Die Bistumspresse hat in den zugehörigen regionalen Magazinen eine Rubrik eingeführt mit dem Titel: „Wenn Kirche guttut!“ Hier erzählen Menschen von ihren Erfahrungen. Mit dabei ist ein Mann aus der Justizvollzugsanstalt Lingen, der von seinem Kontakt zur Gefängnisseelsorge berichtet. Die Kirche sei ihm eine große Stütze im Gefängnis geworden. „Die Seelsorger sind die einzigen bei denen man sich etwas von der Seele reden kann“, sagt er.
„Trotz aller negativen Schlagzeilen und Skandalen gibt es die Überraschung des Positiven, dass Kirche guttut. Dafür setzte ich mich in meinem Alltag als Priester und Gefängnisseelsorger sein“, sagt Frank Kribber. Der Gefangene, Markus Jansen* (41), zeigt voll Stolz die Uhr an seinem Handgelenk. „Die hat mir Herr Kribber geschenkt“, sagt er, „damit ich pünktlich zu meinen Diensten komme.“
„Es tut mir wirklich leid…“
Zu seinen Diensten gehört: Mahlzeiten austeilen, Toiletten putzen, Flure wischen. Jansen ist Häftling und sogenannter Hausarbeiter in der Justizvollzugsanstalt Lingen im Landkreis Emsland; Frank Kribber ist Gefängnisseelsorger. „Das ist schon ein riesengroßes Privileg“, sagt Jansen. „Dass man wegen dieser Dienste einfach, wenn man möchte, aus dem Haftraum rausgehen kann.“Jansen erinnert sich noch gut an seinen ersten Tag in Haft: „Man kannte das zwar aus dem Fernsehen, aber da mittendrin zu sein und den Freiheitsentzug selber zu spüren, das war erdrückend.“ Wegen Drogenhandels im Internet sitzt er eine Strafe von knapp fünf Jahren ab. Er habe Schulden gehabt, eine „Affinität zu diesem digitalen Zeug“ und sah darin das schnelle Geld. „Irgendwann waren meine Schulden weg, aber die Hemmschwelle ist so extrem gesunken, dass ich einfach weitergemacht habe.“
Um sein Gewissen zu beruhigen, redet er sich hin und wieder ein, dass seine Kunden das Zeug auch woanders gekauft hätten, dass er nicht an ihrem Drogenkonsum schuld sei. „Aber man kann sich auch alles schönreden“, sagt er. „Ich bin mittlerweile so reflektiert, dass es mir wirklich leidtut, was ich getan habe.“ Dabei denkt er an die Menschen, die die Drogen bei ihm gekauft haben, aber auch an sich selbst. Denn während der Haft ist seine langjährige Beziehung zerbrochen. Und sein älterer Bruder ist gestorben. „Ich habe mir selber die Möglichkeit genommen, noch Zeit mit ihm zu verbringen“, sagt Jansen.
Mit Gott gebrochen
Der Verlust habe in ihm Zweifel ausgelöst – Zweifel an Gott. Warum musste ausgerechnet sein Bruder sterben? Zu den Gottesdiensten ging er in dieser Zeit nicht mehr, obwohl ihm die Kirche im Gefängnis eine große Stütze geworden war. „Ich habe mit Gott momentan gebrochen“, habe er zu Kribber gesagt. Nur an der wöchentlichen Kirchengruppe, in der sie spielen oder mal einen Film schauen, nahm Jansen weiter teil. Zwischen Tür und Angel sei er mit Kribber ins Gespräch gekommen – auch über den Tod des Bruders. „Ich habe damit gerechnet, dass er sowas sagt wie: Gottes Wege sind unergründlich“, sagt Jansen. „Hat er aber zum Glück nicht.“ Stattdessen habe er mit Verständnis und pfiffigen Sprüchen reagiert. Einer sei ihm besonders im Ohr geblieben: „Gott ist kein Wunschautomat – Gebet rein, Lösung unten raus.“
Diese kleinen Momente bedeuten Jansen viel. „Hier kann man nicht einfach zu einem Häftling gehen und sich dort das Herz ausschütten. Die Seelsorger sind die einzigen, bei denen man sich etwas von der Seele reden kann“, sagt er. Sie seien ein Ventil, das die Stimmung im Gefängnis verbessert. Dass Kribber in jedem Häftling den Menschen und nicht nur die Straftat sehe, findet Jansen beachtlich: „Das wäre für mich eine große Herausforderung. Sexualstraftäter, Pädophile und Mörder gleichzubehandeln.“ Noch dazu könnten die Seelsorger materiell helfen. „Im Gefängnis gibt es Leute, die sind finanziell schwächer gestellt“, sagt Jansen. Die hätten keine Familienmitglieder oder Freunde, die sie unterstützen. „Wenn man wirklich total abgebrannt ist oder niemanden hat, dann kann man sich an die Pastoren wenden.“ Dann bekommt man Tabak, Kaffee oder auch mal ein Kleidungsstück. Für Jansen organisierte Kribber eine Grabkerze, die er nach dem Tod seines Bruders zum Grab bringen durfte. „Er ist für das Menschliche da“, sagt Jansen.
Jasmin Lobert | * Name geändert
Der Artikel ist zuerst am 14.9.2025 in den Magazinen der Verlagsgruppe Bistumspresse erschienen.