parallax background

Warum musst du hier sein? Gedanken einer Mutter

22. Dezember 2022

Die Redaktion der Gefangenenzeitung “Pop Shop” der Justizvollzugsanstalt Herford wird von inhaftierten Jugendlichen und Schülern der Georg Müller Schule in Bielefeld erstellt. Seit vielen Jahren ist dies ein Projekt zwischen drinnen und draußen. Im Zuge dessen ist eine gemeinsame Redaktionssitzung in der Kirche anberaumt worden. Die ehrenamltliche Mitarbeiterin und Lehrerin, Bettina Hahn, ist beeindruckt von der Knastkrippe. Besonders die Maria springt ihr in den Blick.

Es war ganz gut, dass ich die Krippe in der Kirche der JVA völlig unvorbereitet gesehen habe. Wir waren im Dezember zur Redaktionssitzung gekommen, warteten noch auf den inhaftierten Teil unserer Gruppe und sahen uns ein bisschen um. Das große Haus mitten im Raum der Anstaltskirche machte uns neugierig. Mich sprang beim ersten Anblick sofort die Figur der Mutter an. Was mag ihr im Kopf herumgehen! Am liebsten hätte ich ihr ganz viele Sprechblasen angeklebt:

  • Warum bist du bloß hierher gekommen?
  • Da bist du ja. Im Knast…

  • Tiefer runter geht’s nicht mehr.
  • lch möchte dich beschützen, aber hier geht das nicht.

  • lch habe Angst um dich.
  • Ich kann dir nicht geben, was du brauchst, aber ich liebe dich.

  • Wenn sich keiner mehr meldet: lch bin da, ich komme wieder.
  • Meine Hilflosigkeit tut weh!

Tiefer runter geht es nicht mehr

Sehr weihnachtlich sieht die Szene nicht aus. Aber diese vielen Sprechblasen-ldeen, die mir einfielen, die passen sehr gut zu Weihnachten. Wie hilflos muss sich Maria, die Mutter von Jesus, gefühlt haben, weil sie ihren Sohn nie beschützen und oft nicht verstehen konnte. Wieviel Angst muss sie um ihn gehabt haben! Eine Mutter leidet lieber selber als ihr Kind leiden zu sehen, aber Maria blieb auch das nicht erspart. Sie hielt weinend aus, als Jesus vor ihren Augen am Kreuz zu Tode gefoltert wurde. „Tiefer runter geht’s nicht mehr.” Das ist auch wirklich so. Es ist so, wenn eine Mutter ihren Sohn in Haft sieht, aber es beschreibt die Geburt von Jesus ziemlich gut. Gott, der Allmächtige, ist vollkommen heruntergekommen, obwohl er wirklich nicht gut hierher passt. Warum? Weil wir hier auf der Erde sind und weil wir von uns aus nirgendwo anders hinpassen, schon gar nicht in den Himmel.

Wer wünscht sich nocht so eine Mutter?

Wir können nicht zu Gott -also kommt er zu uns. Einfach nur aus Liebe. Wie eine liebende Mutter alles tut, um bei ihrem Kind zu sein. Egal wo dieses Kind ist. lch glaube zum Beispiel, keine Mutter geht lockerentspannt in die JVA. Sie muss sich fremden Regeln unterwerfen, sie wird untersucht und fühlt sich wahrscheinlich den Bediensteten ausgeliefert. Trotzdem will sie ihren Sohn sehen und es ist für viele Mütter das Schlimmste, wenn der Sohn ihnen diesen Gang verwehrt und sie nicht sehen will. Wer wünscht sich nicht so eine Mutter? Die Weihnachtskrippe der JVA hat mir geholfen, besser zu “erfühlen”, was es an Weihnachten zu feiern gibt: Gott macht sich auf den Weg, um bei uns zu sein. Mit diesem Ziel kommt er genau da hin, wo wir sind. Auch wenn das kein guter Ort ist. Ganz egal, ob wir Menschen haben, die alles für uns machen würden und zu uns stehen oder ob wir ganz alleine sind. Keiner ist vergessen Das alles ging mir durch den Kopf, als ich die Krippe gesehen habe. Ob das im Sinne des Künstlers ist? lch weiß es nicht.

Bettina Hahn | Gefangenenzeitung Pop Shop, 3/2022

 

Feedback 💬

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert