Jedes Jahr gibt es die Adventsausstellung der JVA Herford. Aus dem Jugendvollzug werden Produkte der Ausbildung und der Arbeitstherapie in der ehemaligen Gärtnerei an der JVA angeboten. Eine lange Schlange bildet sich zur Kasse hin. Vogelhäuser, Holzbänke, Steinschnecken oder Garteneulen aus Stahl nehmen die Menschen mit. Die Christstollen der Knast-Bäckerei sind in wenigen Minuten ausverkauft. Im Rahmen des Adventsbasars können Angehörige von Bediensteten zu einer Führung in die JVA kommen.
Auch hier bilden sich lange Schlangen. Das große Schleusentor wird ein Spalt breit geöffnet. “Zwei Mal etwa 170 Menschen, insgesamt ca. 350 BesucherInnen”, sagt der Bedienstete am Eingang. Die angemeldeten Personen werden zeitversetzt in vier Gruppen durch die Fahrzeugschleuse in den Jugendknast geführt. “Eine gute Gelegenheit den Arbeitsplatz meines Partners einmal zu sehen”, sagt die Frau eines Vollzugsbeamten. In der Coronazeit war eine Begehung der Anstalt nicht möglich. Wahrscheinlich ist das ein Grund, dass so viele Angehörige der Bediensteten diese Gelegenheit nutzen”, sagt ein Bediensteter. Freunde, Bekannte, PartnerInnen und Kinder können teilnehmen.
Das hier ist der „Pfarrer”
“Das hier ist meine Schwester” sagt der Tischlermeister in Justizuniform und zeigt auf sie. “Und das hier ist der Pfarrer”, fügt er hinzu und zeigt auf den Gefängnisseelsorger Michael King. Ein erstauntes und fragendes Gesicht mit dem Ausruf “Ach was?!”, bringt die Gesprächsrunde zum Lachen. Solch einen Gefängnisseelsorger hat man sich nicht vorgestellt. Und doch sind die beiden Gefängnisseelsorger der evangelischen und katholischen Kirche zu 100 % im Jugendvollzug tätig. “Schon seit über 10 Jahren arbeiten wir zusammen”, sagt der evangelische Gefängnisseelsorger Stefan Thünemann. Den beiden begegnen die BesucherInnen in der Anstaltskirche. Dort können die TeilnehmerInnen kurz innehalten, sich setzen und den Worten der Gefängnisseelsorger zuhören. Das Interesse ist groß.
Ein Gegenüber
Was macht die Gefängnisseelsorge im Jugendvollzug? Sie führen vor allem Gespräch mit den Inhaftierten und mit den Bediensteten, feiern mit den Gefangenen religionssensibel Gottesdienste und bieten Gruppenangebote wie die Musikband oder das Väterseminar an. “Es gibt hier auch junge Väter”, erzählt Thünemann. “Oft sind sie überfordert im Umgang mit ihrem Kind. Die Beziehung zur Partnerin ist manches Mal nicht geklärt oder das Kind befindet sich in einer Pflegefamilie”, sagt der evangelische Pfarrer. Die Kirche der JVA hat eine lange Geschichte. Der Raum hat sich im Laufe der Jahrhunderte verändert. “Wie das Leben auch. Früher saß man wie im Kinosaal in einer Art Mönchsgestühl von oben nach unten. Ab 1960 wurde die Kirche in der Höhe geteilt und es kamen Kirchenbänke. Heute ist es eine offene Ellipsen-Form mit Stühlen”, schildert King. Die Gefängnisseelsorge pflegt einen offenen Umgang mit den Jugendlichen. “Wir sind ein Gegenüber und haben nicht das Ziel jemanden zu missionieren oder zu verändern”, sagt King.
Raum geben
“Die Verzahnung mit den anderen Fachdiensten wie den Sozialdienst oder den psychologischen Dient, dem erziehungswissenschaftlichen Dienst und den Allgemeinen Vollzugsdienst (AVD) ist gegeben. Ebenso mit den Imamen, die auf Honorarbasis in die JVA kommen”, sagt Thünemann gegen Ende der Begegnung in der Kirche. Die Gefängnisseelsorge hat innerhalb der Mauern viele Freiheiten. Sie unterliegen der Schweigepflicht und haben das Zeugnisverweigerungsrecht vor Gericht. “Das wissen die Inhaftierten”, sagt King. Deshalb kommen die Inhaftierten gerne zum Gespräch und zu den Angeboten der Seelsorge. Ein Bild eines Gefangenen ist derzeit in der Kirche aufgebaut, darunter stehen brennende Kerzen. “Auch das ist unsere Aufgabe, dass Trauer oder Wut über den Tod eines ehemaligen Gefangenen hier Raum haben kann”, erzählt King. “Ich kann mir vorstellen, dass die Gefangenen gut auf Sie zu sprechen sind”, gibt eine Besucherin ihre Rückmeldung an die Gefängnisseelsorger. “Gut, dass Sie als BesucherInnen einmal Einblick in die Arbeit des Jugendvollzuges haben können”, geben die beiden Seelsorgenden zurück.
Michael King