrund des geplanten neuen Selbstbestimmungsgesetzes der Bundesregierung dürfte mit einer Zunahme der Zahl von Personen zu rechnen sein, bei denen auf der Grundlage des neuen Gesetzes eine Änderung des Personenstandseintrags vorgenommen wird. Ziel des Gesetzes ist es, das Recht jeder Person auf Achtung und respektvolle Behandlung in Bezug auf die Geschlechtsidentität zu verwirklichen. So ist u.a. vorgesehen, dass geschäftsfähige Erwachsene ihren Geschlechtseintrag künftig durch einfache Erklärung vor dem Standesamt ändern können. Die Thematik „Transgender“ dürfte daher künftig vermehrt in den Fokus des Justizvollzuges geraten. Auswirkungen können sich beispielsweise bei der Unterbringung und Durchsuchung von Gefangenen ergeben, eben jenen Normen, die das Geschlecht in Bezug nehmen und bislang nur nach den binären Geschlechtern unterscheiden. So steht es zumindest im Newsletter der Justiz in Nordrhein-Westfalen.

Schutzinteressen in Haft?

„Regelungsbedürftig dürften insbesondere Fälle sein, in denen männliche Straftäter nach vollzogenem Personenstandswechsel den Versuch unternehmen, im Frauenvollzug unterzukommen. Das Hauptaugenmerk bei der Lösung etwaiger Problemlagen sollte darauf gerichtet sein, einerseits den Belangen und Bedürfnissen von Transpersonen vollumfänglich Geltung zu verschaffen und andererseits unter Abwägung der Belange von Sicherheit und Ordnung auch die Persönlichkeits- und Schutzinteressen anderer Inhaftierter in den Blick zu nehmen. Zur Stärkung der Handlungssicherheit der Bediensteten im täglichen Umgang mit Transgender und zur Wahrung der Bedürfnisse von Transpersonen soll ein Handlungsleitfaden entwickelt werden, der sich u.a. den Themen Unterbringung, Durchsuchung und Zugang zu Beratungsangeboten widmet“, führt der Newsletter aus. Wann die Handlungsempfehlungen erscheinen, ist noch offen. Trotz vieler Gesetzesänderungen werden Trans*personen im deutschen Recht weiterhin diskriminiert, meint die Juristin Maya Markwald. Die Gesetze stellen nach wie vor zu hohe Hürden für die Anerkennung des Geschlechts von Trans*personen und schützen sie nicht ausreichend vor geschlechtsspezifischen Gefahren.

Seit 1981: Transsexuellengesetz

Das Transsexuellengesez regelt seit 1981 das Verfahren und die Voraussetzungen für einen binären Vornamens- und Personenstandswechsel. Das heißt, dass eine Person ihren männlichen Vornamen in einen weiblichen und ihren männlichen Geschlechtseintrag in einen weiblichen ändern kann– oder andersherum. Es sind nur Wechsel zwischen Mann und Frau möglich. Die Änderung des Geschlechtseintrags wird als „große Lösung“ bezeichnet. Ändert eine Person nur ihren Vornamen spricht man von der „kleinen Lösung“. Für die große Lösung war es ursprünglich erforderlich, dass die betroffene Person sich sterilisieren ließ und nicht verheiratet war. Erst 2011  und 2009 kippte das Bundesverfassungsgericht diese Voraussetzungen und hob damit die ursprüngliche Abstufung der beiden Verfahren auf. Bis dahin wurden Trans*menschen in Deutschland vom Staat gezwungen, schwerste Eingriffe in ihre körperliche Unversehrtheit über sich ergehen zu lassen, wenn sie als die geschlechtlichen Menschen, die sie waren, vom Staat und seiner Rechtsordnung anerkannt werden wollten. Ebenso waren sie gezwungen, sich zwischen ihrem Recht auf Familie und ihrem Recht auf ihre geschlechtliche Identität zu entscheiden. Inzwischen sind so viele Normen des TSG vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft worden, dass JuristInnen von einer „Gesetzesruine“ sprechen.

Seit 2018: § 45b Personenstandsgesetz

Seit Dezember 2018 sind Personenstandsänderungen außerdem über § 45b PStG möglich. Die Norm wurde eingeführt, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur dritten Option umzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht hatte nach der Verfassungsbeschwerde einer Inter*person 2017 entschieden, dass es in Deutschland neben einem offenen Geschlechtseintrag und den Geschlechtseinträgen „männlich“ und „weiblich“ auch noch einen weiteren positiven Geschlechtseintrag geben muss, solange der Staat seine BürgerInnen verpflichtet, ihr Geschlecht registrieren zu lassen. Daraufhin schuf der Gesetzgeber die Eintragungsmöglichkeit „divers“. Dieser Geschlechtseintrag kann entweder gleich bei Geburt eingetragen werden oder nachträglich auf Antrag einer Person. Ebenso kann eine Person nach § 45b PStG beantragen, dass ihr Geschlechtseintrag in „männlich“ oder „weiblich“ geändert wird oder der Geschlechtseintrag offen gelassen wird. Mehr Artikel…

 

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