Vermutlich ist das Bistum Mainz die einzige Diözese, in dem der „Tag der Gefangenen“ jedes Jahr Anfang Juli begangen wird. Im Heiligen Jahr 2000 hat diesen Tag Papst Johannes Paul II eingeführt. Am zweiten Sonntag im Juli soll der Blick vieler Menschen auf die Lebensgeschichten inhaftierter Frauen, Männer und Jugendlichen sowie auf deren Angehörigen gerichtet werden. Trotz aller Schuld sind TäterInnen Menschen…
Dieses Bewusstwerden hat einen tiefen Sinn. Das Gebet soll die Gefangenen begleiten und eine Spende die GefängnisseelsorgerInnen unterstützen. In der hessischen Justizvollzugsanstalt (JVA) Butzbach wird der „Tag der Gefangenen“ jährlich mit einer Festmesse und einer anschließenden Begegnung begangen. Es kommen ein Festprediger und einige Gäste aus der katholischen Ortsgemeinde St. Gottfried. Auf diese Weise spüren die Inhaftierten, dass sie – jedenfalls bei einigen Zeitgenossen – nicht aus dem Blick geraten sind.
Gott sieht in jedem einzigartige Person
Am zweiten Sonntag im Juli 2023 besuchte Bischof Peter Kohlgraf aus Mainz die Anstalt, um die Heilige Messe zu zelebrieren und die Festpredigt zu halten. Er kam gerne, das war spürbar. Vor fünf Jahren war Bischof Kohlgraf schon einmal im Butzbacher Gefängnis und hatte damals mit den Gefangenen den Weihnachtsgottesdienst gefeiert. Schon zu Beginn betonte er an diesem „Tag der Gefangenen“, dass Jesu Begegnung mit den Menschen zeige: „Gott sieht im Menschen nicht den Bischof oder den Gefangenen, nicht den Pater oder den Anstaltsleiter oder die Chorleiterin – er sieht die einmalige und einzigartige Person.“ Neun Männer und Frauen aus St. Gottfried und rund 30 Gefangene sowie Bedienstete waren der Einladung zu diesem besonderen Gottesdienst gefolgt. Mit dabei waren außerdem der Anstaltsleiter Uwe Röhrig sowie neun Sänger des JVA-Kirchenchores unter der Leitung von Marion Bathe.
Gespräche bei Eiskaffee und Plätzchen
In seiner Predigt sagte Bischof Kohlgraf: „Mein Glaube ist eine Gegenwelt zu dem, was unter uns Menschen normal ist; eine Gegenwelt zu Macht und Gewalt. Jeder Mensch ist Kind und Ebenbild Gottes. Er macht uns frei und groß.“ Seine Ausstrahlung und seine Worte beeindruckten die bunte Gemeinde. Der JVA-Kirchenchor gestaltete den Gottesdienst mit mehreren Stücken mit, besonders ein Solo eines Sängers fand viel Resonanz. Ein Zeichen für die gute ökumenische Zusammenarbeit der Seelsorge in der JVA ist, dass die evangelische Gefängnisseelsorgekollegin, Pfarrerin Barbara Zöller, die Fürbitten formulierte und vortrug. Nach dem Gottesdienst gab es eine Begegnung zwischen den Gefangenen und den Gästen. Dafür nahm sich der Bischof Zeit und ließ die Menschen spüren, dass für ihn die Feier im Gefängnis keine Pflichtübung, sondern eine bewusste Entscheidung für einen „öffentlichen Akzent“ war, wie er selbst sagt. Die lebhaften Gesprächen bei Eiskaffee und Plätzchen zeugen davon.
Aufmerksam machen
Neu wurden für alle Kirchengemeinden und Einrichtungen des Bistums Mainz drei Plakate angefertigt, um auf den „Tag der Gefangenen“ aufmerksam zu machen und zu motivieren, sich zu beteiligen. Farblich ansprechend gestaltet, tragen sie jeweils die Aufschrift „ENTWEDER UND ODER“, „SCHWARZ UND WEISS“, „TROTZ ALLER SCHULD – MENSCH“. Durch die Verfremdung von gewohnten Aussprüchen können die Textbilder festgefahrene Meinungen aufbrechen und zu einem neuen Blick auffordern. Dies versucht die Gefängnisseelsorge tagtäglich, in der Erwartung im nächsten Jahr wieder den „Tag der Gefangenen“ als ein besonderes Fest feiern zu können.
P. Georg-D. Menke op | Dominikaner und Pfarrer an der JVA Butzbach
1 Rückmeldung
…und niemals die Opfer und Geschädigten von Straftaten vergessen!