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Im Knast kann ein Wort den Tag beleben oder beenden

13. November 2020

Ein Praktikum im Gefängnis? Das ist sicherlich ein besonders ungewöhnlicher Praktikumsplatz. Ein Schülerpraktikum ist in einem Gefängnis wie in Hünfeld oder Fulda nicht möglich, ein Praktikum während des Studiums dagegen schon. Jura-Studenten und Studierende der Sozialpädagogik, der sozialen Arbeit oder angehende PsychologInnen und SeelsorgerInnen können in der JVA praktische Erfahrungen sammeln. In dieser Weise tritt die Psychologie-Studentin Laura L. ihr Praktikum in der Justizvollzugsanstalt in Hünfeld an.

Trotz einiger beruflicher Vorerfahrungen ist man als junge Frau mit neuen Eindrücken in der Haftanstalt überhäuft. Von den strikten Sicherheitsvorkehrungen und den Regeln, von den mechanischen Geräuschen der Türen und schwenkenden Kameras oder dem Signalton des Personennotruf Gerätes (PNG) – um nur einige Besonderheiten hinter den Mauern zu nennen. Als Studentin lernt sie den Alltag hinter Gittern kennen und erhält Einblicke in eine vollkommen andere Welt, die den meisten Menschen verborgen bleibt. In einem lebendigen Gespräch mit dem Gefängnisseelsorger Diakon Dr. Meins Coetsier berichtet sie, dass es ihr wichtig erschien am Anfang ihres Praktikums zu wissen, wer am anderen Ende der Leitung der Kameras vor den Bildschirmen sitzt. „Denn die Bediensteten in der Zentrale sind keinesfalls ein menschliches Pendant zur ‚kalten‘ Überwachungskamera. Durch meine Zeit, die ich in der Zentrale mit dem Spitznamen ‚Glaskasten‘ verbrachte, gewann ich den Eindruck, dass der Umgang aller MitarbeiterInnen untereinander nicht nur freundlich und respektvoll, sondern ebenso kameradschaftlich und familiär ist,“ sagte die wissbegierige und aufgeweckte Studentin.

In ihrem Erfahrungsbericht über diese ungewöhnliche Praktikumsstelle macht sie deutlich, dass „der Mensch hinter diesem herausfordernden Job in keiner Weise mit den Maschinen zu vergleichen ist, die er kontrolliert.“ Während ihrer Einführungstage wurde ihr deutlich, wie wichtig das reibungslose Drehen eines jeden „Rädchens“ in der JVA zur Gewährleistung der Sicherheit ist. Durch die Videoüberwachung fühlt sie sich als Praktikantin von Tag zu Tag weniger beobachtet und stattdessen immer mehr geschützt. „Allgemein bekam ich während meiner kurzen ‚Zeit hinter Gittern‘ einen sehr guten Eindruck vom Miteinander und der Dynamik des Arbeitsalltags“ betonte Laura. „Die Belegschaft der JVA tritt als eine geschlossene Gemeinschaft auf, die nicht nur den Alltag souverän meistert, sondern auch eine stetige Sicherheit aller Beteiligten gewährleistet.“

In den vom Anstaltsleiter, Leitender Regierungsdirektor Lars Streiberger, genehmigten Gesprächen mit Gefangenen während ihrer letzten Woche in der JVA, bekam sie Einblick in deren Eindrücke und persönliche Entwicklung während der Haft in Corona-Zeiten. Ein denkwürdiges Zitat für sie ist der Satz: „Here, a word can make or end your day.“ Im Gefängnis kann ein Wort tatsächlich den Tag beleben oder beenden. Sie erklärt: „Sicherlich können besonders positive oder negative Nachrichten auch außerhalb einer Inhaftierung den Tag eines jeden verändern, doch für mich ist dieser Satz aus dem Mund eines Verurteilten noch einmal mehr gewichtet. Er macht indirekt die Gefangenschaft und die damit verbundene Abhängigkeit vom Strafvollzug deutlich.“ Die Dankbarkeit für das Interesse ihrerseits an Gesprächen mit den Gefangenen und die Unterbrechung ihres Alltages, erschien Laura jedenfalls so groß, dass sie keinen Zweifel daran habe, „dass auch die Dankbarkeit für die zurückgewonnene Entscheidungs- und Bewegungsfreiheit nach ihrer Entlassung eine Zeit lang anhalten wird.“

 

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