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Klettern im Jugendvollzug der JVA Wriezen

23. Februar 2019

In der JVA Wriezen sitzen jugendliche Häftlinge ein. Aufgabe ist es, die jungen Straftäter zu resozialisieren. Eine Maßnahme dafür ist das therapeutische Klettern. Dabei sollen sie lernen, Vertrauen aufzubauen und sich an Regeln zu halten. Einer der Jugendlichen hält das Sicherungsseil, der andere hangelt ich von einem roten Kletterstein zum nächsten die Wand hoch. Der dritte sichert sich mit einer speziellen Knotentechnik selbst.

Dass die drei hier an diesem Nachmittag zusammen klettern, ist alles andere als selbstverständlich, sagt Mario Höhne, Sporttherapeut an der JVA Wriezen. Er sieht das auch als Erfolg seiner Arbeit. „Viele meiner Klienten sind gar nicht gruppenfähig, wenn sie zu uns kommen“, sagt er. In der Justizvollzugsanstalt Wriezen für jugendliche Straftäter bietet Mario Höhne seit zehn Jahren auch Klettern an der anstaltseigenen Kletterwand an – als einzige JVA in Brandenburg. Dabei sei diese Sportart, die Höhne auch als therapeutisches Klettern durchführt, seiner Ansicht nach sehr sinnvoll.

Klare Regeln beim Klettern

„Viele Jugendliche sind dissozial und vertrauen niemandem mehr, wenn sie in die JVA kommen“, sagt er. Grundvoraussetzung für das Klettern ist aber, dass sie mir vertrauen. Und auch sich gegenseitig.“ Außerdem bekämen die jungen Menschen beim Klettern allein schon aus Sicherheitsgründen klare Regeln vorgegeben. „Entweder, sie unterwerfen sich diesen Regeln, die dann auch einen Transfereffekt in andere Lebensbereiche haben, oder nicht – und klettern dann eben auch nicht.“ In vielen Fällen sei das Klettern in der JVA daher die erste Therapieform, das die Jugendlichen auf andere resozialisierende Angebote vorbereite.

Häftlinge können in der Anstalt auch eine Kletterlizenz erwerben. Sie lernen die Knoten, Sicherungstechniken und machen ein Sturztraining. So eine Lizenz fordern die meisten Kletterhallen als Voraussetzung. Bei dieser Runde nimmt auch einer der Häftlinge teil, die die Lizenz vor kurzem erworben haben. Er ist Anfang 20. Seinen Namen nennen wir zu seinem Schutz nicht. „Das Sturztraining war das, wovor ich am meisten Schiss hatte, wegen der Höhenangst“, sagt er. „Man steht oben, und der Mann, der einen sichert, gibt einem mehr Seil, so dass man runterfällt. Dadurch lernt man, wie es ist, wenn man selbst oder der andere fällt – und welche Wucht da zustande kommt.“

Männliche Rollenbilder überwinden

Das Klettern hilft den Jugendlichen laut Sporttherapeut Mario Höhne auch, den Gefängnisalltag zu bewältigen. Er sieht es als Mittel, eingebrannte männliche Rollenbilder zu überwinden. „Die meisten Jugendlichen, die hier herkommen, sind vom Leben und der Gesellschaft enttäuscht“, sagt er.
Natürlich seien sie für ihre Straftaten verantwortlich. „Aber sie haben von vielen gehört ‚Du kannst nichts, du bist nichts‘ und setzen sich in Szene, indem sie Regeln nicht einhalten.“ Daher hätten die meisten starke Komplexe. „Wir erreichen nicht jeden Jugendlichen, aber es gibt schon einige, die sich über die therapeutischen Angebote einbinden lassen und dann auch draußen wieder ein geregeltes und lebenswertes Leben führen“, sagt Höhne.

Unabhängig von den – meist schwerwiegenden – Straftaten, die sie begangen haben, bekommen die Jugendlichen so eine Chance, sich weiterzuentwickeln. „Mir wurde mehr Selbstvertrauen gegeben, so dass ich mir selbst mehr zutraue und mich auch sicherer fühle“, sagt auch der jugendliche Häftling über die Kletterlizenz. Wenn er wieder draußen ist, will er das Klettern als Hobby beibehalten.

Uta Schleiermacher | rbb24

 

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