Von Britta Matzen. Lübecker Nachrichten.
Es gibt viele Gründe, eine Pilgerreise anzutreten. Eine 16-Jährige, die in einer Krise steckt, hat sich mit ihrer Sozialpädagogin auf den Weg gemacht. Wir haben die beiden auf dem Jakobsweg getroffen. Seit sechs Wochen sind Sarah* und Sonja Janzer auf dem Jakobsweg unterwegs. Dabei haben die beiden schon viel durchgemacht: Sturm, Regen, Frostnächte und ein paar Krisen.
Faszination Pilgern. Immer mehr Menschen sind auf Pilgerpfaden unterwegs. Nach einer Trennung, einer schweren Krankheit, wenn sie einen geliebten Menschen verloren haben oder in einer Art Lebenskrise stecken. Die 16-jährige Sarah (Name geändert) ist seit sechs Wochen auf der Via Baltica unterwegs – der nördlichsten Ost-West-Verbindung unter den deutschen Jakobswegen. Begleitet wird die Jugendliche aus Münster von ihrer Sozialpädagogin Sonja Janzer. In Klein Wesenberg haben die beiden Frauen Station gemacht. Dort befindet sich im Gemeindehaus die Pilger-Herberge.
Jugendliche auf Sinnsuche
Sarah: „Das Jugendamt meinte, dass die Pilgerreise eine Chance für mich sein könnte. Ich habe ziemlich viel Blödsinn verzapft, es gab auch eine große Stresssituation zu Hause. Deshalb sollte ich eigentlich in eine Wohngruppe kommen. Aber ich habe mich so was von geweigert.“ Jetzt ist die Schülerin auf Sinnsuche – zu Fuß erwandert sie den Jakobsweg. „Ich möchte auf jeden Fall nach Hause zurück. Aber wenn das nicht klappt, erarbeite ich mir durch die Reise, dass ich eine eigene Wohnung beziehen darf.“
Gestartet sind die beiden Frauen, die sich am Tag vor ihrer Abreise zum ersten Mal begegnet sind, Mitte Februar in Greifswald. Sarahs Rucksack brachte anfangs bestimmt 15 Kilo auf die Waage. „Weil ich die Sicherheit von zu Hause nicht habe, habe ich alles eingepackt, was ich finden konnte. Vier Hosen, ganz viele Oberteile. Dazu zwei Schlafsäcke, zwei Paar Schuhe und Körperpflege-Artikel.“ Gepäck schultern, und los ging’s. Mit dem schweren Rucksack zwischen drei und fünf Stunden wandern am Tag, draußen schlafen bei Sturm, Regen und Kälte, für Sarah waren das alles komplett neue Erfahrungen. Sie hatte bis dahin noch nicht einmal eine Nacht im Zelt verbracht.
Sozialpädagogin begleitet Sarah auf ihrem Weg
„Die erste Zeit war richtig blöd. Zu den Regeln gehört, dass kein Handy erlaubt ist. Nur mittwochs und sonntags darf ich mit meinen Eltern telefonieren. Ich habe sonst jeden Tag mit meinen Freunden geschrieben und telefoniert, wir haben uns in der Schule gesehen – das war auf einmal alles weg. Das war sehr schwer am Anfang“, erinnert sich die junge Pilgerin. Ob es die Anstrengung war, der Stress oder doch eher Heimweh? Nach den ersten Nächten bekam Sarah Schmerzen im Bauch und fühlte sich sehr schlecht. Sie wurde ins Krankenhaus eingeliefert, wo sie eine Woche bleiben musste.
Manch anderer hätte die Pilgerreise danach abgebrochen und aufgegeben. Aber nicht Sarah. Der Weg ist schließlich ihr Ziel. Nach ihrem Klinikaufenthalt erholte sie sich für ein paar Tage bei einer Familie, die Pilgern auf dem Jakobsweg Unterkunft gewährt. Von Stralsund wanderten Sarah und Sonja schließlich weiter. Diesmal war der Rucksack der Jugendlichen um einiges leichter. „Ich habe ausgemistet und Klamotten nach Hause geschickt.“ Nur die wichtigsten Dinge hat Sarah behalten. Auch das Foto ihrer Eltern und ein rosafarbenes Armband, das ihre Mutter für sie geknüpft hatte. Beides trägt sie ganz nah bei sich. Mehr lesen…
Während ihrer Auszeiten hätten sie die Möglichkeit, einfach mal eine Zeit ohne Schule, ohne Eltern, ohne Probleme innerhalb der Peergroup zu verbringen, um sich auf Wesentliches zu beschränken, Kraft zu sammeln und neu aufzustellen. Dies erfolge lediglich in Begleitung von professionell ausgebildeten Fachkräften. Nordwind ist bundesweit aktiv und ist spezialisiert auf individuelle Einzelfallhilfen. Nordwind bietet sowohl individualpädagogische Reiseprojekte an als auch Möglichkeiten, wo Kinder allein oder in Kleinstgruppen leben. www.nordwind-jugendhilfe.de