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Shawna Forde wurde in Arizona zum Tode verurteilt

17. September 2020

Haben Sie schon einmal mit einem Menschen gesprochen, der mit der Todesstrafe belegt ist? Shawna Forde ist eine Frau, die in der Todeszelle in Arizona auf die Vollstreckung wartet und weiter kämpft. 1973 legte der Bundesstaat Arizona die rechtlichen Grundlagen zur Wiedereinführung der Todesstrafe. Die Giftspritze wurde zur einzigen Hinrichtungsmethode erklärt. Zwischen 1992 und 2014 wurde die Todesstrafe in Arizona 37 Mal vollstreckt. Forde hat einen erneuten Revisionsantrag gestellt.

Du hast fast acht Jahre in Isolationshaft gelebt. Was war das Schlimmste für Dich in dieser Zeit?

Jeder Tag ist ein Kampf für mich. Ich jage den ganzen weißen Gerechtigkeit nach. Die Isolationshaft brachten mich auf Ebenen, die ich niemals vorher entdeckt hatte. Der schlimmste Teil war die Unmenschlichkeit, die von Menschen erfunden und aufrecht gehalten wird. „Sie machen doch nur einen Job“, hört man, doch die Wirklichkeit ist hart. Gezielte Gleichgültigkeit den Gefangenen gegenüber. So legen sie uns Fesseln und Handschellen an beim Gang zum Duschen an nur drei Türen vorbei. Die einzige Freiheit liegt in meiner Zelle. Sie ist die ganze Existenz ohne menschlichen Kontakt. Jahr für Jahr… Stille Tränen, die nie zu hören sind, wenn das sprachlose Wispern Gottes deine Seele durchdringt, um noch einen weiteren elenden Tag überstehen zu können.

Was hat Dich motiviert, auf den nächsten Tag zu hoffen?

Ich glaube Gott sandte seine Soldaten zu mir, auch wenn sie es nicht wussten, aus Deutschland und Frankreich. Leute wie das Ehepaar Toedt bei Würzburg. Sie gaben mir Liebe, um mich durch den Tag zu bringen. Ein Segen, der gerade dann kommt, wenn Du ihn am meisten brauchst. Wie ein zugesandtes Buch, das mir Mut für einen weiteren Tag gibt. Meine Brieffreunde schieben mich an den Tisch, um zu schreiben und meine Erfahrungen über menschliche Freundlichkeiten mitzuteilen, über geben und nehmen. Seit 2017 endete die Isolationshaft. Auf dem Hof bin ich mit ca. 190 anderen Gefangenen. Viele kenne ich aus dem „Loch“, dem strengsten Gewahrsam. Die Aufseher nehmen keinerlei Rücksicht auf uns und auf unsere Sicherheit sowie psychische Gesundheit. „Komm damit klar“ ist das Mantra des Gefängnisarztes. Traumata entstehen. Sich Respekt zu verschaffen ist alles. Die Anführerinnen und vernünftigen Gefangenen sind meine Familie.

Wie lange hast Du gebraucht, um Dich an die Regeln im Gefängnis zu gewöhnen?

Für 24 Stunden am Tag in einer Einzelzelle geworfen zu sein? Da ist es erstaunlich, wie sich die Regeln täglich ändern. Was Du alles haben kannst, wie Du im Rekordtempo ausgezogen wirst. Es ist das unorganisierteste, schlechteste System, das jemals existiert hat im amerikanischen Justizsystem. Ich kann monatelang nicht in den Hof kommen, nur um zu verhindern, dass ich mit irgendjemanden dort Geschäfte machen könnte. Ich meide den Hof so gut es geht. Die einfachsten Menschenrechte werden ausgehebelt und muss ich einklagen.

Hattest Du vor Deiner Verhaftung einen großen Freundeskreis?

