Zu Beginn der Pastoralreise des Bischofs von Würzburg, Dr. Franz Jung, durfte die Delegation das Gefängnis Palmasola in Santa Cruz de la Sierre im Tiefland Boliviens besuchen. Die Einrichtung besteht aus verschiedenen “bloques”, welche nach den Toren “Puertas Controladas” (PC) benannt sind. Die Delegation besuchte den PC 4, ein bloque ausschließlich für Männer. Um hinein zu kommen, bekamen sie immer wieder Stempel auf den Unterarm, was merkwürdig vorkam. Es gab keine andere Wahl, alle mussten sich “abstempeln” lassen.
Die gesamte Gefängnisanlage gleicht einer wabernden Masse, welcher immer wieder Menschen zugeführt werden, damit sich das Geflecht aus Läden, Essensverkauf, Handel mit Schlafplätzen oder Abgaben an die Bediensteten am Leben erhalten kann. Die Inhaftierten, Männer wie Frauen, sind dort hauptsächlich in Untersuchungshaft, die allerdings kein Ende nimmt, nicht zur Anklage und zu keinem Urteil führt. Die SeelsorgerInnen der Gefängnispastoral sind in den PC’s präsent, in denen sich ein Eigenleben entwickelt hat. Sie stellen Räumlichkeiten für Alphabetisierungs- und einfachen Ausbildungsmaßnahmen zur Verfügung und unterstützen – soweit möglich – bei Rechtsfragen. Viele Aufgaben werden von Inhaftierten selbst übernommen, je nach Fertigkeit und Wissen. Auch LehrerInnen kommen in den Bereich, um dort zu unterrichten.
Recht des Stärkeren
In den dorfähnlichen Bloques gibt es einen Fußballplatz und eine Kirche, neben den Gottesdiensten dient sie auch als Schlafplatz. Die engen Gassen, die durch die Häuserzeilen führen, sind am Tag bedrückend, in der Nacht sind sie gefährlich, für die Männer, die keinen Schlafplatz bezahlen können. Um Geld und Geldgeschäfte dreht sich alles, da es die Währung ist, um dort auszukommen, gar zu überleben. Im Zusammenhang mit den Zuständen in der Einrichtung hat die Delegation oft das Wort „podrido – verfault“ gehört, denn es herrscht das Recht des Stärkeren, was die Hierarchie der Insassen angeht und deren finanzielle Potenz. Der Besuch entsetzt und lässt die Fragen aufkommen, warum die Verantwortlichen des bolivianischen Staates so ein Geflecht dulden, in dem die vergessen werden, die immer länger darin leben, die keinen Boliviano aufbringen können und dadurch ständig in Angst leben müssen.
Stempel als Austrittskarte
Der eigentlich gute Gedanke, den Inhaftierten ein Gesellschafts- oder Sozialsystem zur Reintegration überlassen, welches sie selbst gestalten und ausfüllen können, wird pervertiert durch schlecht bezahlte oder gierige Bedienstete und StaatsdienerInnen, welche kein Interesse für angeblich straffällige Menschen haben. Am Ende eines aufwühlenden Besuchs hatten die Teilnehmenden drei Stempel auf dem Unterarm, gedacht sind sie nicht als Eintritts-, sondern als Austrittskarte. “Obgleich die Gefangenen sehr herzlich und offen waren, sich über den Besuch und den Gottesdienst freuten und wir uns zu keinem Zeitpunkt unsicher, vielleicht kritisch beäugt fühlten, waren wir dankbar “abgestempelt” zu sein”, sagt der der Leiter des Seelsorgeamtes Albin Krämer.
Alexander Sitter | Referent für Weltkirche im Bistum Würzburg