parallax background

Auszeichnung: Die Kraft der Musik hinter den Gittern

21. November 2025

Musik steht im Übergangshaus im ehemaligen Karstadt-Gebäude der Hansestadt Lübeck im Fokus. Dieser Ort ist Teil der städtischen Initiative „Übergangsweise“ und versteht sich als offener Treffpunkt. Hier treffen sich für zwei Tage Menschen, die im Justizvollzug arbeiten oder leben. Sie ermöglichen hinter Gittern durch Musik neue Zugänge. Musik ist ein Teilaspekt im Prozess der Resozialisierung für die kaum erreichbare Zielgruppe von straffällig gewordenen Menschen.

VertreterInnen der ausgezeichneten Musikbeiträge:: JVAen Zeithain, Herford, Hahnöfersand, Aachen, Dortmund, Regis-Breitingen, Kassel, Lübeck, Neumünster, JAA Moltsfelde sowie der Maßregelvollzug Uchtspringe (Sachsen-Anhalt).

Die Personen hinter dem Preis: Für die Stiftung Passehl Birgit Reichel, Dr. Andreas Heye von der Universität Bielefeld, die Musiktherapeutin der Einrichtung in Uchtspringe Sandra Sinsch sowie Prof.in Dr. Annette Ziegenmeyer von der Musikhochschule Lübeck.

Mashood Khan im Gespräch mit dem Abteilungsleiter der JAA Moltsfelde in Schleswig-Holstein.

Im Rahmen des Projekts „AUFTAKT – Musik als Entwicklungsressource für die Resozialisierung straffällig gewordener Jugendlicher und Heranwachsender“ findet die Netzwerktagung „Kulturelle Teilhabe im Strafvollzug: Fokus Musik“ in Lübeck statt. Die zweitägige Veranstaltung bietet vielfältige Impulse aus Theorie und Praxis sowie eine interdisziplinäre Plattform zum Austausch über Bedeutung und Potenziale kultureller Teilhabe am Beispiel von Musik im Strafvollzug. Ein zentrales Ziel der Tagung ist die Sichtbarmachung des Handlungsfeldes, die Vernetzung von den tätigen AkteurInnen sowie die Entwicklung gemeinsamer Perspektiven für eine kulturbasierte Förderung straffällig gewordener Menschen. Musik in den Justizvollzugsanstalten ist mehr als eine Freizeitbeschäftigung. Empirisch ist nachgewiesen, dass durch Gesang und Musizieren jeglicher Art unter anderem prosoziale und nicht delinquente Verhaltensweisen eingeübt werden können. Die Auseinandersetzung mit sich selbst und der Welt wird dadurch unterstützt. Von daher ist Musik der Bestandteil eines „Behandlungsprogramms“. Prof. i.R. Dr. Philipp Walkenhorst sagt: „Es geht um Entwicklungsförderung und nicht um Freizeitbeschäftigung“, betont der erfahrene Sozialwissenschaftler und Teilnehmer der Tagung.

Kleine große Knastmusik

Die Jury des Contests „Die kleine große Knastmusik“ hat aus zahlreichen bundesweiten Einsendungen Awards mit verschiedenen Musikrichtungen ausgezeichnet. 11 Beiträge aus sechs Bundesländern erhalten neben der Urkunde ein Preisgeld. Unter den Preisträgern ist das RAP Projekt der JVA Herford in Ostwestfalen. Der Gefängnisseelsorger und Initiator dieses Musikangebots im Jugendvollzug, Michael King, nahm stellvertretend für die inhaftierten Jugendlichen den Preis „Best Practice“ entgegen. „Musik wird im Jugendvollzug der JVA Herford als Freizeitmaßnahme angeboten. So gibt es neben dem Klavierunterricht des Erziehungswissenschaftlichen Dienstes eine Musikband, die in Kooperation mit der Musikschule Herford und dem Verband der Musikschulen seit 2014 als Musikprojekt läuft“, führt King aus. Laut einer Datenanalyse von Prof. Dr. Annette Ziegenmeyer von der Musikhochschule Lübeck aus dem Jahr 2021 bietet die Gefängnisseelsorge fast  50 % der Angebote in den Gefängnissen bundesweit an. Dahinter folgt der Allgemeine Vollzugsdienst mit 27 % und der Pädagogische Dienst mit 20 %. RAP-Musik, Hip Hop sowie Rock sind als Musikgenres an den ersten drei Stellen.

