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Königlichkeit trotz Straftaten und Hoffnungslosigkeit

22. November 2024

Am Sonntag wird das Christkönigsfest gefeiert. Es ist auch der Totensonntag. Der letzte Tag vor dem neuen Kirchenjahr. Jesus Christus als König rückt in den Fokus, der so ganz anders ist, als man sich einen “mächtigen” König vorstellt. Das Fest hat heute allenfalls in internen Kreisen einer Kirchengemeinde noch Bedeutung. Wie nahe der Inhalt des Festes allerdings an den Ort des Jugendgefängnisses kommt, zeigt eine Begegnung mit einem jugendlichen Gefangenen.

Dieser kommt aus dem Irak und hat ein langes Straftaten-Register aufzuweisen. In seiner Kindheit musste D. von einem Ort in den anderen mit seiner Familie umziehen. Schließlich kompensierte er seine innere Leere mit Diebstahl, Raub und Körperverletzungen. Bereits zum zweiten Mal sitzt er im Jugendknast ein. Auch hier zeigt er sich wechselhaft, klärt Auseinandersetzungen mit Mitgefangenen körperlich. Aus jeder Arbeit, die er zugewiesen bekommt, fliegt er aufgrund von Vorkommnissen raus. Gegenwärtig ist er ohne Arbeit auf seinem Haftraum.

Ihm wurde übel mitgespielt

Seinen Haftraum, sein Domizil hinter Gittern reinigt er penibel, auch achtet er sehr auf gutes Aussehen mit seinen lang gewordenen Haaren. D. gibt sich kommunikativ, ist humorvoll und weiß sich gut zu verkaufen. Seine Familie unterstützt ihn. Die Mutter und die Geschwister kommen jede Woche zu Besuch. Eigentlich ist D. ein normaler junger Erwachsener, dem übel mitgespielt wurde. Sein Vater schlug ihn mit einem Gürtel, wenn er mal wieder “Mist gebaut” hatte. Die Abschiebung in den Irak wird ihm angedroht. Zu den Gesprächen mit dem Gefängnisseelsorger bringt er immer wieder entsprechende Behördenpapiere mit. An einem dieser Tage holt ihn der Gefängnisseelsorger an seinem Haftraum ab. D. ist gerade am Putzen und er bindet sich schnell seine Haare mit einem Haargummi zusammen. Also muss der Gefängnisseelsorger 10 Minuten auf ihn warten. Das kennt dieser schon.

Bin königlich

Als D. in die Kirche kommt, strahlt sein Gesicht auf. Im Seelsorgebüro entdeckt er eine Krone, die auf dem Schreibtisch liegt. Sofort setzt er sich diese auf und betrachtet sich im gegenüberliegenden Spiegel. “Das sieht doch gut aus”, grinst er und lacht. “Sie sind zwar der King, aber ich auch”, meint er. “Wenn er denn seine Königswürde und die der anderen nicht so mit Füssen getreten hätte, wäre er nicht an diesem Ort des Knastes”, sagt der Gefängnisseelsorger. Ein nachdenklicher Gesichtsausdruck wird daraufhin unter der Krone sichtbar. Auch wenn man fast alles verwirkt hat, die Königswürde kann einem niemand nehmen. “Ich war im Gefäng­nis, und ihr seid zu mir gekom­men” (Matthäus 25, 36) und “Wahrlich, ich sage euch: Was ihr für einen mei­ner gerings­ten Brü­der getan habt, das habt ihr mir getan” (Matthäus 25, 40) sind die zentrale Motive für den Dienst der Gefängnisseelsorge.

Würde ist unantastbar

Das spürt der quirlige junge Mann. Niemand weiß, wie das Leben des 19-jährigen weiter verlaufen wird. Wird er in den Irak abgeschoben oder kann er nach der Entlassung in einigen Monaten bei seiner Familie bleiben? Seine Würde kann ihm niemand nehmen. Jesus als König sucht die “verlorenen Schafe”, er gibt niemanden auf, auch wenn es noch so hoffnungslos erscheinen mag. Im Irak sei er verloren, sagt D. Seine Rechtsanwältin und sein Bruder setzen sich sehr für ihn ein. Trotz allem. Er wird selbst an den Punkt kommen, an dem D. seinen Weg eigenständig mit seiner Geschichte gehen wird. Hoffentlich königlich für sich und andere, ohne seine Macht zerstörerisch einzusetzen.

Michael King

Hintergrund

Im Jahr 1925 hat Papst Pius XI. das Christkönigsfest in unru­hi­gen Zei­ten des Umbruchs ein­ge­führt. Mit dem Ers­ten Welt­krieg sind alte Ordnungen zer­fal­len. König- und Kai­ser­rei­che sind unter­ge­gan­gen, tota­li­tä­re Sys­te­me ent­stan­den und neue Macht­ha­ber setz­ten sich oft gewalt­sam durch. Tra­gen­de Säu­len wie die Fami­lie gerie­ten immer mehr in die Kri­se und Wirt­schafts­kri­sen stürz­ten vie­le Men­schen in Arbeitslo­sig­keit und exis­ten­ti­el­le Not. Als das wirk­sams­te Heil­mit­tel gegen die zer­stö­ren­den Kräf­te der Zeit, stellt Papst Pius die Königs­herrschaft Chris­ti in den Mit­tel­punkt.

Jesus der König

Jesus Chris­tus ist der König. Wie weit die­ Hir­ten- und Königs­sor­ge geht macht Jesus deut­lich, indem er die Menschen am Rande in den Mittelpunkt rückt bis zur Hin­ga­be des eige­nen Lebens am Kreuz. Angefangen von den Macht­ha­bern in Poli­tik, Wirtschaft, Kir­che und Gesell­schaft könnten sich auch heute die Verantwortlichen an dieser Geschichte orientieren, sowie auch jede und jeder Ein­zel­ne im eigenen Lebens- und Wirkungsbereich.

 

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