„Hiermit stelle ich einen Antrag auf eine Gebetskette.“ So lautet ein schriftlicher Antrag eines jugendlichen Inhaftierten. Welche Gebetskette er wohl meint? Meint er die muslimische Gebetskette? Oder das Tschotki (russisch) oder Komboskini (griechisch)? Dies ist eine Gebetsschnur aus 33 Perlen, mit deren Hilfe man das Jesusgebet betet. Die 33 Perlen stehen für die Lebensjahre Christi. Ein Rosenkranz ist eine andere gefragte „Gebetskette“ im Gefängnis. Warum ist ein Rosenkranz so wichtig im Knast?
Werden inhaftierte Menschen im Gefängnis fromm? Die Nachfrage nach dem Rosenkranz ist enorm. Besonders im Jugendbereich. Aber wie das Kreuz als Symbol von Nichtchristen getragen und verwendet wird, so ist der Rosenkranz für manche ein Symbol, die das Gebet weder kennen noch beten. Das Symbol wird zum Maskottchen: Es könnte ja doch „was dran sein“. Es ist Modeschmuck, weil vielleicht manche der bekannten Rapper diese so genannte Gebetskette um den Hals tragen. Oder gibt es im Gefängnis kein anderen Schmuck als solch ein Rosenkranz? In manchen Gefängnissen ist der Rosenkranz verboten. Grund: Man könnte ihn als Waffe verwenden.
Die Perlenkette wird oft verwechselt mit einer Hand-Spielkette der osteuropäischen Männer. Diese heißt in Griechenland „Goboloi“ und ist definitiv kein Rosenkranz. Das Goboloi wird nur zum spielen nebenbei benutzt. Damit zeigt man(n), dass alles unter Kontrolle ist. Manche Gefangene basteln aus Brotkrümeln, die gehärtet und verbunden werden, solche „Macho-Spielketten“.
Der Rosenkranz ist eine Gebetskette mit einem Kreuz und 59 Perlen. Letztere sind in fünf Gruppen zu jeweils zehn kleinen und einer großen Perle aufgeteilt. Schließlich befindet sich am freien Teil des Rosenkranzes ein Kreuz. Diese Anordnung sowie die Zahl der Perlen sollen den Gläubigen dabei helfen in der richtigen Reihenfolge zu beten. Dabei wird das Leben Jesu mit den Augen Marias betrachtet. Die Herkunft des Wortes liegt im lateinischen Begriff „rosarium“ begründet, der mit „Rosengarten“ übersetzt wird. Das Wort „rosarium“ wurde später auf die Gebetsschnur übertragen und erscheint im 15. Jahrhundert erstmals mit seiner deutschen Bezeichnung „Rosenkranz“. In der Tradition der (katholischen) Kirche symbolisieren die Rosengewächse von alters her die Gottesmutter Maria. Der Name Rosenkranz leitet sich schließlich von der Auffassung ab, dass die Gebete und Anrufungen ein Kranz zur Ehre der Gottesmutter Maria seien.
Nach alter Überlieferung soll der heilige Dominikus (Gründer des Predigerordens der Dominikaner) bei einer Marienerscheinung im Jahre 1208 die heutige Form des Rosenkranzes 1208 empfangen und anschließend in seinem Orden eingeführt haben. Dabei habe Maria den Rosenkranz Dominikus als Waffe im Kampf gegen die Albigenser (einer antikirchlichen Ketzerbewegung) geschenkt. Die Forschung geht allerdings eher davon aus, dass sich das Rosenkranzgebet aus den frühmittelalterlichen Gebeten nach und nach zu seiner heutigen Form entwickelt hat.
Die Form des Rosenkranzes entstand wohl im Advent 1409 durch den Trierer Kartäusermönch Dominikus von Preußen, der die Ereignisse des Lebens Jesu in 50 Schlusssätzen zusammenfasste, die sich an den ersten Teil des Ave Maria anschlossen. Diese Schlusssätze wurden etwas später von dem Kartäuser Adolf von Essen auf 15 verkürzt und im Jahr 1508 wurde dem Ave Maria schließlich der Schluss-Satz „Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns …“ angefügt. Der endgültige Text des Ave Maria wurde von Papst Pius V. am 17. September 1569 festgelegt.
In evangelischen Gemeinden stoßen sowohl der Rosenkranz als auch das mit ihm verbundene Gebet eher auf Unverständnis. Aber ganz so einfach ist das mit der konfessionellen Zuordnung nicht. Gebetsketten, und dazu gehört auch der Rosenkranz, sind so ziemlich in allen Religionen bekannt. Indem man die Perlen einer solchen Gebetskette durch die Finger gleiten lässt, lässt sich die Umwelt besser abschalten, so dass man sich ganz auf sich selbst, auf Gott und das Zwiegespräch mit ihm konzentrieren kann. Die Perlen auf der Schnur haben dabei den Zweck, die gesprochenen Gebete mitzuzählen.
Man mag sich über die alten Worte „gebenedeit“ oder „Frucht Deines Leibes“ oder die lichtreichen und freudenreichen „Geheimnisse“ Jesu heute wundern. Meditativ ist das Gebet alle mal. Ob sich dieses Gebet allerdings in die Gebetspraxis von jungen Menschen etabliert, ist sehr fraglich. Vielmehr geht es darum, neue und eine lebensnähere Sprache für die Botschaft Jesu zu finden. Wiederum kann ein Rosenkranz aus dem Frühmittelalter ebenso ein Symbol für den Hinweis auf eine „höhere Ebene“ sein. Und dies auch, wenn der Bezug und die traditionelle Gebetsweise nicht praktiziert wird. Wir reihen uns ein in eine lange Glaubenstradition, die allerdings nicht „um des Gesetzes willen“, stehen bleiben darf.
Michael King | JVA Herford