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Ist Liturgie vorrangig Sache des geweihten Klerus?

8. April 2020

Nicht nur in unserem alltäglichen Leben, auch in den Anregungen und Impulsen zum geistlichen Leben erleben wir in diesen Krisentagen eine seltsame Ungleichzeitigkeit. Wie in einem Brennglas spiegeln sie die Spannungen im gegenwärtigen Ringen um ein angemessenes und für Menschen von heute annehmbares Kirchenbild. Die amtlichen Empfehlungen der meisten Diözesen und Pfarreien sind überwiegend geprägt von werbenden Hinweisen auf eine Vielzahl online gestreamter Gottesdienstformate.

Dabei handelt es sich überwiegend um Messen, die Priester allein oder in ganz kleinem Kreis sozusagen „stellvertretend für das Volk Gottes“ feiern und bei denen die zugeschalteten „Gläubigen“ andächtig mitfeiern sollen. Je nachdem, wo man gerade herein streamt, kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, Liturgie sei vorrangig Sache des geweihten Klerus, bei der die Laien eine eher rezeptiv – passive Rolle einnehmen. Und mancher der priesterlichen Vorsteher gefällt sich offensichtlich wieder in einem Selbstverständnis, das ihn aus dem Volk Gottes heraushebt.

Der Altarraum in der Kapelle der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen.

Liturgie ist Feier des Gottesvolkes

Angesichts solcher medialen Großstrategien, bei der noch mehr als sonst in unserer Kirche Priester im Mittelpunkt stehen, fällt die Unterstützung und Wertschätzung der vielen Initiativen einer mündigen Laien- und Hauskirchen- Spiritualität auffallend kleinlaut und zurückhaltend aus. Hatte uns nicht das II. Vaticanische Konzil gelehrt, dass Liturgie immer Feier des Gottesvolkes ist und dass ihre Mysterien nach dem Prinzip der aktiven Beteiligung immer „mit dem Volk“ statt „für das Volk“ gefeiert werden?

Wann, wenn nicht jetzt, wäre Anlass und Gelegenheit, diesen Grundsatz selbstbewusst zu erinnern und ihn offensiv und kreativ in die Tat umzusetzen? Hätte man – um ein Beispiel zu nennen – nicht deutlicher darauf hinweisen können, dass jede und jeder Christ auf der Basis von Taufe und Firmung befähigt ist, zuhause Segnungen von Palmzweigen und Osterkerzen vorzunehmen? Und könnte man den jetzt vielfach auch im Netz angebotenen Formen häuslicher Wort–Gottes–Feiern und Laien-Liturgien nicht mit größerer Wertschätzung begegnen?

Bei Anton Rotzetter, einem schon verstorbenen Meister der Spiritualität, habe ich einst gelernt: Glaube ist nicht nur vertrauensvolles Bauen auf Gottes Lebensgeleit. Glaube – das ist auch eine Art ERMÄCHTIGUNG, eine charismatische Befähigung, mein Leben als Christenmensch nicht nur in Beruf und Gesellschaft, sondern auch in der Kirche aus freimütigem Geist selbstbewusst (mit-) zu gestalten. Solche Ermächtigung ist keineswegs zu verwechseln mit beliebiger Willkür oder leichtfertiger Missachtung gewachsener Traditionen und Übereinkünfte. Ich schätze sie und ich weiß mich dabei in einer Welt des „anything goes“ in vieler Hinsicht gut aufgehoben. Der Schatz dieser Tradition und die Übereinkünfte kirchlicher Selbstverständigung müssen aber stets neu aktualisiert und weiterentwickelt werden.

Peinliche Selbstinszenierungen

Als Theologe weiß ich natürlich, dass katholisches Christ- und Kirche -Sein ohne den sakramentalen Dienst der Priester undenkbar ist. Er vergegenwärtigt das Unverfügbare und kritische Gegenüber Christi als Grund und Haupt unseres kirchlichen Christseins. Aber muss eine solche Grundüberzeugung immer wieder in die peinlichen Selbstinszenierungen eines unsensiblen Klerikalismus münden? Müssen die Laien immer und immer wieder auch mit ihren geistlichen Gaben und Begabungen in der zweiten Reihe stehen? Wäre da nicht eine andere, geschwisterliche Form des Miteinanders denk- und lebbar? Eine, bei der sichtbar wird, dass wir alle – Priester und Laien – das Volk Gottes bilden und auch in und vor der Welt repräsentieren? Gewiss: Jeder auf seine Weise und unverwechselbar … Aber doch gemeinsam und gleichwertig, nicht in einer Vor- bzw. Nachordnung! Ich jedenfalls kann und will mich auch in diesen für kirchliches Leben zugespitzten Tagen nicht an den jetzt wieder vermehrt sicht- und erlebbaren Klerikalismus gewöhnen.

Dietmar Jordan | Bistum Aachen

 

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