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Knast-Tattoos: Was bedeuten die drei Punkte?

22. Januar 2020

Tattoos werden nicht mehr nur von Inhaftierten hinter den Mauern getragen. Egal, ob Träne, Spinnennetz oder drei Punkte. Es gibt Motive, die „knasttypisch“ sind. Wer im Gefängnis ist und gerne ein Tattoo hätte, schraubt seinen Rasierapparat oder seinen CD-Player auseinander, baut den Motor aus, setzt ihn auf einen Kugelschreiber, steckt den Draht des Feuerzeuges hinein und sticht sich damit Russ mit Duschgell unter die Haut. Man muss ideenreich sein, um so ein Tattoo zu stechen. Es ist nicht nur verboten hinter Gittern, auch das Infektionsrisiko ist extrem hoch. Aber was bedeuten die typischen-Knast-Tattoos?

Die Talente der Tattookunst von Inhaftierten sind sehr unterschiedlich. Manche Arme und Beine sehen aus wie Litfaßsäulen: Angefangene Tattoos mit verkorkste Bildern und Symbolen. „Das lass ich dann draußen überstechen“, sagt so so mancher Gefangener. Besonders gerne werden die Namen der Freundin oder der Mutter unter die Haut gestochen. „La familia“ ist ebenso ein beliebter Schriftzug. „Die Familie ist heilig. Aber es sind eher meine Kumpels gemeint, weil man oft keine guten Erfahrungen mit Vater und Mutter gemacht hat“, sagt ein junger Inhaftierter im Jugendvollzug.

Er fügt hinzu: „Es gibt echte Künstler im Knast, die was drauf haben und für andere Tattoos stechen.“ In Nordrhein-Westfalen gibt es ein Programm, bei dem sich Inhaftierte verfassungsfeindliche oder markante Tattoos im Gesicht oder an den Händen weglasern lassen können. Dies ist aber genauso schmerzhaft wie das „stechen“ selbst. Die Bedeutung der Symbolik von Tattoos wird oft von engführenden Zuschreibungen von außen bestimmt. Die Bedeutung eines Tattoos kann nur der tätowierte Mensch selbst erzählen. Ein paar typische Tattoo-Symboliken und deren Bedeutung sind hier aufgeführt.

Drei Punkte

Das Drei-Punkte-Tattoo zwischen Daumen und Zeigefinger erinnert an die Blindenschrift. „Nichts gehört, nichts gesehen und nichts sagen“, sagt Toni wie aus der Pistole geschossen, als ich ihn frage, was das bedeutet. An die Dreifaltigkeit des christlichen Gottes ist da eher nicht gedacht. Irgendwie ist es ein Zeichen, dass man dazugehört, dass man im Knast gewesen ist. Die drei Punkte gehören zum Knastkodex. Gegenüber dem System des Vollzuges soll nichts preis gegeben werden. Nach der Entlassung wird die Symbolik bei Bwerbungen oder im Beruf zum Problem, so dass die drei Punkte für ein anderes Tattoomotiv genutzt werden.

Auch wenn Tattoos keine ausdrücklich religiöse Botschaft haben, gibt es eine enge Verbindung zu Glaubensüberzeugungen.

Fünf Punkte

Die fünf Punkte sehen aus wie die der Würfelfünf. In der Mitte „Ich“ und ringsherum die Mauern. Sie werden ebenso zwischen Daumen und Zeigefinger gestochen. Die fünf Punkte sind in deutschen gefängnissen nicht so gängig wie die drei. Allein hinter Mauern im Haftraum, nicht rauskommen zu können und auf sich gestellt zu sein, symbolisiert das Bild.

Eine Träne

Es gibt zwei Arten von Tränen direkt am Auge: Die ausgefüllte (ganze) Träne und die als Umriss. Diese steht für ein vollendetes Tötungsdelikt. Die „halbe Träne“, bei der man nur die Umrisse sieht, gilt für ein versuchtes Tötungsdelikt. Man kennt dies eher aus den Vereingten Staaten der USA. Fast jeder weiß, was eine Träne bedeutet. Es wird irgendwie weitergegeben. „Oft werde ich gefragt, wie ich jemand versucht habe zu töten“, sagt Egon, der eine Träne im Gesicht hat. Er ist für 6 Jahre inhaftiert. Max bereut, dass er das Tattoo in der Isolationshaft gestochen hat. „Ich werde ständig gefragt und ich habe keine Lust, ständig Antworten geben zu müssen, dass ich jemanden mit dem Messer angegriffen habe.“

Religiöse Symbole

Religiöse Symbole wie das Kreuz oder die getenden Hände Düres sind hoch im Kurs. Kreuzse finden sich fast überall: klein und groß oder mit einer Rose verbunden. Das schiitische Schwert findet sich ebenso wie der Halbmond mit Stern. Rosenkränze oder Bibelverse kommen ebenso vor. Außerdem gibt es christliche Traditionen wie in Ägypten oder Eritrea, wo die Tätowierung einen festen Bestandteil des Glaubenslebens bildet. Und man könnte sagen: Das ist die religiöse Tätowierung. Was grundsätzlich wie eine christliche Brücke zur Tätowierung ist, ist die Bezeichnung, die für die Taufe verwendet wird: Es ist ein untilgbares Prägemal.

Michael King | JVA Herford

 

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