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Seit 10 Jahren im Todestrakt des Arizona State Prisons

11. Juni 2021

Die USA haben mit rund 2,1 Millionen Strafgefangenen die höchste Anzahl der Welt, noch vor China und Russland. Es sitzen zurzeit etwa 2.600 Menschen in den US-Todeszellen ein und warten auf ihre Hinrichtung. lm Durchschnitt dauert es 20 Jahre bis die Hinrichtung durch Richterbeschluss angeordnet wird. Unter diesen 2.600 Verurteilten befinden sich etwa 50 Frauen. 1,6 % der zum Tode verurteilten Menschen sind unschuldig

Bekanntestes Beispiel hierfür ist die Deutsche Debra Mielke, die 23 Jahre in Perryville einsaß, die letzten Jahre direkt neben Shawna Forde. Seit nunmehr 8 Jahren tauschen wir monatlich einen Brief und mehrere E-Mails mit Shawna aus, es ist ein enges Freundschaftsverhältnis entstanden. Verwandte, Bekannte und die Familie haben sich alle von ihr zurückgezogen, so dass wir ein Teil ihrer sehr kleinen Unterstützerfamilie aus England und den USA geworden sind. Man sagt: „Vor Gericht und auf hoher See ist der Mensch in Gottes Hand.“ In US amerikanischen Gefängniszellen kann man ohne Gottes Gnade gar nicht überleben.

Mein Name ist Shawna Forde

Im März 2011 wurde ich vom Staat Arizona/USA zum Tode verurteilt, nicht als angeklagte Mörderin sondern als angeklagte Drahtzieherin eines tödlich verlaufenen Raubüberfalls auf einen polizeibekannten Drogendealer an der Grenze zu Mexiko. lm Alter von 42 Jahren wurde ich an der Südgrenze Arizonas von FBl-Agenten verhaftet. Ich war eine nicht vorbestrafte Frau. Hier draußen im Nirgendwo wurde ich in jemand verwandelt, der Männer anführt und sie zum Morden anstiftet. Der Gerichtssaal in Tuscon/Arizona war rappelvoll mit Medienvertretern, die alle über dieses öffentlich hochstilisierte Verbrechen berichten und es als Sonnabend-Sensation verkaufen wollten. Unmittelbar zuvor hatte es auf einem Safeway-Parkplatz eine Schießerei gegeben, in deren Verlauf sechs Personen starben, zwei weitere wurden schwer verletzt, ein Richter und die Kongressabgeordnete Gabriel Gifford, befanden sich in einem sehr kritischen Zustand. Mein Rechtsanwalt Eric Larsen kam einige Stunden später nach diesem Vorfall zu mir ins Gefängnis, und sagte, dass mein Prozess eigentlich nicht statt finden dürfe, denn die öffentliche Stimmung war sehr aufgeheizt, er war sich sehr sicher, dass ich aufgrund der vorhergehenden Ereignisse keinen fairen Prozess in Tuscon und Umgebung bekommen würde.

Um es vorweg zu nehmen, die Staatsanwaltschaft hatte null Beweise gegen mich in der Hand für eine Teilnahme an diesem Verbrechen, schon gar nicht Beweisstücke, die ihre Behauptung für mein Mitwirken stützen konnten. Das gesamte Verfahren basierte auf nichts Weiteres als auf ihre erfundenen Fantasiegeschichten. Dementsprechend begann der Staatsanwalt zu lügen und zu betrügen, es wurden Beweise, die mich entlasten konnten, einfach zurückgehalten. Es war eine Showveranstaltung der Staatsanwaltschaft sondergleichen, mit vielen Unwahrheiten und ständigen Verletzungen der Prozessordnung. Das war einfach unglaublich! Selbst einem der Geschworenen wurde es zuviel, so dass er sich freiwillig anbot, einen Bericht darüber zu verfassen und diesen an den Obersten Gerichtshof Arizonas zu schicken. Dieser Geschworene las später meine Einsprüche auf meinem Online-Blog und war immer noch darüber empört, dass der Staatsanwalt die Jury so belogen und ausgetrickst hatte und so dafür sorgte, dass eine unschuldige Frau in die Todeszelle geschickt wurde. Diese Erklärungen sind für jeden von Euch, den es interessiert, auf meinem Online-Blog einsehbar.

