Die Inhaftierung eines Elternteils bedeutet für Kinder einen massiven Einschnitt in ihr Leben. Untersuchungen zeigen, dass der regelmäßige persönliche Umgang mit ihren inhaftierten Eltern Kindern helfen kann, besser mit der Situation umzugehen. Wie viele Kinder in Deutschland von der Inhaftierung eines Elternteils betroffen sind, kann nur geschätzt werden, denn amtlich erhobene Zahlen gibt es nicht. Der Kontakt zum inhaftierten Elternteil ist für betroffene Kinder nicht nur eine Bewältigungsstrategie. Er ist ein Menschenrecht, das von Seiten der Gesetzgebung zu achten, zu respektieren und zu verwirklichen ist. Die UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) schreibt die Rechte von Kindern fest, so auch das Recht von Kindern auf unmittelbaren Kontakt zu ihren Eltern (Artikel 9 UN-KRK).
Durch die Inhaftierung eines Elternteils greift der Staat in das Eltern-Kind-Verhältnis ein, wobei die UN-KRK in Artikel 3 die grundsätzliche Beachtung des Kindeswohls fordert, die auch in Situationen der Inhaftierung eines Elternteils gilt. Die UN-KRK hat in Deutschland den Rang eines einfachen Bundesgesetzes und damit bindende Wirkung nicht nur für den Bund, sondern auch für die Länder. Vor diesem Hintergrund hat die Monitoring-Stelle UN-KRK des Deutschen Instituts für Menschenrechte abgefragt, wie sich die Besuchs- und Kontaktmöglichkeiten von Kindern zu ihren inhaftierten Eltern in der Praxis der Justizvollzugsanstalten (JVAs) im Bundesgebiet gestalten. Hierfür hat sie 2017 eine nichtrepräsentative Online-Umfrage initiiert, deren ausgewählte Erkenntnisse in der vorliegenden Analyse zusammengefasst sind. Die Analyse zeigt: Die Möglichkeiten für Kinder, ihre inhaftierten Eltern zu besuchen oder zu kontaktieren, sind deutschlandweit sehr unterschiedlich.
Die Besuchszeiten werden vorrangig als Recht des inhaftierten Elternteils betrachtet und sind nur selten an den Bedürfnissen oder gar Rechten der besuchenden Kinder ausgerichtet. Die gesetzlich vorgeschriebene Mindestbesuchszeit variiert stark zwischen den Ländern: von monatlich einer Stunde (unter anderem in Hessen und im Saarland), über zwei Stunden (unter anderem in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern) bis zu vier Stunden (unter anderem in Brandenburg und Niedersachsen). Die praktische Umsetzung dieser gesetzlichen Regelungen in den einzelnen JVAs variiert ebenfalls. Fast alle JVAs sehen unter bestimmten Bedingungen zusätzlich Langzeitbesuche für Familienmitglieder vor. Allerdings liegt die Genehmigung hierfür im Ermessen der entscheidenden Behörde.
Darüber hinaus können die JVAs eigene Regelungen zur Besuchszeit treffen und machen von diesen auch Gebrauch. Auch die Kontaktmöglichkeiten über Telefon oder Videogespräche variieren je nach JVA und werden grundsätzlich nur selten vorgehalten. Staatliche Behörden sind verpflichtet, Kinder auf eine ihrem Alter und Entwicklungsstand angemessene Weise über die Inhaftierung eines Elternteils – und was damit verbunden ist – zu informieren (Artikel 9 Absatz 4 UN-KRK, Artikel 13 und 17 UN-KRK). Die Ergebnisse zeigen eine starke Tendenz dahingehend, dass keine der an der Befragung teilgenommenen JVAs Kinder direkt über ihre Besuchs- und Kontaktmöglichkeiten informiert.
Auch mit den Kindern befasste Fachkräfte (der Kinder- und Jugendhilfe, JustizvollzugsbeamtInnen, Lehrkräfte, ErzieherInnen) werden für das Thema, so die Tendenz der Ergebnisse, nicht ausreichend sensibilisiert. Dennoch lässt sich feststellen, dass einige Bundesländer zunehmend an den gesetzlichen Rahmenbestimmungen für einen familienfreundlichen Justizvollzug arbeiten und sich auch die Praxis der JVAs zunehmend hin zu einem familienfreundlichen Vollzug wandelt. Die vorliegende Analyse stellt solche positiven Beispiele dar, die weitere Verbreitung finden sollten. Mehr lesen…
Zusammenfassende Einleitung der Analyse
Die JVA Herford hat an der Befragung des Deutschen Instituts für Menschenrechte zum Thema „Kontakt von Kindern zu ihren inhaftierten Eltern“ teilgenommen. Das Ministerium des Landes Nordrhein-Westfalen legt besonderen Wert auf die Förderung der Kontakte der Inhaftierten zu ihren Kindern. Die Pflicht, diese Kontakte zu fördern, ist zudem eine in den Vollzugsgesetzen vorgegebene Aufgabe. Die Ergebnisse der von dem Deutschen Institut für Menschenrechte durchgeführten Analyse wird ein aktueller Sachstand der Forschung dargestellt und zugleich dafür sensibilisiert, der Kontaktförderung von Gefangenen zu ihren Kindern besondere Aufmerksamkeit zu widmen.