Ja, doch nach meiner Festnahme fühlte ich mich verlassen. Die Menschen glaubten den Medien, egal wie falsch die Berichte auch waren. Selten nehmen sie sich Zeit, die angeführten „Fakten“ und die vermeidliche „Wirklichkeit“ zu überprüfen. Sie sehen die optische Aufmachung und schon steht ihre Meinung fest. Als Angeklagte muss man schweigen und sich nicht öffentlich verteidigen. Es ist eine einseitige negative Geschichte und die Freunde rennen weg

Du lebst in der Todeszelle. Wie wirst Du dort behandelt?

Wie soll ich behandelt werden, als eine zum Tode verurteilte Person? Grauenhaft! Ich schaue fern, lese, schreibe und spiele Karten. Ich bekomme drei Stunden am Tag Aufschluss. Außerdem zeichne ich, arbeite an schriftlichen Projekten und streite mit Gott.

Kann man im Gefängnis Freundschaften schließen?

Die richtige Frage wäre, ob Du ein Freund sein kannst und ob Du selbst eine stabile Person bist. Wo immer Du bist, wirst Du Freunde anziehen. Es gibt „die kleine Mutti“ für den Irrtum im Gefängnis. Die Realität entlarvt dich. Es gibt keine zweite Chance im Spiel hier drin.

Wie war es bei Deiner Verhaftung?

Es war Entsetzen und Schock. Ich wurde irrtümlicherweise beschuldigt. Am Tag meiner Verhaftung war ich an der US-mexikanischen Grenze auf meiner Ranch, um die letzten Vorbereitungen für ein bevorstehendes Filmprojekt zu treffen. Als ich zurück fuhr, wurde ich von mehreren Wagen überholt und eingekeilt. Ich bemerkte einen Helikopter über mir. Man befahl mir, aus dem Auto zu steigen. Es waren mehrere hochmoderne Schnellfeuergewehre mit Zielfernrohren auf mich gerichtet. Ich war wütend und verwirrt zugleich. Erst dachte ich, dass aufgrund der abgeschiedenen geographischen Lage meiner Ranch, eine Hausdurchsuchung wegen Drogenschmuggels stattfinden soll. Ich hielt das alles für übertrieben. Doch dann bemerkte ich, dass es das FBI und mehrere Bundespolizisten waren. Ich war keine Kriminelle und hatte nie etwas getan, was dieser Aufwand gerechtfertigt hätte.

Als sie mir sagten, ich sei verhaftet wegen Mordes und sie mich verhören wollten, war mir klar, ich muss mich zur Wehr setzen. Die Öffentlichkeit mit all den Lügen traumatisierten mich. Es fühlte sich so unwirklich an. Ich wurde in Einzelhaft verlegt. Die Vorverurteilungen zermalmten mich. Ich behielt aber meine Würde von Beginn an, als ich die Türen des Gefängnisses beschritt. Ich trug einen unsichtbaren Umhang der Ehre und der Wahrheit. Am meisten traumatisiert mich die Kälte des Gefängnisses. Die Anerkennung der „Menschlichkeit“ mit Blick auf eine Rehabilitierung interessiert in Amerika keinen.

Wie fühlst Du Dich als Mensch mit Abruf zum Tod?

Arizona hat einen Hinrichtungsstau. Die letzten Exekutionen dauerten mehr als zwei Stunden. So warten wir jetzt ab, welche Methoden sie entwickeln, um die Todesstrafe besser zu organisieren. In meinem Fall gab es keine Beweise und meine Berufungsunterlagen stellten meine Unschuld heraus. Trotzdem widerfuhr mir diese Ungerechtigkeit. Das amerikanische Justizsystem scheint sich für unehrliche Strafverfolgung und unschuldige Bürger nicht zu interessieren, auch wenn sie in der Todeszelle landen. Ich will mich nicht weiter 10 Jahre mit der Härte des Gefängnisses auseinandersetzen wollen. Ich weiß, es klingt ziemlich krass, ich würde mich eher hinrichten lassen. Ich habe noch Lebensmut und Energie. Es gibt so viele unschuldige Menschen im Gefängnis, warum denn nicht auch ich? Ich habe alles verloren und warte nur noch auf Wunder. Mein Zorn über die Opfersituation lässt mich aufgeben. Doch ich bin eine Kämpferin.

Du hast einen erneuten Revisionsantrag gestellt. Wann rechnest Du mit einem Ergebnis?

Viele Menschen sind verstrickt in Korruption. Unschuldige Menschen ins Gefängnis zu werfen ist grauenvoll und entsetzlich. Menschen wurden ebenso aus der Todeszelle wieder entlassen. Es ist unheimlich, wie schnell Amerika bereit ist, seine eigenen Bürger mit der Todesstrafe zu belegen. Nur damit sie einen Schuldigen präsentieren können. Ein Verfahrensmangel ist die bei der Auswahl der Jury zuweilen festzustellende Rassendiskriminierung, die darin besteht, dass die Staatsanwaltschaft, die eine Reihe potenzieller Geschworener ohne Begründung ablehnen kann, bei der Ablehnung offensichtlich sach- und rechtswidrig die Übereinstimmung der Hautfarbe der Geschworenen mit der des (schwarzen) Angeklagten zum Kriterium macht. Dies wurde vom Obersten Gerichtshof mehrfach beanstandet.

Es ist eine Achterbahn der Gefühle mit Vorfreude auf einen möglichen Absturz. Ich fühle mich einsam und frustriert. Ich möchte hingerichtet werden, wenn ich die beiden nächsten Berufungsverhandlungen verlieren sollte. Im Moment liegt alles auf dem Tisch des Richters in Erwartung einer Entscheidung. Ich gehe von einer Ablehnung aus. Dann geht es zum „Supreme Court“, dem obersten Gerichtshof in Arizona. Von dort erhoffe ich mir die Freilassung. Sollte ich trotzdem verlieren, werde ich das „Federal Appel System“ anrufen. Das ist das Berufungsgericht der Vereinigten Staaten. Eine Entscheidung kann dort schon mal zehn Jahre dauern.

In mehreren Briefen wurde Shawna Forde interviewt. Henry Toedt hat den amerikanischen Text ins Deutsche übersetzt.

 

1 Rückmeldung

  1. katholisch.de sagt:

    Die katholischen Bischöfe in den USA haben die Regierung von Präsident Donald Trump erneut zu einem Hinrichtungsstopp auf Bundesebene aufgefordert. „Wir sagen zu Präsident Trump und Justizminister Barr: Genug. Stoppen Sie diese Hinrichtungen. Hinrichtungen sind völlig unnötig und inakzeptabel“, heißt es in einer Erklärung der US-Bischofskonferenz. Die Trump-Administration habe schon jetzt mehr Hinrichtungen auf Bundesebene durchgeführt als alle Regierungen in den vorangegangenen 60 Jahren. „Seit Juli wurden fünf Hinrichtungen vollstreckt, das sind mehr Hinrichtungen als in jedem Jahr des vergangenen Jahrhunderts. Diese Woche sind zwei weitere Hinrichtungen des Bundes geplant“, erklärten die beiden Erzbischöfe Paul S. Coakley (Oklahoma City) und Joseph F. Naumann (Kansas City).

    Die Erzbischöfe betonten, dass die Kirche den Opfern von Gewalt konkrete Hilfe leisten und die Rehabilitation der Täter fördern müsse; eine „legitime Strafe“ sei Teil des Wiedergutmachungsprozesses. Die Täter müssten Verantwortung für ihr Handeln übernehmen, damit Heilung stattfinden könne. „Hinrichtungen sind jedoch völlig unnötig und inakzeptabel, wie die Päpste Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus allesamt betont haben“, so Coakley und Naumann.

    Die katholischen Bischöfe hatten zuletzt Ende August gegen die kurz zuvor durchgeführte Vollstreckung eines Todesurteils in einem Bundesgefängnis protestiert und einen sofortigen Hinrichtungsstopp verlangt. Justizminister William Barr, ein Katholik, hatte auf Weisung von Präsident Trump darauf gedrängt, die seit 2003 ausgesetzten Hinrichtungen nach Bundesrecht wieder aufzunehmen. Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Regierungsentscheidung im Juli.

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