Das Urteil am Valentinstag 2011 lautete: Schuldig

Im März des Jahres 2011 wurde ich in das Perryville State Prison, Abteilung Lumley, in Goodyear/Arizona überstellt, in der sich auch die Todeszellen befinden. Mit erhobenem Kopf ging ich tapfer durch das große Tor in meinen neuen Hof, mit starrem Blick und gewillt, mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen, gefesselt an Händen und Füßen, an einem Meer von braunen Uniformen vorbei in meine Zelle im Todestrakt. Viele Jahre in lsolationshaft sollten noch vor mir liegen. Es war eine sehr große Leere in mir, die wahre Erkenntnis meiner Situation legte sich schwer wie Blei auf meine Seele, das Gefühl der totalen Einsamkeit machte sich breit. Ich spürte kaum noch meine Füße. Es war extrem anstrengend, meine letzten Kräfte in dieser kalten, nackten Umgebung zu mobilisieren. Gefangene mit geisterhaften Gesichtern schauten mich an und beobachteten in aller Ruhe meinen Einstieg in die Hölle einer ganz neuen Art.

Ich musste mich den Regeln und der Behandlung in der Isolationshaft völlig unterwerfen. Für lange Zeit war es mir nicht erlaubt, diesem niederschmetternden Gefühl der Ketten, die mich banden, zu entfliehen. Sie würden für immer Narben hinterlassen an meinen Knöcheln, in meinem Herzen. Diese Fesseln wurden mir immer wieder dann bewusst, wenn meine Tür geöffnet wurde, und sich meine Freiheit auf eine 2,5 m x 4 m große Zelle reduzierte (solange kein Mensch in meiner Nähe war). Die unaussprechliche, grauenvolle Kälte hier war zum Greifen nah. Zum Tode verurteilt zu sein, ist barbarisch und brutal. Eine fast unglaubliche Komponente der Todesstrafe ist die der Entmenschlichung. Ein Todesurteil erfordert die Einschränkung jeglicher Gewaltanwendung, die völlige Unterwerfung in die erniedrigenden Regeln und das Überbordwerfen der wichtigsten Eigenschaften der Menschlichkeit, die Gott uns aufgrund unserer individuellen Persönlichkeitsstruktur gegeben hat, nämlich das Recht zu leben.

Beweise unterschlagen

Als unschuldige Frau zum Tode verurteilt zu sein, es gibt für mich nichts Schlimmeres, als diese ruchlose menschenverachtende Gewaltherrschaft der amerikanischen Justiz, die das Leben eines Menschen durch ein manipuliertes Votum anderer Personen (12 Geschworene) einfach ausradiert. Die Gesellschaft ist ohnehin darauf versessen, den Angeklagten schon vor dem Urteilsspruch zum Tode zu verurteilen, in diesem Fall ist es mein Tod. Die Medien spielen eine sehr wichtige Rolle in dieser Angelegenheit als gesellschaftliches Kontrollorgan, angetrieben von aufrührerischer Sensationsgier schüren sie Ängste und wandeln das Ansehen eines Menschen um in ein völlig anderes.

