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Monstranz hinter Gittern. Von muslimischem Gefangenen gefertigt

2. November 2022

Das ehemalige Benediktinerkloster ist Teil der Justizanstalt Garsten in Oberösterreich.

Ein besonderes Highlight ist die Einrichtung eines kleinen, aber sehr feinen Andachts- und Gesprächsraumes in der österreichischen Justizanstalt (JA) Garsten. Die Anstaltskirche, die halb im Gesperre, halb im Verwaltungstrakt liegt, ist außerhalb des wöchentlichen Gottesdienstes nicht zum Gebet zugänglich ist. Daher wird der neue Raum besonders gebraucht.

Die Justizanstalt Garsten ist eine Strafvollzugsanstalt in Oberösterreich. Als Strafvollzugsanstalt ist das Gefängnis für die Aufnahme von Straftätern mit Haftstrafen von über 18 Monaten bis lebenslang ausgelegt. Die Anstalt befindet sich zum größten Teil in den ehemaligen Gebäuden des Stifts Garsten, eines ehemaligen Benediktinerklosters. Es war bislang ein Hochsicherheitsgefängis für Männer, momentan befindet sie sich im Umbau zu einer Anstalt, die ausschließlich für den Maßnahmevollzug gedacht ist. Zusätzlich befindet sich hier U-Haft der Region Steyr.  Im Haus gibt es einige Werkstätten (Schlosserei, Bäckerei, Schreinerei, Ökonomie, Küchen) in denen man zuweilen auch ausgebildet hat, was aber rückläufig ist. In letzter Zeit sind Therapiebetriebe entstanden.

Ein heiliger Ort

Das Besondere des neuen Raumes ist, dass er im Forum, im Herz der Anstalt, direkt am Spazierhof verortet ist. Hier kann seelsorgerliche Begleitung unaufdringlich geschehen, wo die Menschen zusammenkommen. Eine weitere Besonderheit ist die dort ausgestellte Monstranz hinter Gittern vor der die Inhaftierten mit mir gemeinsam beten und Kerzen entzünden können. Ein Heiliger Ort – ein Ort der Heilung ermöglicht. Eine Monstranz ist ein mit Edelsteinen gestaltetes liturgisches Schaugerät mit einem Fensterbereich, in dem eine Hostie besonders in der Katholischen Kirche zur Verehrung und Anbetung feierlich gezeigt wird.

Multireligiöser Raum

Das durchbrochene Gitter und der Tabernakel auf dem die Monstranz steht, wurden von einem muslimischen Gefangenen gefertigt. Eine Koransure hängt an der einen Wand, eine Buddhafigur, ein Marienbild und ein Bild von Guru Nanak, Religionsstifter des Sikhismus, zieren die Ablage und geben Angehörigen anderer Religionen Bezugspunkte ihres Glaubens und ein Stück Heimat in diesem Ambiente. Der Raum hat auch Sitzgelegenheiten, Bücher, Kaffeemaschine und Wasserkocher. Heiliges und Profanes sind hier nicht getrennt und das ist wohltuend. Gute Gespräche beim Kaffee und das Entzünden einer Kerze vor dem „Allerheiligsten“ folgen dicht aufeinander und ergänzen sich wunderbar.

Bezug Benediktinerregel

Mein Seelsorgekonzept ist sehr einfach: So weit als möglich dort sein wo die Leute sind und das nicht als (forensischer, psychologischer, pädagogischer, juristischer, theologischer) Experte sondern als (Weg-) Begleiter. Ich geh in die Betriebe, setz mich dazu, baue den ein oder anderen Stecker mit oder geh auf die Zellen zum Kaffee, laufe im Spazierhof mit den Leuten Runde um Runde. Mein Rekord war ein ganzer Vormittag 7-km Hofgang. Ich halte zwar die Gefängnisseelsorger nicht als das Fünfte Element, wohl aber als das achte Sakrament. Wir sind selber sichtbares und greifbares Zeichen für die unsichtbare Wirklichkeit der Zusage und Liebe Gottes. Das kostet manchmal Mühe und da hilft mir besonders Lektüre der Benediktsregel vor allem Kapitel 4 , die Werkzeuge der geistlichen Kunst, aber auch das Kapitel über den Abt (2)und ganz besonders das über die Sorge des Abtes für die Ausgeschlossenen (27).

Hintergrund ist ein Erlebnis an meinem ersten Arbeitstag. Als ich das Haus betrat wurde ich von einem alten Sozialarbeiter mit den Worten begrüßt: „Ah, da ist der neue Abt von Garsten“.  Ich habe dann gleich auf den Anstaltsleiter und seine Funktion verwiesen, was jedoch nicht anerkannt wurde. Als einziger und offizieller „Geistlicher“ im Haus, käme mir die Rolle eher zu. So habe ich von Anfang an ein Bewusstsein dafür entwickelt hier in einem ehemaligen Benediktinerkloster sein und das als Inspiration nehmen zu dürfen und das ist wohltuend. Spannenderweise schätzen auch die Inhaftierten die Benediktsregel sehr. Wir haben sogar das Grab eines Heiligen im Haus: das des Heiligen Berthold von Garsten.

Dr. Jonathan Werner | JA Garsten

 

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