parallax background

Kinder zu Besuch im Knast: „Papa bist Du jetzt böse?“

4. Dezember 2023

Zum Abschied aus der Gemeindepastoral bekam die Gefängnisseelsorgerin Christina Brath von den Schulkindern und den ReligionslehrerInnen ein bemaltes Altartuch mit Herzen und guten Wünschen für das Gefängnis geschenkt. Dieses Tuch liegt jetzt in der JVA Heidering auf dem Altar im Andachtsraum. Im Gespräch mit den Kindern stellte eine Lehrerin fest, dass es Kinder gibt, die Gefängnisvokabeln kennen, wie beispielsweise die Wörter „Aufschluss“ und „Umschluss“.

Hintergrund dieser Kenntnis ist der, dass bei drei Kindern der Vater inhaftiert ist. Das war ein Anlass, um über den Justizvollzug und das Leben im Gefängnis ins Gespräch zu kommen. Besonders hört man von den Kindern, dass sich das Leben zuhause ohne den Papa gar nicht so einfach gestaltet. Wie es Papa hinter den Mauern geht und was er so macht, darüber will niemand so gerne sprechen. Brath wurde in die Schule eingeladen. Die Kinder stellen viele Fragen an die Gefängnisseelsorgerin. Ebenso kommen in einem Firmkurs mit Jugendlichen thematische Fragestellungen zum Thema „Freiheit“ auf. Mit einer Gesprächsgruppe von inhaftierten Vätern „drinnen“, werden die Begegnungen mit den Kindern und Jugendlichen „draußen“ vor- und nachbereitet.

Figur Robbi Rabe

Im Besucherbereich der JVA spricht Brath mit den Kindern, die dort mit mit dem Erziehungsberechtigten oder einer anderen Bezugsperson ihren Papa besuchen. „Was denkst Du, was Papa macht? Hat er Dir erzählt, wo er schläft?“ Im Gespräch mit den inhaftierten Männern, fällt ein Nebensatz: „Meine Tochter hat mich gefragt: Papa bist du jetzt böse?“ So entstand die Figur Robbi Rabe. Rabenvögel gibt es vor den Toren Berlins in der JVA Heidering genügend. Als Vogel kann man über die Mauern fliegen, ohne dass man kontrolliert wird. Die Raben und Krähen können von dem erzählen, was sie in der Justizvollzugsanstalt sehen und erleben. So entstand das Drehbuch zu den kleinen Videos, die speziell an Kinder von inhaftierten Vätern gerichtet sind. Die Drehbücher sind von den Gefangenen gegengelesen und mit ihren Worten ergänzt worden. Einer von ihnen trägt die Texte seiner Tochter beim Besuch vor. „Jetzt weiß ich das endlich“, sagt das Kind. Das Filmedrehen geht im Knast nicht so einfach. Daher sind in den Videos ausschließlich Fotos zu sehen. Ein Inhaftierter liest die Aussagen eines fiktiven Gefangenen mit Namen Matse ein.


Familienfreundlicher Vollzug

Die ersten drei Folgen sind online. Sie stehen für Kinder und Jugendliche zur Verfügung, um sich über das Gefängnis zu informieren. Über die Haft zu schweigen ist oftmals kein guter Weg. Behutsam und einfühlend davon zu erzählen, kann den Einschnitt für die Kinder abmildern.  Untersuchungen zeigen, dass der regelmäßige persönliche Umgang mit dem inhaftierten Elternteil Kindern helfen kann, die Situation besser zu bewältigen. Kontakt zum inhaftierten Elternteil ist für betroffene Kinder indes weit mehr als die Chance, besser mit der Belastung zurechtzukommen: Er ist ein Menschenrecht, das von Seiten der Gesetzgebung zu achten, zu respektieren und zu verwirklichen ist. In der Realität ist aber der Kontakt mit dem inhaftierten Elternteil nach Antreten der Haftstrafe nur sehr begrenzt möglich – beispielsweise einmal pro Monat für nur wenige Stunden – und das häufig unter nicht kindgerechten Bedingungen. Einige Justizvollzugsanstalten gestalten Besuche familienfreudlicher mit kindgerechten Räumen oder es gibt Väterseminare mit einem Familientag im Gefängnis.

Christina Brath

 

Feedback 💬

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert