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Knastikea: Adventsausstellung der JVA Herford

3. Dezember 2023

Der Bediensteten-Parkplatz der Justizvollzugsanstalt Herford füllt sich mit Autos. Die KollegInnen des Werkdienstes bereiten gerade noch den Punsch in der Weihnachtshütte vor dem ehemaligen Anstaltsleiterhaus vor. Schon geht ein Kunde mit einem großen Vogelhäuschen aus der Gärtnerei zur Kasse hin raus. So soll es den ganzen Tag mit dem Adventeinkauf gehen. Beliebt ist vor allem der Christstollen aus der Knastbäckerei.

„Das ist hier wie bei Ikea, die Leute werden durch die Reihen in der Gärtnerei durchgeschleust und man findet immer noch mehr“, meint der Bedienstete Husemann schmunzelnd. Er arbeitet seit vielen Jahren im Allgemeinen Vollzugsdienstes (AVD) des Jugendvollzuges. Die inhaftierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen können in ihrer Haftzeit eine Facharbeiterausbildung als Maler, Tischler, Bäcker, Elektroniker oder Schlosser machen. Daneben gibt es die Arbeitstherapiemaßnahmen. Das Angebot an Produkten aus diesen Arbeitsbereichen ist vielfältig. Im ehemaligen Gewächshaus der Gärtnerei stehen die Grillvorrichtungen, Holzbänke, Feuerschalen, Metalltannenbäume oder Holz-Störche zum Verkauf. „Ich komme jedes Jahr hierher“, sagt eine Frau mit Zipfelmütze. „Es gibt hier immer nette Ideen. Und ich kaufe hier auch Brennholz für unseren Kamin zuhause“, sagt sie.

Bedienstete gesucht

Draußen auf dem Parkplatz steht der Gefangenen-Omnibus und der Gefangenentransportwagen (GTW) mit den blauen Streifen. „Da ist es sehr eng drin“, meint ein Besucher, als er die Stufen des Omnibusses heruntergeht. Der Justizvollzug zeigt sich von seiner besten Seite. Am Bus ist Werbung für den Beruf des Vollzugsbediensteten angebracht. Händeringend werden Menschen, die im Vollzugsdienst arbeiten, gesucht. Die Arbeit ist herausfordernd und interessant. „Im Jugendvollzug steht an erster Stelle der Resozialisierungsgedanke“, erklärt eine Sozialarbeiterin einer Besucherin. Davon sprechen auch all die Dinge, die hier verkauft werden“, meint sie. Kleine praktische Dinge wie ein Notlicht, ein Love-Schild aus Metall oder ein Flaschenöffner macht der Besuch der Adventsausstellung so interessant. „Hier gibt es Dinge, die ich weder bei Ikea noch auf dem Weihnachtsmarkt finde“, fügt ein Besucher hinzu.

Führung hinter die Mauer

Angehörige von den Bediensteten können an diesem Tag in das Gefängnis reinkommen. „Sonst weiß ich das nur aus den Erzählungen meines Mannes“, sagt die Frau eines Bediensteten. So bildet sich eine große Menschenmenge vor der Schleuse. Insgesamt sind es 170 Menschen, die sich angemeldet haben. Die Mitglieder des Beirates und VertreterInnen der Presse sind morgens bereits mit der Anstaltsleitung zusammengekommen. In vier großen Gruppen gehen sie durch die Anstalt durch eine Abteilung, den Spiegel als Mitte des Gefängnisses, die Betriebe, den Sportplatz und die Kirche. Gefangene begegnen ihnen bei diesem Rundgang nicht. Sie sind in ihren Hafträumen verschlossen. Durch die Feingitter der Haftraumfenster kommt höchstens ein zaghaftes „Hallo“. In der Anstaltskirche warten die beiden Gefängnisseelsorger Stefan Thünemann und Michael King. Die 1883 erbaute Knastkirche hat schon viele Menschen gesehen, die Zuflucht und Hilfe an diesem Ort gefunden haben. Entgegen den anderen Räumen ist die Kirche räumlich sehr groß.

Drei Könige neu in der Knastkrippe

Der evangelische Gefängnisseelsorger, Stefan Thünemann, begrüßt die BesucherInnen und weißt auf die aufgestellte Knastkrippe hin. „Es sind Figuren aus Lindenholz, die der Künstler Rudi Bannwarth aus Ettlingenweier bei Karlsruhe geschaffen hat. Drei der Figuren sind als Dreikönige neu: Ein Bediensteter in Uniform mit seinem Funkgerät, eine Rechtsanwältin mit Aktenordner und eine Freundin, die die Krone als Symbol der Würde bei ihrem Besuch mitbringt. Die Gefängnisseelsorge unterliegt der Schweigepflicht und steht für Gespräche mit den Inhaftierten sowie für die Bediensteten zur Verfügung. „Wir sind absolute Vertrauenspersonen im Jugendvollzug. Wir dürfen von dem, was die Jugendlichen uns anvertrauen, nichts weitererzählen“, sagt der katholische Gefängnisseelsorger Michael King. Dementsprechend wird der Kontakt zu den beiden christlichen sowie zu den muslimischen Seelsorgern gesucht. „Die muslimisch-religiösen Betreuer haben allerdings bis jetzt kein Zeugnisverweigerungsrecht vor Gericht“, sagt King.

Gefragte Produkte

Noch lange stehen Menschen am Bratwurststand oder gehen in die Anstaltsleiter-Villa zum Kaffee trinken. Kaum etwas bleibt in der Verkaufsausstellung zurück. „Wie leergefegt sieht das hier aus“, resümiert eine Besucherin. Die Knast-Produkte sind sehr gefragt. Doch nicht nur das. Wieder einmal ist von dem, was hinter den Mauern passiert, nach draußen gegangen. Die JVA macht nicht Schlagzeilen durch spektakuläre Ereignisse, sondern zeigt transparent, was der Vollzug leisten kann. Die strittigen Fragen über Sinn oder Unsinn der Inhaftierung ist eine gesamtgesellschaftliche Frage. „Morgen werden sie wieder unsere Nachbarn sein“, mein ein älterer Herr. „Das ist nicht nur ein Wegsperren, sondern ein Arbeiten mit den Jugendlichen“ meint dieser. Wie sich herausstellt ist es ein ehemaliger Bediensteter, der pensioniert ist. „Ich bin nach wie vor mit dem, was im Jugendvollzug passiert, eng verbunden“, sagt er und bestellt sich eine Bratwurst.

Michael King

 

1 Rückmeldung

  1. C.R. sagt:

    Letzten Samstag war ich das erste Mal in der Ausstellung und es wurden wirklich tolle und einfallsreiche Sachen zum Verkauf angeboten. Nächstes Jahr kommen wir ganz bestimmt wieder-das steht fest. Ein toller Stern hat es mir angetan, aber es war leider der letzte. Gern würde ich diesen nachbestellen, denn diese Möglichkeit wurde uns ebenfalls angeboten. Vielen Dank für die tolle Ausstellung. Weihnachtliche Grüße aus Hiddenhausen…

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