Die Corona-Krise schlägt vielen schwer aufs Gemüt. Sie macht traurig, wütend, verzweifelt und will kein Ende nehmen. Die Psalmen sind das Gebetbuch der Bibel. Hier finden sich Klagen. Gott wird angeklagt und angeschrien. Es ist ein ehrliche Auseinandersetzung mit sich und der Wirklichkeit. Klagen, auch in den Psalmen, ist etwas anderes als Murren oder Nörgeln.
Die Klage ist eine wichtige Gebetsform. Klagepsalmen und Klagelieder legen ein deutliches Zeugnis ab, dass Klage bereits über viele Traditionen und Jahrhunderte als Gebetsform gepflegt wurde. Mit ihr werden aktuelle Lebenssituationen in Worten vor Gott gebracht. Der Psalm 23 ist ein Beispiel solch eines Klagepsalms. Es ist ein tiefsinniger Psalm, der auf viele Lebenssituationen passt. Die Psalmenaktualisierungen von Pierre Stutz zeigen, wie Beten zu einem inneren Dialog wird, in dem wir Gott nicht außerhalb von uns suchen, sondern ihn als innerste Mitte erfahren.
Unerträglich ist mir
das Diktat eines gelingenden Lebens
in dem ich immer gut drauf sein soll
entfernt von einem befreienden Mitgefühl
Liebend-leidenschaftlich will ich unterwegs sein
kraftvoll-verletzlich der Härte des Lebens nicht ausweichen
nicht jammernd mich in der Ohnmacht verlieren
sondern klagend dem Leben entgegen schreien
Nie gewöhnen will ich mich
an menschenunwürdige Flüchtlingslager
an durch Corona-bedingte Insolvenzen
an unfaire Löhne beim Pflegepersonal
Klagend-schreiend will ich
meine Hoffnung neu buchstabieren
mir gutgemeinte Rat-Schläge verbieten
die heilende Kraft der Tränen entdecken
Endlich meinen Panzer aufbrechen lassen
Trauer und Wut ausdrücken
im gemeinsamen Aushalten von Verlorenheit
göttliche Zuwendung erahnen
Pierre Stutz | Spiritueller Autor, Osnabrück