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Privatisierung der Gefängnisse eine Lösung?

15. August 2019

Es ist unmöglich, nach dem Besuch in einem brasilianischen Gefängnis nicht die traurige Gewissheit zu haben, dass die Gefangenen überall im Land Brasilien einer Situation von systematischer Folter ausgesetzt sind. Heute leben mehr als 720.000 Menschen in überfüllten Zellen, zwischen Ratten und Kakerlaken, ohne sanitäre Grundversorgung, aber mit verdorbenem Essen und einem Alltag voll extremer Gewalt. Damit ist Brasilien das Land mit der drittgrößten Inhaftiertenzahl der Welt.

Zelle im Gefängniskomplex Ribeirão das Neves (Bundesstaat Minas Gerais), dem ersten privatisierten Gefängnis Brasiliens.

Die Situation der Gefängnisse, die vom Verfassungsgericht in Brasilien als „verfassungswidriger Zustand“ bezeichnet werden, macht deutlich, dass sich der brasilianische Staat immer wieder für die Barbarei entschieden hat. Und dieser Prozess lässt sich nicht durch falsche Lösungen wie die Privatisierung bekämpfen. Erinnern wir uns, dass eins der Massaker von 2017 in einem privatisierten Gefängnis geschah: Im „Compaj“ in Manaus (Bundesstaat Amazônia), einem von Umanizzare verwalteten Komplex, gab es mindestens 56 Todesfälle. Außerdem gab es 2013 und 2014 im Komplex Pedrinhas (Bundestaat Maranhão), in dem die meisten Funktionen privatisiert sind, mehr als 60 Todesfälle. Dieses Gefängnis ist international für seine entwürdigenden Lebensbedingungen bekannt.

Trotz dieses Szenarios gaben zu Beginn des Jahres 2019 die Bundesstaaten São Paulo und Rio de Janeiro bekannt, die Leitung von Gefängnissen an Privatunternehmen übertragen zu wollen. Der Gouverneur von São Paulo, João Doria (PDSB), nimmt dabei die USA als Vorbild. Das Beispiel der USA kennt jedoch Episoden wie den Bericht des Justizministeriums in 2016, der belegt, dass die privatisierten Bundesgefängnisse keine Kosteneinsparungen bringen und mehr Fälle von Aggression, Schmuggel und Rebellion melden. Außerdem gab es einen Skandal, in dem das größte Unternehmen (Corrections Corporation of America) zugeben musste, an die Regierung übersandte Dokumente über die Verwaltung von Gefängnissen im Bundesstaat Idaho gefälscht zu haben.

Die Lehre daraus: Auf Masseninhaftierung in öffentlichen oder privaten Gefängnisse zu setzen, ist eine Antwort, die verworfen werden muss. Diese Überzeugung wird auch durch sie Situation im Komplex Ribeirão das Neves (Bundesstaat Minas Gerais) gestützt, Brasiliens Mustergefängnis für Privatisierung. Die Regierung von Minas Gerais hat ihre Strafverfolgungspolitik festzementiert, als sie unterschrieb, dass bis zum Ende des 27-Jahres-Vertrags 90% der Plätze belegt oder trotz Nichtbelegung bezahlt werden. Und während der Staat in gewöhnlichen Gefängnissen durchschnittlich 1.800 Reais pro Häftling und Monat ausgab, akzeptierte er in Ribeirão das Neves, pro Kopf und Monat 2.700 Reais an das Konsortium GPA zu zahlen, das diese Gefängnisse verwaltet.

Diese höheren Ausgaben bedeuten keine bessere Qualifikation der Mitarbeiter: Niedrigere Gehälter, kurze Einarbeitungszeiten und hohe Fluktuation kennzeichnen die Einstellungen in den privaten Gefängnissen. Mit anderen Worten, die Privatisierung hält an der Logik der Masseninhaftierung und der Rechtsverletzungen fest, und das zu höheren Kosten für die Gesellschaft. Schon 2015 äußerte sich die Brasilianische Bischofskonferenz (CNBB) kategorisch: „Die Ineffizienz des Gefängnissystems darf nicht zur Privatisierung führen. Menschen dürfen nie ihrer Würde beraubt werden, denn Profit und Strafvollzug passen nicht zusammen.“ Angesichts des Scheiterns des Gefängnissystems haben die Gefängnispastoral und ihre Partner die Nationale Agenda zu Haftentlassungen und Straferlass6 erarbeitet, ein Dokument, das konkrete Vorschläge zur Lösung des Problems aufzeigt. Der einzig praktikable Weg ist ein signifikanter Rückgang der Gefängnisbevölkerung, wie er in den USA und anderen Ländern erreicht wird. Alle Bemühungen, die in die andere Richtung gehen – wie etwa die Privatisierung –, werden unweigerlich zu einer Verstärkung der Barbarei führen.

Schwester Petra Pfaller MC | Übersetzung: Monika Ottermann
Artikel Folha de São Paulo | Massaker in Altamira

 

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