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Kommen Diebe, Einbrecher oder Spieler gut weg?

8. Juni 2022

Vor jeder Wirtschaftsstrafkammer würde er eine hohe Freiheitsstrafe bekommen, der betrügerische Verwalter aus dem Evangelium Lukas. Unterschlagung, Untreue, Urkundenfälschung. Das sind die Anklagepunkte. Ausgerechnet ihn stellt Jesus als Vorbild hin. Nicht von seiner kriminellen Energie, aber von der Kühnheit, Entschlossenheit, Phantasie des Betrügers sollen sich seine JüngerInnen eine Scheibe abschneiden. Zitat Jesus: Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes (Lk 16,8). In den Erzählungen der Chassidim werden Straftäter zu Vorbildern.

Diebe, Einbrecher, Spieler kommen gut weg in Bubers chassidischen Erzählungen.

In religiöser Literatur muss man länger suchen, bis man vergleichbares Lob für solch unmoralisches Verhalten findet. Ein Werk gibt es, in dem Kriminelle und dem Lotterleben Verfallene gleich mehrfach als Vorbilder dargestellt werden, die chassidischen Geschichten. Martin Buber hat in „Die Erzählungen der Chassidim“ erzählenswerten Stoff des osteuropäischen Diasporajudentums des 18. bis Anfang 20. Jahrhunderts festgehalten. Geschichten über jüdische Fromme, Chassidim, und vor allem ihre Lehrer, die Rabbiner, oft als Zaddikim, Gerechte, bezeichnet. Rabbi Levi-Jizchak war dabei, als ein Dieb festgenommen wurde. Den Täter hörte er noch murmeln: Na, wenn schon! Ich werde wieder anfangen, das nächste Mal wird es besser klappen. Der Rabbi zieht daraus sofort als Lehre für sich selber. Auch im Gebet, das er oft nicht durchhält, will er immer wieder von vorne anfangen.

Wenn Diebe das können…

Ebenso lässt sich der Maggid von Mesritsch von Dieben unterweisen. Sie tun ihren Dienst in den Nächten. Sie und ihre Mittäter lieben einander. Bekommen sie Schläge und Strafen, so ficht es sie nicht an. Ihr Handwerk gefällt ihnen gut. Sie wollen es gegen kein anderes eintauschen. All das kann der Rabbi sofort auf sich beziehen, auf seinen Beruf, auf seine Mission. Wenn die Diebe das können, dann kann er das auch. Dem Sasower Rabbi ergeht es ähnlich. Den Dieb, den er gerade aus dem Kerker freigekauft hat, ermahnt er noch: Denk immer an die Schläge, mach das nicht noch einmal! Warum denn nicht? So die Antwort des Straftäters. Was einmal nicht geriet, kann beim nächsten Mal geraten. Der Sasower darauf: Auch ich werde ab jetzt das Meine immer wieder versuchen.

Brauchen nur noch umkehren

Vor Rabbi Wolf werden einige leichtlebige lotterhafte Kartenspieler denunziert. Was sie tun, ist doch gut, erwidert Wolf. In Wirklichkeit wollen sie Gott dienen und wissen nicht wie. Nun lernen sie, sich beim nächtlichen Spiel wach zu halten und bei einem Werk auszuhalten. Jetzt brauchen sie nur noch umzukehren. Was für Gottesdiener werden sie dann sein. Welch positives Menschenbild, das im Negativen noch das Gute sieht! Der glimmende Docht fällt einem ein. Es ist, als ob es in der Tiefenschicht eine Verbindung gibt zwischen diesen osteuropäischen chassidischen Lehrern von vor gut 150 Jahren und dem Rabbi Jesus zu Beginn unserer Zeitrechnung.

Alfons Zimmer | JVA Bochum

 

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