Norbert Nikolai mit einem Inhaftierten auf dem Gefängnismarkt in „San Juan de Lurigancho“. Foto: Adveniat.
Aus dem größten Gefängnis im peruanischen Lima in die Seelsorge von Hattingen an der Ruhr: Die Corona-Krise bringt einen weltreisenden Priester des Bistums Essen aus Südamerika vorübergehend zurück in seine Heimat. Ab dem 1. Mai wird der aus Bochum stammende Nikolai für rund ein Jahr das Team der SeelsorgerInnen in der Hattinger Pfarrei St. Peter und Paul unterstützen. Er gehöre zur Corona-Risikogruppe, schreibt Nikolai auf Facebook. Deshalb – und angesichts sehr weniger Möglichkeiten einer adäquaten medizinischen Notfallversorgung in Peru – sei er jüngst mit einem von der Bundesregierung organisierten Rückkehrflug nach Deutschland gekommen.
In Peru war Nikolai seit 2010 Seelsorger im Männergefängnis „San Juan de Lurigancho“, dem mit rund 10.000 Gefangenen größten Gefängnis der Hauptstadt Lima. Gerade wollte er sich verändern und in der Caritasarbeit eines Bistums in den südlichen Anden einbringen, als die Corona-Krise ihn zwang, zumindest vorübergehend wieder nach Deutschland zu kommen. Seit seinem Studium schlägt Nikolais Herz für die Menschen und die Kirche in Peru – und so wurde der gelernte Koch ein Wanderer zwischen zwei Welten: Noch vor der Priesterweihe vor 25 Jahren verbrachte er ab 1990 ein Jahr in Cajamarca bei Bischof José Dammert.
Nach seiner Weihe war Nikolai zunächst vier Jahre Kaplan in Lüdenscheid, bevor er ab 1999 als Dorfpfarrer in die südlichen Anden in das Dorf Pauza ging und dort zusammen mit einer deutschen Gemeindereferentin, zwei Schwesterngemeinschaften, Religionslehrern und Katechetinnen fünf Jahre lang 60 Dörfer und Kapellen betreute. Ab 2005 war Nikolai wieder im Ruhrgebiet und wirkte in Essen-Katernberg als Pfarrer von St. Josef – bevor er ab 2010 in Lima in die Gefängnisseelsorge wechselte.
Keine adäquate medizinische Notfallversorgung
Die gegenwärtige Krise der Pandemie hat ihn unerwartet und plötzlich in Deutschland stranden lassen. Gerade als er Anfang März seine neue Stelle in der Caritas Caraveli begonnen und an der Pastoralkonferenz seiner neuen Diözese in den Bergen Perus teilgenommen hat. Danach waren er mit dem Bischof zu einer Sitzung in Lima und da begann auch schon die Phase der Ausgangssperre und ein extremer Lockdown. “Ein erster Infizierter war ein Priester aus Lima in meinem Alter und von meiner Statur, der sich bei einem Beichtgespräch angesteckt hatte und wenig später auf der Intensivstation um sein Leben rang. Er hat überlebt, aber in den folgenden drei Wochen in Quarantäne in unserem Haus der Gefängnisspastoral in Lima stand mir dieses Bild immer vor Augen. Da ich zur Corona Risikogruppe zähle und es in Peru nur sehr wenig Möglichkeiten einer adäquaten medizinischen Notfallversorgung gibt, bin ich Anfang April, einen Tag nach meinem 56-zigsten Geburtstag, mit einem von der Bundesregierung organisierten Rückkehrflug nach Deutschland gekommen”, erzählt Nikolai.
Gerade jetzt in einer Situation zu gehen, wo doch alle Hilfe der Caritas für die Menschen auf den Dörfern von Nöten ist, hat mir diesen Schritt nicht leicht gemacht und ich habe mich feige gefühlt. Befreundete Ärzte und mein ehemaliges Team in Lima haben mich jedoch sehr zu diesem Schritt gedrängt.”
Neue Art des Gefangenseins
„Gerne möchte ich für circa ein Jahr im Bistum Essen meinen Dienst als Priester tun“, schreibt Nikolai seiner neuen Gemeinde in Hattingen: „Das ist eine sehr schöne Herausforderung für mich und ich freue mich auf die Begegnung mit Ihnen.“ Dabei sieht Nikolai durchaus Verbindendes zwischen der Gefängnisseelsorge in Lima und der Seelsorge für die Menschen in Hattingen: „Mundschutz, Kontaktbeschränkungen und all die Einschränkungen, die uns diese Zeit bringt, tragen den Geschmack des Gefangenseins in sich. Die letzten zehn Jahre durfte ich gefangene Männer im größten Gefängnis Limas begleiten und mein Herz ist voll von Geschichten von Befreiung und neuen Chancen.“ Diese neue Art des Gefangenseins sei „eine echte Zumutung für meinen und vielleicht auch für Ihren Glauben.“, so Nikolai. Er lädt die Menschen in Hattingen ein, sich dieser Zumutung gemeinsam mit ihm zu stellen.