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Papst kritisiert die Spaltung in Gut und Böse

28. Januar 2019

Papst Franziskus hat das pulsierende Zentrum Panamas für ein paar Stunden gegen die Kleinstadt Pacora vertauscht. Der Freitag steht bei Weltjugendtagen traditionell im Zeichen von Buße und Vergebung; am Abend sollte ein Kreuzweg an der Küstenpromenade Cinta Costera stattfinden. Franziskus wollte diesen Tag auch mit jenen verbringen, die das Thema Schuld in besonderer Weise kennen und die am Rand der Metropole leben. Deshalb besuchte er eine Jugendhaftanstalt. Dabei kritisiert er eine Gesellschaft, die auf eine Spaltung in Böse und Gute nicht verzichten will.

Las Garzas, ein Ortsteil von Pacora gut 40 Kilometer östlich der Hauptstadt: Grünes, sanft gewelltes Land, durchsetzt von Buschwerk und Wäldchen und Viehweiden, Naherholungsgebiet für viele Panamenos. Hier ist hinter einem Zaun mit Stacheldrahtrollen die Heimat auf Zeit für bis zu 190 junge Straftäter. Die 2012 gegründete Vollzugsanstalt gilt mit ihrem Rehabilitationsprogramm als vorbildhaft in Zentralamerika und darüber hinaus. Wer in Las Garzas landet, hat Glück: Jeder erhält verpflichtend eine Schul- oder Berufsausbildung und muss Kurse in Persönlichkeitsbildung absolvieren. An dem Projekt beteiligen sich neben der Regierung unter anderem die Interamerikanische Entwicklungsbank, die Europäische Union und die Stiftung „Jesus Luz de Oportunidades“ – „Jesus, Licht der Chancen“. Die in Panama einzigartige Partnerschaft von Behörden und Zivilgesellschaft bietet den jungen Straftätern nach der Haftentlassung die Aussicht auf Übernahme in ein Unternehmen, teils auch auf eine Hochschullaufbahn.

Papst geht im Knast ins Gericht

Zu einer „Kultur der Begegnung“ hatte der Papst bei der Willkommensfeier beim Weltjugendtag ermutigt, zuvor hatte er vor Politikern und Wirtschaftsvertretern mehr Möglichkeiten für junge Menschen eingefordert, ihre Zukunft zu gestalten. Jetzt wendet er sich an die, denen Begegnung und Mitgestaltung zumindest zeitweilig versagt sind. Ihnen sagt er: „Ihr gehört zur Familie, ihr habt viel beizutragen.“ Franziskus geht im Knast ins Gericht – mit einer Gesellschaft, die unerbittlich auf einer Scheidung in Gute und Schlechte besteht, die meint, Probleme mit Ausgrenzen und Einsperren lösen zu können. Nach seinen Worten kann die Justiz töten, wenn sie glaubt, es sei „besser, dass ein einzelner Mensch stirbt, als dass ein Volk zugrunde geht“. Das sind Worte aus der Bibel aus dem Prozess Jesu. Der Papst zitiert sie vor den Häftlingen.

Krank sind nicht die Sünder

„Normalerweise reißt der Faden an der dünnsten Stelle: da, wo die Schwächsten und Wehrlosesten sind“, sagt Franziskus. Er spricht damit Leute an wie den 21-jährigen Luis, der dem Papst bei der Begrüßung erzählte, dass er eben einmal im Leben „gestolpert“ sei. Krank sind nach den Worten des Papstes nicht die „sogenannten Sünder“, sondern diejenigen, die gegenüber Reue taub bleiben und eine Integration der ehemaligen Täter verweigern. Krank wird eine Gesellschaft, „wenn sie nicht imstande ist, sich über eine Verwandlung ihrer Glieder zu freuen“, und stattdessen noch die Straftäter entmutigt, an die eigene Besserung zu glauben. Es ist die Kritik des Papstes an einer Gesellschaft, die geradezu obsessiv mit dem Finger auf Böse zeigen muss, um sich selber gut zu fühlen. Aber „Liebe hat keine Zeit für Nörgelei“, sagt er.

In Las Garzas wird ein anderer Ansatz praktiziert. Die Überzeugung, dass es möglich ist, Panamas Kriminalitätsrate mit Humanität zu drücken, brachte den Immobilienunternehmer Ricardo Tribaldos zu der Initiative „Jesus Luz de Oportunidades“. Die Stiftung setzt auf berufliche, spirituelle und soziale Bildung, damit aus ehemaligen Straftätern verantwortungsvolle Bürger werden. Auch Gefängnisdirektorin Emma Alba Tejada bekennt sich in ihrem Grußwort zu einem „Weg des Guten, der der Weg Jesu ist“. Am Ende des Besuchs spendet der Papst das Sakrament der Versöhnung. Drüben, in Panama-Stadt, tun andere Priester das Gleiche für junge Pilger im Park an der Cinta Costera. Die eigens dafür gezimmerten Beichtstühle, bunt bemalt in den Weltjugendtagsfarben, stammen aus den Werkstätten der Häftlinge aus Pacora.

Burkhard Jürgens,  KNA | Titelfoto: Imago

 

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