Am Sonntag wird das Christkönigsfest gefeiert. Es ist auch der Totensonntag. Der letzte Tag vor dem neuen Kirchenjahr. Jesus Christus als König rückt in den Fokus, der so ganz anders ist, als man sich einen “mächtigen” König vorstellt. Das Fest hat heute allenfalls in internen Kreisen einer Kirchengemeinde noch Bedeutung. Wie nahe der Inhalt des Festes allerdings an den Ort des Jugendgefängnisses kommt, zeigt eine Begegnung mit einem jugendlichen Gefangenen.
Dieser kommt aus dem Irak und hat ein langes Straftaten-Register aufzuweisen. In seiner Kindheit musste D. von einem Ort in den anderen mit seiner Familie umziehen. Schließlich kompensierte er seine innere Leere mit Diebstahl, Raub und Körperverletzungen. Bereits zum zweiten Mal sitzt er im Jugendknast ein. Auch hier zeigt er sich wechselhaft, klärt Auseinandersetzungen mit Mitgefangenen körperlich. Aus jeder Arbeit, die er zugewiesen bekommt, fliegt er aufgrund von Vorkommnissen raus. Gegenwärtig ist er ohne Arbeit auf seinem Haftraum.
Ihm wurde übel mitgespielt
Seinen Haftraum, sein Domizil hinter Gittern reinigt er penibel, auch achtet er sehr auf gutes Aussehen mit seinen lang gewordenen Haaren. D. gibt sich kommunikativ, ist humorvoll und weiß sich gut zu verkaufen. Seine Familie unterstützt ihn. Die Mutter und die Geschwister kommen jede Woche zu Besuch. Eigentlich ist D. ein normaler junger Erwachsener, dem übel mitgespielt wurde. Sein Vater schlug ihn mit einem Gürtel, wenn er mal wieder “Mist gebaut” hatte. Die Abschiebung in den Irak wird ihm angedroht. Zu den Gesprächen mit dem Gefängnisseelsorger bringt er immer wieder entsprechende Behördenpapiere mit. An einem dieser Tage holt ihn der Gefängnisseelsorger an seinem Haftraum ab. D. ist gerade am Putzen und er bindet sich schnell seine Haare mit einem Haargummi zusammen. Also muss der Gefängnisseelsorger 10 Minuten auf ihn warten. Das kennt dieser schon.
Bin königlich
Als D. in die Kirche kommt, strahlt sein Gesicht auf. Im Seelsorgebüro entdeckt er eine Krone, die auf dem Schreibtisch liegt. Sofort setzt er sich diese auf und betrachtet sich im gegenüberliegenden Spiegel. “Das sieht doch gut aus”, grinst er und lacht. “Sie sind zwar der King, aber ich auch”, meint er. “Wenn er denn seine Königswürde und die der anderen nicht so mit Füssen getreten hätte, wäre er nicht an diesem Ort des Knastes”, sagt der Gefängnisseelsorger. Ein nachdenklicher Gesichtsausdruck wird daraufhin unter der Krone sichtbar. Auch wenn man fast alles verwirkt hat, die Königswürde kann einem niemand nehmen. “Ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen” (Matthäus 25, 36) und “Wahrlich, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan” (Matthäus 25, 40) sind die zentrale Motive für den Dienst der Gefängnisseelsorge.
Würde ist unantastbar
Das spürt der quirlige junge Mann. Niemand weiß, wie das Leben des 19-jährigen weiter verlaufen wird. Wird er in den Irak abgeschoben oder kann er nach der Entlassung in einigen Monaten bei seiner Familie bleiben? Seine Würde kann ihm niemand nehmen. Jesus als König sucht die “verlorenen Schafe”, er gibt niemanden auf, auch wenn es noch so hoffnungslos erscheinen mag. Im Irak sei er verloren, sagt D. Seine Rechtsanwältin und sein Bruder setzen sich sehr für ihn ein. Trotz allem. Er wird selbst an den Punkt kommen, an dem D. seinen Weg eigenständig mit seiner Geschichte gehen wird. Hoffentlich königlich für sich und andere, ohne seine Macht zerstörerisch einzusetzen.
Michael King
Hintergrund
Im Jahr 1925 hat Papst Pius XI. das Christkönigsfest in unruhigen Zeiten des Umbruchs eingeführt. Mit dem Ersten Weltkrieg sind alte Ordnungen zerfallen. König- und Kaiserreiche sind untergegangen, totalitäre Systeme entstanden und neue Machthaber setzten sich oft gewaltsam durch. Tragende Säulen wie die Familie gerieten immer mehr in die Krise und Wirtschaftskrisen stürzten viele Menschen in Arbeitslosigkeit und existentielle Not. Als das wirksamste Heilmittel gegen die zerstörenden Kräfte der Zeit, stellt Papst Pius die Königsherrschaft Christi in den Mittelpunkt.
Jesus der König
Jesus Christus ist der König. Wie weit die Hirten- und Königssorge geht macht Jesus deutlich, indem er die Menschen am Rande in den Mittelpunkt rückt bis zur Hingabe des eigenen Lebens am Kreuz. Angefangen von den Machthabern in Politik, Wirtschaft, Kirche und Gesellschaft könnten sich auch heute die Verantwortlichen an dieser Geschichte orientieren, sowie auch jede und jeder Einzelne im eigenen Lebens- und Wirkungsbereich.