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Ständig daran erinnert, dass Du eingesperrt bist…

26. August 2023

Als ich mich neulich für ein paar Tage in einer JVA umgeschaut habe, gab es viele Erfahrungen und Erlebnisse, die sehr eindrücklich und auch oft beklemmend waren. Zum Beispiel das dauernde Öffnen und Schließen von Türen. Alle paar Meter steckte der Gefängnisseelsorger wieder seinen großen Schlüssel in irgendein Schloss und drehte knirschend und krachend den Schlüssel um. Tür auf. Krackkrack. Tür zu. Krackkrack.

Häftling am Fenster der Jugenstrafanstalt (JSA) Regis-Breitingen. Foto: Imago

Fenster zugehangen

Egal, ob Toilette, Büro, Zwischentüren, Kirchentüren – und vor allem die Zellentüren der Inhaftierten. Es ist ein seltsames Gefühl, die Macht zu haben, eine Zellentür zu öffnen und auch wieder zu schließen. Rein oder raus – es hängt von dir und deinem Schlüssel ab. Das ist schon krass. Die meisten Inhaftierten haben ihr Zellenfenster mit Handtüchern und Bettlaken zugehangen. So erschienen mir viele Zellen wie dunkle Höhlen. Einmal habe ich einen Gefangenen gefragt, warum das so sehr unter ihnen verbreitet sei. Damit nehme man sich doch Luft, Licht und den Blick in den Himmel. Er sagte, einmal sorge es für ein bisschen Kühle im heißen Sommer. „Aber noch wichtiger ist: Wenn du jeden Tag auf die Gitter deines Fensters guckst, dann wirst du ständig daran erinnerst, dass du eingesperrt bist. Und dann denkst du daran, was du alles nicht hast und wen du vermisst und wohin du gerade nicht gehen kannst. Und viele können das einfach nicht ertragen. Dann hängen sie lieber das Fenster zu.“

Ausgerechnet diesem Heißsporn!

Daran musste ich denken, als ich das Evangelium gelesen habe, was wir am Sonntag im Gottesdienst hören. Ein Klassiker. Jesus übergibt Petrus die Schlüssel zum Himmelreich. Als wir mit dem Vorbereitungskreis bei mir in der Küche darüber nachgedacht haben, da haben wir festgestellt: Ausgerechnet diesem Heißsporn! Der sich mit Fischen auskannte – aber sonst? Und der vor allem Jesus verraten hat, als es auf Solidarität angekommen wäre! Und wir haben überlegt: Warum zeigt Jesus ausgerechnet auf diesen doch ehe unzuverlässigen Menschen?

Sehnsucht auf „Himmel“ nicht verlieren

Vielleicht, weil es nicht so wichtig ist, was einer ist, was er darstellt. Sondern wovon er überzeugt ist. Und Petrus ist davon überzeugt, dass Jesus der ist, der Gott und Schöpfung in unverbrüchlicher Verbindung hält. Und der Gottes Zuwendung durch alle Tiefen und über alle Grenzen (der Menschen) hinweg erfahrbar macht. Durch alle Tiefen,, das bedeutet: Es ist wichtig, auch in diesen Zeiten die Hoffnung und die Sehnsucht auf den Himmel nicht zu verlieren.

Und deswegen braucht es Menschen, die auch heute voller Zuneigung und Überzeugung den Himmel aufschließen. Zum Beispiel in einem Gefängnis, einem Ort, wo Vertrauen und Hoffnung oft total verbraucht sind. Aber nicht nur dort. Sondern die eben da, wo sie sind die Menschen unterhaken. Den Nebel lichten. Die Tür freiräumen. Ein Fenster aufstoßen. Luft reinlassen. Menschen verbinden und Schwierigkeiten lösen.

Peter Otten | Köln

 

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