In Wien haben die Vereinten Nationen ein Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung. Es ist das UN Office on Drugs and Crime (UNODC). Mit der Verbrechensbekämpfung befasst sich die Kommission für Verbrechensverhütung und Strafrechtspflege (Commission on Crime Prevention and Criminal Justice = CCPCJ). Einmal im Jahr lädt die Kommission VertreterInnen der Mitgliedsländer und Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen (NGO) zur Tagung nach Wien.
Dazu ist die Internationale Kommission der Katholischen Gefängnisseelsorge (Commission of Catholic Prison Pastoral Care – ICCPPC) sowie der weltweite ökumenische Zusammenschluss von GefängnisseelsorgerInnen (International Prison Chaplains Association – IPCA) eingeladen. Die Europabeauftragte der ICCPPC, Doris Schäfer, war für die Katholische Gefängnisseelsorge in Wien vertreten. In der Vollversammlung sitzen die VertreterInnen der Mitgliedsländer alphabetisch geordnet nebeneinander. Fast alle sprechen – mehr oder weniger gut – Englisch. Zulässig sind jedoch Französisch, Spanisch, Arabisch, Russisch und Chinesisch. Die Dolmetscherkabinen sind wie Glaskäfige weit oben über dem Sitzungspodium angebracht. Hinter den offiziellen Mitgliedsstaaten kommen VertreterInnen anderer Staaten. Es kommt es, dass der Vertreter des Heiligen Stuhls neben einem Vertreter der Palästinenserregierung sitzt. Den Abschluss in den hinteren Reihen bilden die Nichtregierungsorganisationen (NGO).
Mindestgrundsätze für Gefangene
In diplomatisch perfekter Sprache, mit freundlichem Gesichtsausdruck, einladenden Gesten und äußerst höflichen Anreden behandeln gut gekleidete Menschen Themen, bei denen aus Sicht der Kommission oder eines oder mehrerer Staaten Rede- oder Handlungsbedarf besteht. Es geht vor allem darum, wie man Kriminalität verhindern kann oder wie der Strafvollzug verändert oder verbessert werden muss. Bei der Tagung in Wien 2023 ging es um weltweite Fluchtwege und um den Menschenhandel, um länderübergreifende Kriminalität, um den Tod im Gefängnis, überfüllte Haftanstalten, die Möglichkeit für alle, einen Verteidiger zu bekommen, Strafrechtsreform, globale Trends in den Gefängnissen, die Praxis von Kinderhochzeiten, der weiblichen Genitalverstümmelung und die Inhaftierung von Frauen im Iran. Gesprochen wurde über die Nelson Mandela Rules, den Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen oder die UN-Bangkok Rules, den Regeln der Vereinten Nationen für die Behandlung weiblicher Gefangener. Beide Grundsätze wurden in früheren Jahren von der UN-Vollversammlung verabschiedet.
Viele Länder mit Projekten präsent
Bei der Vollversammlung der Kommission in Wien hören die NGO’s zu und können sich ein Bild machen, welche Länder anwesend sind, sich zu Wort melden und welche Anliegen sie einbringen. Unerwartet waren Projekte aus Kirgistan, Turkmenistan oder Kasachstan, interessant dagegen das große Engagement von Thailand, wo es ein „Institute of Justice“ gibt, das sehr rege zu sein scheint. Aber ebenso NGO’s aus Pakistan, dem Iran, dem Libanon, den Philippinen oder aus Kambodscha ließen Asien als sehr präsent erscheinen. Erwartbar dagegen war der Einfluss der USA oder das Gewicht von Südafrika und Kenia für den afrikanischen Kontinent. Für Europa waren es hauptsächlich die Skandinavischen Länder, die sich vernehmbar einbrachten. Neben dem Zuhören konnte man in den Pausen einzelne VertreterInnen ansprechen, um Kontakte aufzubauen, zu pflegen oder zu vermitteln.
Institut gegen Folter in Dänemark
Vor den Sitzungen der Vollversammlung und in der Mittagspause finden sogenannte Side Events, flankierende Veranstaltungen, statt. Dort verbinden sich NGO’s untereinander oder mit einzelnen Mitgliedsstaaten, ein spezifisches Thema vorzustellen. Meist geht es dabei um „best practises“ in Bezug auf die angesprochenen Probleme. Dort kann man erfahren, dass es in Dänemark ein Institut gegen Folter gibt, das sich auch mit überfüllten Gefängnissen befasst. Oder man kann eine Mitarbeiterin des brasilianischen Justizministeriums über das Problem von Rassismus im Justizsystem sprechen hören und sie mit der Gefängnisseelsorge in Brasilien in Kontakt bringen. Eine weitere NGO, Penal Reform International, die in London ihren Hauptsitz hat, befasst sich mit dem Thema des Todes im Gefängnis und hat dazu eine Broschüre herausgegeben.
Mit anderen Akteuren verbünden
“Vor lauter Themen, Händeschütteln, Visitenkartentausch, Raumsuche, Abkürzungen (CCPCJ, ICCPPC, IPCA, UNODC, TIJ, FGM…) und fremden Sprachen kann einem schwindelig werden”, erzählt die Europavertreterin Doris Schäfer. “Wenn man die jährliche Einladung sinnvoll nutzen will, muss man das Programm genau studieren und sich auf einzelne Themen oder Personen konzentrieren. Gut ist es, sich mit anderen Akteuren zu verbünden, um sich gemeinsame Ziele zu stecken und eventuell – Monate vorher – einen Side Event zu organisieren. Wichtige Verbündete für ICCPPC könnten sein: IPCA, der Heilige Stuhl (vertreten durch das Staatsekretariat), andere NGO’s aus dem religiösen oder menschenrechtlichen Bereich oder einzelne Staaten, mit denen man in Justizangelegenheiten Gemeinsamkeiten findet oder herstellen will”, führt Schäfer über die UN-Tagung in Wien aus.
Doris Schäfer | Leiterin Arbeitsgemeinschaft International und Europabeauftragte der ICCPPC
Ein herzliches Dankeschön an den Vorstand der Katholischen Gefängnisseelsorge in Deutschland e.V., der den Besuch finanziell unterstützt und ermöglichte.