Ohne Fakten, ohne Wahrheit wird die Schuld konstruiert, was sich später in den Berufungsverhandlungen drastisch niederschlagen kann, wenn dann nämlich die Beweise und die Wahrheit Aufschluss geben sollen. Es werden durch die Staatsanwaltschaft Beweise einfach unterschlagen, weil der Staatsanwalt einen Erfolg für seine Karriereleiter gebraucht, man hat als Angeklagter keinen Schutz, so wie in meinem Fall und in vielen anderen Fällen auch. Ihr könntet denken, so etwas könnte auch den Ausgleich zur Unschuld wieder herstellen, doch nein, das tut es nicht. Für mich ist das schlichtweg kriminell. Die Lösung zur Wiederherstellung von Recht und Gesetz ist, für das durch die Tat genommene Leben noch ein Leben zu nehmen, nämlich meines. Es ist einfach genug, das in Worte zu kleiden, doch es ist etwas ganz anderes, es zu durchleben.

Der Krieg in mir selbst

Die meisten meiner Kritikpunkte wiegen schwer, selten vergeht ein Tag, an dem ich etwas Positives erkenne für jemanden, der in der Todeszelle sich befindet. Nichts ähnelt dem Leben da draußen mit irgendeiner Freude oder mit einem menschlichen Kontakt, nicht einmal ein flüchtiger Blick führt zu einem Hauch von Menschlichkeit. Es gehört noch viel mehr zu dieser Geschichte, natürlich… Was ich erkannte war, dass der wirkliche Krieg in mir selber stattfand. Trotz der Unmenschlichkeit in meiner Umgebung, tobte in meinem Inneren der Kampf, das Schöne meiner Eigenschaften mit Hilfe der mir angeborenen Menschlichkeit ausdrücken zu wollen. Ich musste mich zur Ruhe zwingen, als ich sah, wie das Sonnenlicht die Erde umklammerte, ich konnte den tiefen Segen spüren, der mich plötzlich umhüllte und ich fühlte, wie die Lichtstrahlen in Wellen meinen Körper durchfluteten und mein aufgewühltes Innere beruhigten. Ein plötzliches Vertrauen entstand zu DEM, DER mich hier offensichtlich besuchte, DER mich trösten wollte. Dieses tiefe innige Gefühl setzte sich in meinem Herzen fest, das von den warmen wohligen Strahlen erfasst wurde.

Bisher glaubte ich, eine Gefangene zu sein, die jeden Morgen sich dem Willen anderer zu beugen und zu unterwerfen hatte, doch ich spürte, dass jetzt alles anders war. Jetzt hatte JEMAND entschieden, dass ich mein eigener Herr und völlig frei sein würde. Das war einer der glücklichsten Tage, die ich jemals erleben durfte! Ich bin eine Frau von dieser Erde, mutig, freundlich, stark und schön. Eine Lehrerin und eine Lernende, eine Macherin, eine Mutter, eine Großmutter, eine Geliebte, eine Liebende und eine Freundin. Sie können vielleicht meinen Körper nehmen, doch niemals meinen Geist oder meine Liebe. Wir alle bezahlen einen Preis für alles, was wir haben, was wir tun und für alles, was wir sind. Ehrgeiz zu haben, ist nicht immer positiv, doch manchmal macht es Sinn. Mein Ehrgeiz ist es, zu dienen, zu helfen, zu erziehen, wo es benötigt wird, um Leben zu verändern durch die Liebe meiner Seele. Mein eigener wahrer Anspruch ist, andere Menschen so zu behandeln, wie ich gern behandelt worden wäre, auch und gerade, wenn sie mich aus ihrer eigenen wertmoralischen Welt ausschließen und die staatliche Entscheidung loben, meinen Körper hinzurichten.

Ich versuche täglich, das Lachen nicht zu verlernen, damit ich die Kraft habe, Liebe zu geben, solange ich noch lebe. „Dein strahlendes Licht wird mich niemals verlassen, auch wenn nichts die Pracht der Gräser und die Herrlichkeit der Blumen zurückbringen wird. Wir werden nicht bekümmert sein, denn wir finden neue Kraft aus der Erinnerung daran, was hinter uns liegt.“ Dieser Absatz ist ein Zitat aus ,,Are ye able, said the Master…“ von Earl Marlatt.

Das Vermächtnis wurde aus dem Amerikanischen übersetzt von Henry Toedt, Hammelburg

 

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