Das Lied, dass ein Singer-Songwriter aus der Justizvollzugsanstalt Würzburg komponiert hat, ist für das Corona-Jahr besonders passend. Ein Weihnachtsfest, welches man nicht im Kreis der gesamten Familie feiern kann. Für viele ist dies eine emotionale Herausforderung. Für diejenigen im Gefängnis ist es jedes Jahr das Gleiche: Keine Familie, distanziert von der übrigen Welt, ein wirklich reduziertes Weihnachten. Davon musste der Songwriter Herr B. bereits ein paar mitmachen. Hier erzählt er von seinen Gedanken.
Mich hat ein Weihnachtslied begleitet, das für mich von besonderer Bedeutung ist: „Es wird nicht immer dunkel sein“. Es ließ mich bereits öfter darauf besinnen, worauf es an diesem Tag wirklich ankommt und dass es immer Hoffnung gibt. Gerade in der tiefsten Dunkelheit lernt man jedes kleine Licht zu schätzen; viel zu oft nehmen wir all das Gute und all die schönen Momente in unserem Leben als selbstverständlich hin. Aber Krisenzeiten lehren uns wieder Demut, Dankbarkeit und Achtsamkeit; das gilt für uns im Gefängnis wie für alle da draußen, die aufgrund der Pandemie mit Einschnitten in ihr Leben zu kämpfen haben. Es liegt ein kräftezehrendes Jahr hinter uns allen, aber glaubt mir, es wird nicht immer dunkel sein; ich weiß, wovon ich spreche.
Lieder des Verarbeitens
Das Lied “Danke” habe ich selbst geschrieben als Dank an alle Menschen, die sich in irgendeiner Form für andere einsetzen oder einfach nur Tag für Tag ihrer Arbeit nachgehen. Besonders im Moment ist es wichtig, danke zu sagen, weil sich in der Corona-Pandemie viele für andere verausgabt haben. Ich habe dieses Lied geschrieben, weil ich sonst wenig Möglichkeiten habe, anderen meinen Dank zu zeigen. Als das Corona-Virus ausgebrochen ist, habe ich mich ohnmächtig gefühlt, denn ich konnte nicht „mit anpacken“, ich konnte nichts Großartiges unternehmen hier hinter Gittern, ich konnte nur mitzusehen, wie sich die Lage entwickelte, und hoffen und beten, dass es nicht allzu schlimm wird. Währenddessen haben sich unzählige Menschen in unserem Land und auf der ganzen Erde gegen die Pandemie und ihre Folgen gestellt: das Personal in den Gesundheitsämtern, in den Krankenhäusern und Arztpraxen, alle MitarbeiterInnen in den öffentlichen Diensten, LehrerInnen und PädagogInnen, die unter widrigen Bedingungen weitermachen mussten, KassiererInnen, die am Anfang nicht einmal einschätzen konnten, wie groß das Risiko sein könnte, aber durchgehalten haben, all die Ehrenamtlichen und viele weitere, die diesem Virus getrotzt haben. Nach wie vor tun das viele und manche sind schon vor Corona an ihr Limit gegangene, um „unseren Laden am Laufen zu halten”. Mein Geschenk ist ein Dank in Form eines Liedes. All jenen, denen Hilfsbereitschaft und Solidarität etwas bedeutet, ist dieses Lied gewidmet. Vielleicht kann ich nicht viel tun, aber ich bin dankbar, an dieser Stelle zu singen.
Herr B. | JVA Würzburg
Fest der Familie ohne Familie
Weihnachten im Gefängnis – für viele Gefangene ist das eine sehr dunkle Zeit. Feiertage im Knast sind schon während des Jahres kein Spaß, weil der Alltag mit seinen Abwechslungen wegbricht und jede und jeder mit sich alleine in der Zelle sitzt und darauf wartet, wie die Zeit vergeht. Weihnachten ist besonders hart: das Fest der Familie ohne Familie! Manche versuchen sich mit festlicher Musik oder weihnachtlichen Filmen künstlich in die richtige Stimmung zu bringen. Andere reagieren fast allergisch auf alles, was nach Weihnachten riecht oder schmeckt, sperren ihre Gefühle für einige Wochen weg und versuchen cool zu bleiben. Das Corona-Jahr verwischt den Unterschied zwischen „drinnen“ und „draußen“. Denn auch vor der Mauer blicken in diesem Jahr viele Menschen mit bangem Herzen auf die Festtage und müssen auf Familienfeiern und Freundestreffen verzichten.
Die Gefangenen können gut nachvollziehen, wie das die Laune runterzieht. Aber sie haben auch Übung darin, sich nicht unterkriegen zu lassen. Sie sind froh, in diesem Jahr mit ihrer Erfahrung anderen helfen zu können. Sie haben bereits erlebt, dass nach jeder Nacht wieder ein Morgen anbricht, und sie wissen, dass man reifer aus dunklen Stunden hervorgehen kann. Bei vielen ist auch das stille Vertrauen gewachsen, dass sie nie ganz alleine sein werden, dass Gott sie nie enttäuschen wird und dass es sich lohnt, auf das kleine Kind im Stall zu setzen. Wer einmal ein „anderes“ Weihnachten, abseits von Konsum und äußerlichem Glanz, feiern musste – oder vielleicht soll man sagen: durfte –, dem wurde und wird die Chance geboten, mit der Wurzel dieses Festes in Berührung zu kommen. Die Gefangenen der JVA Würzburg fühlen sich in diesem Jahr mit den Menschen „draußen“ besonders verbunden. Einige haben Grußkarten gebastelt, die sie an alte, kranke oder auch als Dank an engagierte Menschen verschicken, andere haben Lieder aufgenommen. Sie wollen so mit ihrer Zuwendung zu den Menschen „draußen“, ihren Erfahrungen mit einem anderen Weihnachten und ihren Begabungen Freude und Hoffnung zu schenken.
Doris Schäfer, Monika Schraut, Georg Ruhsert | JVA Würzburg