Mashood Khan: „Rap hat mein Leben gerettet“

Die über 50 Teilnehmenden und die interessierte Öffentlichkeit bekommt in einem Podiumgespräch einen Einblick in die vielfältigen Möglichkeiten der Ausgestaltung kultureller Teilhabe im Strafvollzug in Schleswig-Holstein. Einrichtungen des Strafvollzugs wie die des Jugendarrestes Moltsfelde, der JVA Lübeck mit dem Chor, der Rechtsfürsorge e.V. Resohilfe sowie der musikalischen Begleitung in der JVA Neumünster präsentieren sich und gewähren Einblicke in ihre Arbeit vor Ort. Im Anschluss daran zeigt Mashood Khan, ehemaliger Strafintensivtäter und heute Sozialpädagoge aus Norderstedt, den Präventionsfilm „Zurück ins Leben“, der seine eigene Geschichte darstellt. Der Sohn einer pakistanischen Familie, der in Schleswig-Holstein geboren ist, wird in den Jugendjahren kriminell. Mashood Khan war Gangmitglied. Er wurde mehrfach von der Polizei festgenommen wegen Körperverletzung, Raub oder Hehlerei.

Authentisch erzählt er von seinen Erfahrungen und mahnt an, dass die Diagnose ADHS nicht unbedingt negativ sein muss. Der Ausdruck in RAP-Musik hat ihn mit seiner Persönlichkeit und seiner kulturellen Herkunft beschäftigen lassen. Dies allerdings erst ernsthaft nach dem Tod seines Vaters. „Entweder Familie oder Straße“, so hat der Vater ihn immer wieder ermahnt. „Die ersten kulturellen Unterschiede erlebte ich im Kindergarten.. Zuhause durfte ich kein Weihnachten feiern, hier war ich Muslime, obwohl ich keinen Bock darauf hatte“, führt der Sozialpädagoge aus. Khan war ein auffälliger impulsiver Schüler. „Ich wurde kriminell und erfuhr die Anerkennung auf der Straße“, sagt er. „Wir haben Deutsch-Rap gesungen“, führt Khan aus. Damals war Rap immer mit Kriminalität verbunden. Heute hat sich das größtenteils aufgelöst. Keine pädagogische Person kam an ihn heran, nur die Musik eröffnete neue Welten.

Kraft der Musik

Am Samstag steht die Ausgestaltung von Musikangebote im Kontext des Strafvollzugs im Fokus: Mitglieder des AUFTAKT-Netzwerks präsentieren methodische Anregungen und fachspezifische Inputs, die die Umsetzung und Weiterentwicklung musikalischer Projekte in Justizvollzugsanstalten fördern. Ergänzt wird das Programm durch musikalische Beiträge von Menschen in Haft oder Arrest, die eindrucksvoll zeigen, welche Kraft Musik auch hinter Gittern entfalten kann sowie Gelegenheiten für persönliche Gespräche und regen Austausch. Die Tagung wird vom AUFTAKT-Projektteam Prof. Dr. Annette Ziegenmeyer (Musikhochschule Lübeck), Julia Peters (Wissenschaftliche Mitarbeiterin) und Dr. Andreas Heye (Universität Bielefeld) moderiert und markiert einen bedeutenden Meilenstein für ein neu entstehendes Netzwerk. Dieses soll AkteurInnen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum zusammen bringen, die sich mit dem Thema „Musik im Strafvollzug“ beschäftigen. Es soll ihre Arbeit sichtbar machen und den Austausch von Wissen, Perspektiven und Erfahrungen fördern. Den feierlichen Abschluss der Tagung bildet die offizielle Gründung des „Netzwerks AUFTAKT“.

Michael King

 

Feedback 💬

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert