Das Gefängnis ist ein unwirklicher Ort, an dem Unmut und Verdruss zu Hause sind. Es ist ein Ort, in den Menschen wie ich hineingebracht werden, wenn sie gegen die gesellschaftlichen Gesetze verstoßen haben. Es ist ein Ort, an dem ich Freude, Lebenslust und positive Gedanken verzweifelt suche. Oder doch nicht? Gefangene erzählen aus der Haft in der hessischen Justizvollzugsanstalt Butzbach.
Wie kann ich in solch einer unwirklichen Umgebung positive Gedanken schöpfen? Das Gefängnis hat sichtbare Grenzen. Tagtäglich sehe ich die selben ockerfarbigen vier Wände meiner Zelle. Das mehrfach vergitterte Fenster lässt kaum Frischluft herein. Und die drei-mann-hohen Mauern tragen Sicherheitsdraht. Darüber hinaus werden mir Regeln auferlegt, die ich befolgen muss. Sie sollen mir meine Fehlentscheidungen aufzeigen und mir dabei behilflich sein, mich wieder in die gesellschaftliche Ordnung einzugliedern.
Ausrede CORONA ?
In einer JVA läuft es ja bekanntlich nie wirklich rund. Aber in gewissen Dingen konnte man mit einem „Gespräch“ oder einem „Anliegen“ doch noch etwas Rundes daraus machen – manchmal. Seit Corona ist dies aber nicht mehr möglich, da man ja nun die ultimative-nie-zu-hinterfragende Ausrede „Corona“ hat. Das klingt so: „Wegen Corona momentan nicht möglich.
Aus Pandemiegründen nicht möglich. Corona lässt es momentan nicht zu. Corona…“ Egal, was jetzt gefragt wird, es sieht etwas schwierig aus oder es dauert länger. Dann kommt die ultimative-nie-zu-hinterfragende Ausrede „Corona“. Vor Corona lief es schon nicht wirklich rund in der JVA. Jetzt ist es nur anstrengend und zermürbend. Hoffen wir, dass diese „Corona-Ausrede“ weggeimpft wird.
N.M.R., Gefangener
Klirren der Schlüssel und die Regeln
Das Gefängnis in meinem Kopf jedoch verfügt über keine derartigen Grenzen und Regeln. Es ist frei von Zwängen und beengenden Formen. Diese Möglichkeit nutze ich, um aus dem vorgeschriebenen Alltagstrott auszubrechen. So kann ich mit den strengen Regeln, den unangenehmen Geräuschen, wie dem Rasseln und Klirren der Schlüssel der nahenden Justizbeamten, und den Disziplinierungen leben. Mit meinen Gedanken suche ich positive Aspekte und vermeide die negativen Einflüsse, die ein solcher Ort mit sich bringt. Ich musste jedoch durch die Corona-Pandemie lernen, auf die positiven Anteile der körperlichen Nähe und regelmäßigen Besuche meiner Familie und Freunde zu verzichten.
Wo Negatives – gibt es auch Positives
Doch es gibt Lichtblicke. Sie sind nur anders als gewohnt. Einen Brief von Verwandten oder Freunden zu erhalten, oder wenn der Besuchstermin näher rückt, den man sich vor Monaten aufgeschrieben hat, dann erfüllt mich das mit Freude. Wichtige Stützpfeiler sind für mich der regelmäßige Besuch der Gottesdienste und die anregenden Gespräche mit den Seelsorgern. Sie sind meine persönlichen Highlights. Sie sorgen dafür, dass ich mit meinen Problemen nicht allein gelassen werde. Die Gemeinde, aber auch Gott, haben stets ein offenes Ohr für mich. Sie helfen mir, mich nicht einsam zu fühlen. Sie stärken mich im Glauben und zeigen mir, dass selbst in der dunkelsten Stunde jemand bei mir ist, der an mich glaubt. Selbst dort, wo ich glaubte, nur Negatives zu erfahren, gab es Positives. Es kommt die Zeit, in der ich wieder über weite freie Wiesen gehen kann, den Westwind spüre und meinen Liebsten nahe sein kann. Das sind meine positiven Gedanken, die heller erstrahlen als die Dunkelheit hier drinnen.
R.J., Gefangener
Quelle: Denen, die im Elend leben – seine Liebe. Eindrücke aus dem Gefängnis, Band 5
Herausgeber: Georg-D. Menke op, Pfarrer