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Im Gefängnis heimlich auf Toilettenpapier geschrieben

27. März 2020

Zurzeit in Deutschland gehamstert, hat es doch Potenzial für viel mehr: das Toilettenpapier. Besungen, beschrieben und bedruckt spielt es für manche nicht nur auf dem stillen Örtchen eine Rolle. Kaum eine andere Ware scheint sich zurzeit derartiger Beliebtheit zu erfreuen wie das Klopapier. Reihenweise leere Regale in Supermärkten und Drogerien zeugen von der Jagd der Deutschen nach dem Hygieneprodukt. Zeit, ein bisschen mehr über die alltäglichen Blättchen Papier zu lernen, die den Menschen in Deutschland gerade so sehr am Herzen liegen.

Erfunden wurde das Klopapier – wie auch das Papier – in China. Mitte des 19. Jahrhunderts kam es dann in den USA auf den Markt. Damals allerdings nicht als Rolle, sondern in Form einzelner Blättchen in einer Schachtel. Auch in Europa hielt es damals Einzug. Die erste Fabrik für Toilettenpapier in Deutschland entstand in den 1920er Jahren. Doch das hier so verbreitete Klopapier wird nicht überall verwendet. In vielen Ländern Südostasiens und auf der arabischen Halbinsel etwa säubern sich Menschen nach dem Toilettengang mit Wasser.

Toilettenpapier an der Haftraumtür mit einer Antragskarte.

Wohl mehr als 100 Rollen im Jahr

Über Klopapier wird nicht gesprochen? Von wegen! Nicht nur bei Eminem und Lil Wayne schaffte es das Klopapier in die Liedzeilen, auch R. Kelly und Neil Young besangen es schon. Dass der Schlager „Dreilagiges Klopapier“ von Mario Rosenauer derzeit in den Sozialen Medien die Runde macht, ist sicherlich nicht verwunderlich. Eine Art Ode an das Papier für den Allerwertesten hat aber auch schon K.I.Z. vor mehr als zehn Jahren in die Welt gesetzt.

Wie viele Rollen Klopapier genau die Deutschen im Jahr verbrauchen, ist nicht ganz klar, aber nach dem Spitzenreiter Nordamerika ist Westeuropa beim Verbrauch von Hygienepapier ganz vorne dabei. Etwa 17 Kilogramm pro Person bescheinigt das European Tissue Symposium jedem Menschen in Deutschland jährlich. Zum Hygienepapier zählen auch Küchenrolle und Taschentücher. Wäre es nur das Klopapier, dann kämen die Deutschen wohl auf stolze 170 Rollen im Jahr – ausgehend von einer Rolle dreilagigem Papier mit 150 Blättern à 100 Gramm. Noch mehr Hygienepapier als in Deutschland wird etwa in den USA, in der Schweiz, in Finnland und in Hongkong verwendet. Doch nicht nur die Menge, auch die Art der Nutzung unterscheidet sich. Während in Deutschland viel gefaltet wird, knüllt man das Papier im angloamerikanischen Raum lieber.

Mit Klopapier (kriminelle) Geschäfte gemacht

Mit Klopapier lässt sich auch privat Geld verdienen. Eine kriminelle Gruppe in Tschechien beging 2014 Mehrwertsteuerbetrug, indem sie das Papier Dutzende Male zwischen Firmen im Inland und der Slowakei hin und her verkaufte. Auch der Bestseller-Autor Karl-Heinz (Henry) Jäger bewies Geschäftssinn. Im Gefängnis beschrieb er heimlich Toilettenpapier. Mit Hilfe eines Geistlichen gelangten die Seiten nach draußen, und so wurde 1962 sein gefeierter Roman „Die Festung“ veröffentlicht.

Wer sich zu einem Hamsterkauf von Klopapier hat verleiten lassen und nun nicht weiß, wohin mit den ganzen Rollen, kann mit den Blättchen auch seine Kreativität ausleben. Origami-Anleitungen etwa gibt es nicht nur für Schmuckpapier, sondern auch für die weniger edlen Abputztücher. Fortgeschrittene finden eine etwas langwierigere Aufgabe: ein Brautkleid aus Klopapier schneidern. Diese skurrile wie aufwendige Beschäftigung hat nicht nur auf Junggesellinnenabschieden Einzug gefunden, sondern auch in eine US-amerikanische Fernsehshow. Und wer beim Thema bleiben möchte, kann natürlich auch die passende Rolle mit der Aufschrift „Will you marry me?“ im Internet finden.

In Düsseldorf gibt es ein eigens dem Toilettenpapier gewidmetes Museum. Am 26. August ist internationaler Tag des Toilettenpapiers. In Peking geben Hightech-Automaten das Klopapier mancherorts nur bei Gesichtserkennung aus – im Kampf gegen Papierdiebe, versteht sich. Und im polnischen Torun (Thorn) hat eine Konditorei wegen des aktuellen Hypes um Toilettenpapier kleine Torten in Form von Klopapierrollen gebacken.

Rachel Boßmeyer | dpa

Klopapier hinter Gittern

In manchen Jugendvollzügen muss der Gefangene einen schriftlichen Antrag auf Klopapier stellen. Toilettenpapier wird im Knast  gerne genutzt, um am vergitterten Fenster zu „pendeln“. Da wechseln Tabak oder illegale Dinge mit Toilettenpapierstreifen am Haftraumfenster den Besitzer. In der Silvesternacht zünden Gefangene oftmals Toilettenpapier an. Daher wird das Toilettenpapier vor diesem Tag rationiert. Um sicher zu gehen, dass ein Gefangener genügend Toilettenpapier hat, wird auch schon mal „gehamstert“. Bei einer Zellenkontrolle fliegen die Papierrollen aber meistens auf und werden von den Bediensteten aus dem Haftraum entfernt.

In der Mangelwirtschaft eines Gefängnisses werden junge Inhaftierte erfinderisch. So erzählt Tim, dass er, wenn er schlafen will, mit Toilettenpapier die Rufanlage blockiert. „Ich mache mehrere Lagen Toilettenpapier nass. Dann kommt das Ganze auf die Lautsprecheranlage, die Ampel genannt wird. Das wirkt wie Spachtel. Die nervigen Durchsagen höre ich damit nicht mehr“, sagt er und grinst.

Michael King 

 

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